5. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit?- Einblicke in das Leben der Bürger des Königreich Westphalens
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit so lautet der Wahlspruch der französischen Revolution. Wenn wir diese Worte hören, denken wir an den Aufbruch in ein modernes aufgeklärtes Zeitalter, an den Fortschritt des Geistes und der Technik. Das Königreich Westphalen sollte nach den hochstrebenden Plänen seines Gründers Napoleons zum Vorzeigemodell dieser Ideale werden. Nie zuvor hatte es auf deutschem Boden so weitreichende liberale Reformen gegeben. Der Traum "Westphalen" versprach politische Mitsprache, rechtliche Absicherung und Wohlstand durch freien Handel. Die westphälische Verfassung von 1807 sollte den Bürgern Westphalens ein Leben ermöglichen, wie es sonst nirgendwo auf deutschem Boden denkbar war.
Die Realität hingegen sah weit weniger rosig aus. Durch den Art. 7 des Verfassungstextes hatte Napoleon dafür gesorgt, dass sein Bruder Jérôme, obwohl nun selbst König, stets der französisch-kaiserlichen Familie und so letztlich ihm selbst unterstellt bleiben sollte. [Raum 2, Dokument 2.0] Diese Vormachtstellung nutzte der Kaiser auch bedenkenlos aus, hatte er doch schon früh seinem Bruder eröffnet, dass das Wohl seiner Untertanen hinten anstehen müsse gegenüber den Pflichten für Frankreich. Auf Grund seiner kostspieligen Kriege bestand diese Pflicht Westphalens für Frankreich zumeist darin „Frankreichs Einkünfte mit Kontributionen und Steuern aus seinem Lande, Frankreichs Heer mit seinen Landessöhnen zu füllen“. [1]
Die Folgen dieser Forderungen lasteten schwer auf dem Rücken der Bevölkerung. So musste Jérôme mehrmals durch königliche Dekrete gewaltige Summen per Staatsanleihe von seinen Untertanen eintreiben. Am 17. Juli 1808 wurde beispielsweise eine Staatsanleihe von 20.000.000 Francs [Dokumente 3, 4, 5] gesetzlich festgehalten und das Geld von der Bevölkerung eingeholt. Schnell war das junge Königreich in Finanzschwierigkeiten und die Staatsschuld lähmte das politische Tagesgeschäft.
Auch der Dienst in den Reihen der französischen Armee war, unter anderem auch wegen häufiger Zwangsrekrutierungen [Dokument 2] junger Männer zum Wehrdienst, bei den patriotischen Deutschen äußerst unbeliebt. Zahlreiche Desertationen waren, trotz harter Strafen [Dokument 1], an der Tagesordnung. Obwohl es natürlich auch Anhänger des französischen Systems gegeben hat, gelang es dem westphälischen Staat nie, die Mehrheit der Bürger für sich zu gewinnen.
Die allgemeine Unzufriedenheit führte schließlich sogar zum offenen Widerstand gegen die Fremdherrschaft [Dokumente 6, 7, 8]. Der bekannteste Versuch den Franzosen die Herrschaft über Westphalen zu entreißen, ist wohl der so genannte Dörnbergaufstand. 1809 marschierten mehrere tausend Bauern unter der Führung des hessischen Adeligen Wilhelm Caspar Ferdinand Freiherr von Dörnberg, in Richtung Kassel. Dörnberg, der zum Namensgeber des Aufstandes wurde, war ein erfahrener Soldat und hatte bereits zuvor bei Jena und Auerstedt gegen die Franzosen gekämpft. Nach dem sich seine ursprüngliche Hoffnung auf einen Aufstand des gesamten deutschen Nordens und eines zeitgleich beginnenden Krieges Österreichs gegen Frankreich als unrealistisch erwies, wagte er am 22 April 1809 in Hessen den Aufstand. Dieser sollte aber schnell von den Franzosen niedergeschlagen werden. [2] Dennoch, die Westphälische Regierung fand, trotz der eingeführten liberalen Verfassung der verbesserten, unabhängigen Rechtsprechung und der Gewerbefreiheit, vor allem in der Landbevölkerung wenig Zustimmung. Die hohen Steuerlasten, nicht konsequent genug umgesetzte Reformen und die Zwangsrekrutierungen machten die Franzosen bei den Bauern unbeliebt. Gerade jene, die am wenigsten zu verlieren hatten und aus den Reformen den meisten Nutzen zogen, konnten nicht für das System gewonnen werden. [3] So war das Königreich Westphalen und die französische Fermdherrschaft, ein beliebter Gegenstand für allgemeinen Spott und Gelächter [Dokument 9].
Anmerkungen:
[1] | A. Kleinschmidt: Geschichte des Königreichs Westphalen, Gotha 1893, S. 13. |
[2] | Vgl. U. Muras: Der Marburger Aufstand von 1809. Ein vergessenes Kapitel Marbuger Geschichte aus napoleonischer Zeit, Marburg 1998, S. 43 f. |
[3] | Vgl. U. Muras: Reaktionen auf die napoleonische Herrschaft im Werra-Department des Königreichs Westfalen 1807-1813, (Magisterarbeit) Marburg 1992, S. 118 f. |
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