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Quelle: Bayrische Staatsbibliothek, Sig. VD 16 M 973
Antonius Margarithas Schrift "Der gantz Jüdisch glaub", Augsburg 1530
Antonius Margaritha war der Sohn eines bekannten und hochangesehenen Rabbis, Samuel ben Jacob Margolis von Regensburg, und der Enkel des ausgezeichneten Talmudgelehrten jacob Margolis aus Nürnberg. Darüber hinaus war der ins Christentum bekehrte Margaritha mit namhaften Prager Juden verwandt. Aufgrund seiner prominenten Herkunft verlieh man seinen Kenntnissen über die jüdische Religion und das jüdische Leben großes Vertrauen. Deswegen erregte seine Schrift über den „gantz Jüdisch glaub“ von 1530 großes Aufehen, sowohl bei den christlichen Lesern, die das Werk mit Begeisterung empfingen (darauf deuten die vielen Auflagen des Werks, die in wenigen Jahren aufeinanderfolgten), als auch bei den Juden, die diese Begeisterung mit Sorge vernahmen.
Ähnlich wie Pfefferkorn mit seinen antijüdischen Schriften, versuchte Margaritha in seinem 1530 in Augsburg erschienenen “Der gantz Jüdisch glaub“, keine objektive und ausgewogene Darstellung des jüdischen Lebens und Glaubens zu beschreiben. Ihm lag vielmehr die Absicht zugrunde, das Judentum als eine unbiblische Religion, die Gefahr für das Christentum und für die christliche Gesellschaft darstellte, zu enthüllen. Dabei charakterisierte er die Juden nicht als fromme, gute Menschen, die dem mosaischen Gesetzt befolgten. Sie würden vielmehr, so Margaritha, den Lehren ihrer Rabbiner gehorchen, die das biblische Gesetz an vielen Stellen verstellt, ihre eigene „Innovationen“ eingeführt und Gottes Wort auf skandalöser Art und Weise falsch ausgelegt hätten.
Aber Margaritha wollte nicht nur die Ausübung der jüdischen Religion kritisieren. Ihre ‚Schädlichkeit‘ für die Christen stand im Vordergrund seiner Ausführungen. Mit zahlreichen Beispielen versuchte er klar zu machen, dass die Juden sich als Herren über die Christen begriffen und dass sie sie von tiefen Herzen hassten. So erklärte er, dass Christen, wenn sie Geld von den Juden liehen, faktisch Sklaven der Juden würden. Dass manche Christen für Juden arbeiteten, und am Shabat ihnen halfen, ihre Gesetzen einzuhalten, machte sie auch zu Dienern der Juden in den Augen Margarithas. Und das war für ihn unakzeptabel.
Margaritha erhob die bereits bekannten Beschudigungen von der Lästerung der Juden. Dass er dabei die jüdischen Gebete ins Deutsche so übersetzte, dass sie als Schmähungen erschienen, verstärkte das Potenzial für Unruhen gegen Juden. Denn nun konnten auch einfache, ungebildete Menschen vom Inhalt der Gebete erfahren und sie tatsächlich als Beleidigung ihres Gottes und Glaubens verstehen. Die Darlegung der jüdischen Gebete als Lästerung und Schmähung zog eine weitere Schlußfolgerung mit sich: Da die Gotteslästerung ein schweres Verbrechen war, übertraten die Juden die Gesetze des Reichs, indem sie ihre Religion praktizierten. Da die Juden, laut Margaritha, auch den Niedergang der christlichen Herrschaft heimlich wünschten, sollte man ihnen ihre bisherigen politischen Status und ihre Privilegien nicht mehr gewähren. Margaritha versuchte also aus seinen theologischen Überzeugungen soziale und politische Konsequenzen für die Juden zu ziehen.
Der Inhalt von Margarithas Schrift wurde dem Kaiser, als er nach Augsburg kam, um am Reichstag dort teilzunehmen, bekanntgemacht. Kurz zuvor hatte er in Innsbruck Josels Verteidigungsrede zugunsten seines Volkes gehört und ihm Privilegien für die gesamte Judenschaft im Reich verliehen. Nun erhielt er von einem gelehrten Täufling die angeblichen Beweise dafür, dass die Juden Christus und den Kaiser selbst verfluchten und die Christen dem Judentum zu gewinnen versuchten.
Der Kaiser verlangte von Josel, der auch nach Augsburg gekommen war, Margarithas Anklagen zu widerlegen. Margaritha hatte in seinem Buch selbst den Wunsch geäußert, seine Beschuldigungen mit den gelehrtesten Juden diskutieren zu dürfen. So fand am 25. Juni 1530 eine Disputation zwischen Josel und Margaritha statt, die vor einer gelehrten Kommission und in Gegenwart des Kaisers, mehrerer Fürsten und anderer Reichsstände getragen wurde. Josel musste sich „dreier Punkte wegen verantworte[n]“, nämlich: dass die Juden Christus und das Christentum schmähten, Proselyten zu machen suchten (das heißt eine jüdische Mission durchzuführen) und danach trachteten, die Obrigkeiten, denen sie unterworfen seien, zu vernichten.
Am Ende konnte Josel die kaiserliche Kommission überzeugen. Diese ließ Margaritha, der nun als einen gefährlichen, Unruhe-stiftenden Denunzianten galt, gefangen nehmen und anschließend aus Augsburg verbannen. Er musste sogar schwören, die Stadt Augsburg nicht mehr zu betreten.
In der Tat verschwand Margaritha seit dieser Zeit aus Süddeutschland. Im Jahre 1531 findet man ihn als Lektor der hebräischen Sprache in Leipzig wieder. Damals erschien auch eine dritte Auflage [seines Werkes], von dem Luther und Bucer in ihren späteren Schriften stark beeinflusst wurden. Vor allem seine Ansicht, dass die Juden nicht einen privilegierten Status gegenüber Christen genießen dürfen, klingt bei den Schriften der beiden Reformatoren an.
Josel erwähnt die Disputation mit Margaritha an mehreren Stellen: In seinem „Trostschrift “, in „Sefer Ha-Miknah“, in seinen Memoiren und in seinen Briefen an den Straßburger Rat von 1543 . Aber abgesehen von Josels berichte sind keine Dokumente über die Disputation überliefert.
A. Siluk
Weiterführende Literatur
Peter von der Osten-Sacken, Martin Luther und die Juden. Neu untersucht anhand von Anton Margarithas „der gantz Jüdisch glaub“ (1530/1), Stuttgart 2002.
Selma Stern, Josel von Rosheim. Befehlshaber der Judenschaft im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, Stuttgart 1959.
Stephen G. Burnett, Distorted Mirrors: Antonius Margaritha, Johann Buxtorf and Christian Ethnographies of the, in: The Sixteenth Century Journal, Vol. 25, No. 2 (1994), S. 275-287
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