Folgende Auszüge aus der Schrift „Judenfeind“ sollen einen Einblick darauf verschaffen, mit welchen Mitteln Pfefferkorn die Juden in den Augen der christlichen Zeitgenossen diskreditieren wollte. Das Büchlein versteht sich als ein „Enthüllungswerk“, denn die angeblichen bösen Gedanken und Praktiken der Juden gegenüber ihrer christlichen Nachbarn, deren Religion und Ordnung [das heißt gegen das Reich] sollen aufgedeckt werden. Entlarvt werden die Juden also als Feinde des Reichs und der Christen überall. Pfefferkorns Strategie ist es, die Bosheit der Juden aufzudecken und all das in einen (verschwörungstheorieartigen) Zusammenhang zu stellen. Er deckt die Schädlichkeit und Böswilligkeit der Juden im privat-verborgenen (z.B. in ihren Gebeten) wie im öffentlich-verschleierten Bereich (durch ihre Tätigkeit als „Wucherer“) ‚enthüllen‘. Jeder Umgang mit den Juden, so Pfefferkorn, verderbe die Christen, deswegen sollte jeden möglichen Kontakt mit ihnen vermieden werden.
Judenfeind
[S.2] Ich bin ain Buchlinn der Juden veindt ist mein namen
Ir schalckhait sag ich vnnd will mich des nit schamenn
Die lang zeyt verborgen gewest ist als ich thůn bedeütenn
Das will ich yetz offenbarn allen Cristen leüten
Dann ich bin mit yren hebraischen schrifften wol vwart
Vnd dem verkerten geschlecht die warhait nit gespart
Jesus Nazaren rex iudeos
[S.3] Got vnd seiner gebenedeiten můter zů lob Auch zů furdrung des gemainen nutzes, auch zů bewarung meiner selbst Ere hab ich Johannes pfefferkorn Etwenn [ehemals] ain Jud aber nun ain crist des büchlin gemacht vnnd getetailt [geteilt] ynn drey tayl
In dem ersten wil ich sagen Etlich vnere, schmach vnnd schande so die Juden teglich got Maria seiner hochwirdigen müter vnd allem himlischē her an thun vn beweisen in yren hebraischen sprach
Zů dem andren will ich Erzelen vnnd ercleren den schaden vnd verderbnüs der land vnnd leut der ende da Juden beschwert werden dan sie důrch den wůcher die selben verderben als yr hören werdt
Zů dem dritten wil ich melden, wie sie die cristen der selben orte zů vngötlichen vnd vncristlichen hendlen dur[ch] yr valsch [falsches] gůt (das sie yn yren anligen vberschwencklich uß geben) raitzen/ vnnd dar mit entlichen wie sy mir (als ich clarlich bericht vnnd getrülich gewarnet bin zů ermorden vnnd zů verdilgen nach stellen der hoffnung die Cristenlichen hewpter [Häupter] sollen solichs zů herzen fassen vnnd denn schaden so Cristlicher macht in baiden gaistlichem vnnd weltlichem Stat durch die auß setzigen hundt zůgefuigte wirt bedencken vnd den fürkumen [zuvorkommen]
[S.4] Das Erste tayl dises Bůchs sagt von der vnerlichn blasphemirung so die Juden teglich got Marie seiner gebendeitē muter vn allem himlichē her [Herr] an thun ….
[S.6] Item sy haben zwai sunderlicher gebet wider vns cristen die lauten in yr hebraischer sprach also:
[hier folgt die Wortlaut des Gebets auf Hebräisch mit einer Transkription mit lateinischen Buchstaben]
Dise wort lauten auff den hebraischen zů Teuschem also zů den getaufften ist kain hoffnung vnd alle vnglabigen sollen schnelliglich vergon vnd alle die find deines volckes Israhel vndertruckt vn verdilgt werden das geschech bald. Dise wort bettē sy altag dreii mal mit grosser andacht damit Sy anfencklich die haligen aposteln vnd yre nachuolger [Nachfolger] die den tauff enpfangen haben maynen. Vnnd welche yren valschen glauben nit halten die werden von ynen vnglaubig gezelt Si bitten auch rach vber die gantz gemain der cristlichen kirchen vn in sunderhait das das Römisch reich verwust zerbrochen vn verstört wird vnd diß gebet [S.7] dürfen sy nit sitzend sprechen/ sunder sy müssen auffrecht ston [stehen]. Es darff auch kainer mit dem andren redenn biß das gebet volbracht wirt. Vnd so vnnder vns Cristenn krieg oder auffrur enstien [entsteht] erfreiwen [erfreuen] sy sich aus gantzem hertzen der hoffnung/ das als dann die zeit sollichs des Reichs verstörung nahent sey.
…
[S.8] Das ander [zweiter] tail sagt wie die Juden landt und leuth verderbenn
Wje wol vil vnd mangerlai Seckten vnnd glauben in der welt gefunden werdenn/ So ist doch vnter allen kain diebischer duckischer vnnd der Cristenhait schedlicher volck, dan die vnrainen vnd verflüchtē Juden/ weliche alle zeit tag vn vnacht mer dan andre völcker mit hohem vleys [Fleiß] gedenckē vn embsiglich dar nach trachtē wie si die mach vn gewalt d. cristē vßrytē [ausreißen] od. [S.9] verdilgen möchten/ die weil aber solichs yenenn zů thun, vnmüglich ist durch sie der weg des wůchers vnnd ander vntrew (so ich zů seiner zeyt an tag bringen mag) fynden dar durch sie yr früntlich beiwonung wort/ weiß/ vnd geberde solichs zů thun vnrhoffen vnd da mit aber yr behendikait von meniglich gemerckt vnnd verstanden werdenn mag / so hört mit gutem gunst. Jr vest [wisst] das sy leihen gelt auff pfandt weliche alweg vil bessers werdts / dan sie dar auff lihen sein mussen Vnd also/ so ymandt mit pfanden die zůuersetzen zů einem Judenn kumpt/ so wais der Jud das der selb so also kumpt benötiget ist doch so fragt Er/ den Cristen mit güten fruntlichen worten was sein beger sey das ym dan also der Crist sagt vnnd spricht/ hie hab ich pfand dar auff ich mir ain sollche Sum gelts zů lyhn beger So nimpt der Jud besicht das pfand hin vnnd her wider spricht dann fürvar [fürwahr] so vil lihe ich nit berauff [darauf] vnnd get dar von mit erzaigung als ob er gar nütz lyhenn welle. Des der Crisi erschreckt/ dan er müß gelt haben vnd tzm Juden spricht was oder wie vil wilt du mir dann leihen/ So kert der Jud anderwait das pfandt wie vor vleyssiglich zů besehen vnd nach langer solicher besehung so sagt Er dan gar ain ring vnd clain gelt das er dar auff leihenn well. Vnd ich setz es sein ain golt guldn churfürsten müntz den wöll er lihen die wochen von vi Cölschen Weißpfennigen ain haller/ thüt von ainem golt guldenn viii heller die wochen/ als dan zů Daytz am Rein vor Cöln vber der gebrauch vnd gewonhait ist. Vnd wie wol der Crist mer gelst bedörfft (so nimpt er doch den gulden an/ der hoffnung solich sein pfand Bald wider zů lössen/ In mitlerzeit wirt der Crist von tag zů tag Ermer [ärmer] (dan ich wais für war wer vnder die Juden kumpt oder mit yn zů thün hat der kann nimmer mer gedeihen) vnd kann auch das pfandt [S.10] nit lösen/ hofft doch alweg besserung/ Vnnd so also ain yar vmb gangen vnd verloffen ist, vnnd der Crist solichs sein pfandt das vil mer werdt/ dann dar auff gelihenn ist nit löst/ so ist es dem Juden vmb die klaine somma so Er dar auff gelihen hat verfallen vnd gibt es nach verscheinug [Verstreichen] des iars nit wid kumbt aber d crist ehe dz iar vscheint ich setz vff dē letztē tag des iars vn recht mit dem iudē so ist auff dē golt guldn gegē xxxiiii Cölnsch wie pennig vn xiii heller hat der crist nit zů bezalen. Bith [bittet] den Judn das er den wücher bei dem haüpt güth vmb gewonlichem gefug stann lassen wel/ so antwurt der Jud gern/ aber yr müst mir noch mer pfand bringen das also der Crist thut […] Aber der hoffnung sein sach soll sich bald bessern das doch nit geschicht dann als ich vor gesagt hab ye tieffer der mensch hinder die Juden kumbt yr weniger er von ynen kann […] Dar durch wirt der Crist dann by maniglich verschambt/ vnnd also tregt ym der Crist selber alles das Er hat auss dem hauß, vnd stöst es haimlich zů dem Juden Also das der Jud für ainen gulden den er außgelehet wol hundert gulden oder mer werts pfand hat/ dar durch dan der arm Crist so er nimer zůuersetzen hat Entlauffen vnd al sein tag in armut leben muß das offt vnd vil geschicht…
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[S.14] Das III vnnd letz tail sagt wie die Judenn durch ir valsch güt die cristen zů grossen sünden vrsachē
Wo Juden wonen ist zů besorgen Sie zihen durch yr gůt nit allein den gemainen man sunder auch etlich d gelerten an sich die selben dan yr vnrecht helffen verduncklen / vnnd so ain / Jud leib vnnd leben verbürgt hete So vinden sie lewth die ynen hilff vnd beistand theten wider das gebot der Cristlichenn kirchenn/ Dann es wirt an etlichen enden vnnd steten wo Judenn wonē gesehen dz sie gemainlich ym rechten obligen vn gar selteē d sach vlustig verdē das allain vo irem falschen gůt herkombt dz also die cristen von inen enpfahen vn helffen [S.15] in vrsach ym schein des rechten vnerduncklen vnd bedecken deßhalben wirt manichem frumen. Cristen sein recht zů/ruck gesatzt vmb das sie die Juden villeicht mer dann die Cristen auß zůgeben haben.
Weiter Raytzen die Juden manichen Cristen menschenn gelert vnd vngelert zů vnglauben Als ich dan vor in andrē meinen bůchern gemeld hab
Auch so geschicht wo Judenn wonen vil ketzerey dann man vindt vil Cristen die mit den iuden vnkeuschait treyben vnd so dan also von den selben kinder gemacht werde bleiben die selben kinder iuden welichs vngezweifelt gar ain groß mercklich vnd lesterlich vbel ist. Das also das Cristlich blůt in ewige verdammnuß gestelt wirt vnnd als ich vor ym anfanck meins Büchlins gerürt hab / so ist in gantzer welt kain Seckt oder volck den Cristen gehessiger dan die iuden…
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[S.22] Da mit will ich das Büchlin beschliessenn ob aberr ymant. Ob aberr ymant wer der ym solichs wolt lassen zu hertzenn gon/damit die lesterung gottes welche täglich von den /Judenn geschicht fürkummenn möchte werden Antwurt ich vnnd sprich die weil man sy die Juden also frei last sitzen so ist es nit wol müglich das solch vbel nit geschech/ Dann sie müsten nyt allain den wůcher vnderwegen lassen oder in grossem reichtumb sitzen. Sunder sy musten alle verworffne arbait thuun/ als die gassen sauber halten oder dye Camin kerē deß gelichē [desgleichen] die scheussheuser [öffentliche Bäder] fegen vn huns dreck klaubenn ec. Doch das nit vnnderwegen lassen als ich manig mal erzelt hab/ von yn [ihnen] zů nehmen die falschen Bucher des Talmut, vnnd ynen nichts weiters zů lassen dann allain denn Text der Biblen, vngezweyfelt nach solcher handlung wurden sy ain andernn sin vnnd gemüt an sich nehmen, vnnd also bekannt werden zůuerlassen yr falschhait [falschen Glauben] vnnd nachuolgen der warhidt [Wahrheit] vnnsers glaubens
Quelle: Bayerische Staatsbibliothek München
Transkription: A. Siluk
Aufgaben:
1. Welche Mittel benutzt Pfefferkorn, um die Juden in den Augen ihrer christlichen Zeitgenossen zu diskreditieren und zu denunzieren?
2. Die Schrift ist in drei Teile geteilt. Welche Funktion erfüllt jeder einzelne Teil und welches Judenbild ergibt sich aus dem gesamten Werk?
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