4. Armen- und Krankenfürsorge vom Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit
von Thomas Heiler
Einführung
Caritas und Benediktsregel als Grundlage im Frühmittelalter
Die tätige Nächstenliebe (caritas), die zu den christlichen Kardinaltugenden zählt, bildet die Grundlage der abendländischen Armen- und Krankenfürsorge. Das Wort Jesu an seine Jünger (Matthäus 5.4: Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden) verpflichtete die Christen zu aktiver Hilfe gegenüber jenen, die in Not gekommen waren.
Die für die klösterlichen Gemeinschaften maßgebliche Regel des Heiligen Benedikt (gest. 547) legte im Hinblick auf die kranken Klosterbrüder fest, dass die Sorge für sie über allem stehen müsse: Man soll ihnen so dienen als wären sie wirklich Christus (Regel Nr. 36/1). In Klöstern erhielten daher die Kranken nach Möglichkeit einen eigenen Raum und genossen häufige Bäder. Zudem erlaubte ihnen die Benediktsregel den Verzehr von Fleisch, auf das man als Gesunder verzichten sollte. In jedem Kloster gab es ein Krankenspital (infirmarium), das allerdings nur den Mönchen vorbehalten war (Dok. 1).
Die Aufnahme von Armen und Fremden sah Benedikt als wichtige klösterliche Pflicht an (Regel Nr. 53, 15: Vor allem bei der Aufnahme von Armen und Fremden zeige man Eifer und Sorge, denn besonders in ihnen wird Christus aufgenommen). Bereits im Frühmittelalter gab es daher im Umfeld der klösterlichen Gemeinschaften auch Häuser für Pilger sowie Kranke und Bedürftige aller Art. Diese Einrichtungen wurden als hospitale pauperum (Gästehaus für die Armen) bezeichnet. Das Wort „Hospital“ leitet sich vom lateinischen hospes ab, das sowohl „Fremder“ als auch „Gast“ bedeutet. Es bezeichnet somit zunächst nicht ein Krankenhaus, sondern eine Herberge, in der Gäste, vor allem Pilger, willkommen waren. Ein Haus für Pilger und Arme (domus peregrinorum et pauperum) findet sich auch in dem berühmten, wohl idealtypischen St. Galler Klosterplan von ca. 820 (Dok. 2).
Neben der Regel des heiligen Benedikt schrieben auch die im Jahre 816 auf einer Synode in Aachen erlassenen Ordnungen für die Stiftskanoniker und die Frauenstifte die Sorge für die Armen fest (Dok. 3 und 4). Die notwendigen finanziellen Mittel zur Armenversorgung sollten nach dem Beschluss der Mainzer Bischofssynode des Jahres 847 von dem Kirchenzehnten genommen werden, der zu einem Viertel den Armen zu Gute kommen sollte (Dok. 5).
Aufgrund der fehlenden Quellen kann über die Art und den Umfang der von den kirchlichen Einrichtungen getragenen Fürsorge im Gebiet des heutigen Hessen nur wenig gesagt werden. Anzunehmen ist, dass die großen frühmittelalterlichen Klöster Fulda, Hersfeld und Lorsch ihrer durch die Benediktsregel vorgegebenen Verpflichtung nachkamen. Es dürften mindestens jeweils zwölf Arme gewesen sein, die in einem Klosterhospital dauernd Unterkunft fanden. Von Klöstern im Westfrankenreich ist bekannt, dass sie weitaus mehr, nämlich bis zu 500 Personen täglich versorgten. Doch auch ein solch bemerkenswerter Einsatz konnte nicht verhindern, dass viele Bedürftige abseits der Klöster auf sich allein gestellt waren.
Die schlimme soziale Lage weiter Teile der Bevölkerung schildert der Historiker Arnold Angenendt drastisch mit folgenden Worten: „Ein Heer von Heruntergekommen, deren Leben zutreffend nur als Vegetieren bezeichnet werden kann, bevölkerte die mittelalterliche Welt: übelriechend, unansehnlich, mit Geschwüren bedeckt, von Gebrechen entstellt und notgedrungen zudringlich. Viele der Großen, selbst Bischöfe, hielten sich gelegentlich die andrängenden Bettlerscharen mit Hunden vom Leibe. Da der Zeit die Möglichkeiten fehlten, dieses Elend in spürbarer Weise zu beheben, schien alle Armenhilfe vergeblich und letztlich sogar sinnlos zu sein“ (Angenendt, Das Frühmittelalter, S. 197).
Halt und Unterstützung bot im günstigsten Fall die Familie, welche sich um die Alten und Schwachen kümmerte. Allerdings war dies nur dann möglich, wenn es normale Erntejahre gab und sich die fast ausschließlich von den Erträgnissen der Landwirtschaft lebende Bevölkerung ausreichend ernähren konnte. Eine einzige Missernte stellte viele vor eine lebensbedrohliche Situation.
Die Ritter- und Spitalorden im Hochmittelalter
Die im Umfeld der Kreuzzüge seit Ende des 11. Jahrhunderts zum Schutz und zur Betreuung der Pilger, aber auch zur militärischen Sicherung der christlichen Stätten des Heiligen Landes entstandenen Ritterorden kamen als neues Element der Krankenpflege im Hochmittelalter hinzu. Die Johanniter, gegründet 1099 in Jerusalem, verschrieben sich als Bruderschaft der Kranken- und Armenfürsorge ebenso wie der 1190 in Akkon entstandene „Orden der Brüder vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem“ (Deutscher Orden). Beide Laienbruderschaften waren schon früh (1113 bzw. 1198) in geistliche Ritterorden umgewandelt worden. Aufgrund ihrer umfangreichen Erfahrung in der Betreuung von Kranken und Verwundeten in zahlreichen Niederlassungen des Nahen Ostens (u.a. Jerusalem und Akkon) wurden den Ritterorden auch im Gebiet des Heiligen Römischen Reiches neu begründete Spitäler übertragen.
Hessische Niederlassungen der Johanniter gab es seit dem 13. Jahrhundert in Nieder-Weisel bei Butzbach, in Nidda und Grebenau (Dok. 6). In welchem Umfang sie dort Spitäler betrieben, bleibt aufgrund der schlechten Quellenlage unklar. Der Deutsche Orden erhielt die Spitäler in Sachsenhausen bei Frankfurt (1217) sowie 1234 das Elisabethspital in Marburg (Dok. 7 und 8), das wenige Jahre zuvor von der Landgräfin Elisabeth von Thüringen (gest. 1231) gegründet worden war. Deren aufopferungsvolles Wirken für die Kranken (Dok. 9) wirkt in der Verehrung ihrer Person bis heute nach. Elisabeth hatte sich insbesondere um die Leprakranken gekümmert, die nicht nur unter ihrer Krankheit, sondern auch der Stigmatisierung durch die Umgebung litten. Bereits seit dem 11. Jahrhundert waren im Reich Leprosenhäuser (domus leprosorum, Sondersiechenhaus, Gutleuthaus) entstanden, welche sich um die Aussätzigen kümmerten. In Hessen sind seit dem 13. Jahrhundert an den größeren Handelswegen und in Flusslage am Rande nahezu aller Städte Leprosorien bezeugt. Zu den frühesten zählen die Einrichtungen in Eschwege (1236), Frankfurt (1283), Wetzlar (1285), Alsfeld (1296) und Kassel (1297), vgl. Dok. 10 und 11.
Neben den Ritterorden gab es den 1095 in Frankreich als Laienbruderschaft begründeten Antoniterorden, der sich vor allem um die am Antoniusfeuer erkrankten Menschen kümmerte. Es handelte sich dabei, wie man allerdings erst seit dem 17. Jahrhundert wusste, nicht um eine ansteckende Krankheit, sondern um eine Vergiftung durch den Verzehr von Nahrungsmitteln, die mit einem Mutterkornpilz infiziert waren. Die ersten Antoniterklöster auf deutschem Gebiet gab es seit dem Ende des 12. Jahrhunderts in Roßdorf bei Bruchköbel und in Grünberg (Dok. 12). Auch die hochmittelalterlichen Reformorden der Cluniazenser und Zisterzienser, die sich der Abgeschiedenheit verschrieben hatten, kümmerten sich um Gäste wie um Bedürftige. Das Hospital der Zisterzienser in Eberbach ist hierfür ein wichtiges Zeugnis (Dok. 13).
Kommunale und private Initiativen im Spätmittelalter
Mit dem Aufblühen der Stadtkultur im Reich seit dem 13. Jahrhundert ging die Bedeutung der Ritterorden zurück. Parallel hierzu stiegen die Gründungen karitativer Einrichtungen in den Städten an. Ausgangspunkt waren entweder die Kommune selbst oder aber die Initiative geistlicher wie weltlicher Einzelstifter. Meist handelte es bei den Stiftungen um Heilig-Geist-Spitäler, so etwa in Bensheim, Biedenkopf, Dieburg, Eschwege, Frankfurt am Main, Friedberg, Fritzlar, Fulda, Gießen, Gudensberg, Hanau, Homberg/Efze, Kassel, Treysa, Wetzlar und Wiesbaden (Dok. 14-17). Daneben gab es aber auch andere Spitalpatrozinien wie St. Valentin in Felsberg, St. Georg in Melsungen, St. Elisabeth und St. Nikolaus in Spangenberg. Parallel hierzu bestanden die alten Einrichtungen an den Klöstern und Stiften fort oder diese bildeten wie etwa in Blankenau den Ausgangspunkt für Neugründungen (Dok. 18). In Hersfeld rief Abt Ludwig I. ein der Heiligen Elisabeth geweihtes Spital ins Leben (Dok. 19).
Im Laufe des Spätmittelalters fächerten sich die von geistlichen Institutionen, Städten sowie einzelnen Persönlichkeiten gestifteten Maßnahmen zur Förderung der caritas immer weiter auf. Der Bogen spannt sich von Armenspeisungen am Gründonnerstag (Dok. 20) über Brot- und Fleischverteilung an Bedürftige als Dank für die überstandene Pest (Dok. 21), Spenden für arme bettelnde Frauen (Dok. 22) bis hin zu Ablassgewährungen für Almosengeber an Spitäler. Insbesondere Testamente von geistlichen wie weltlichen Personen spielten bei den Zuwendungen an die wohltätigen Einrichtungen eine große Rolle. Die Spender erhofften sich durch die Gaben an die Kranken und Armen eine rasche Erlösung von ihren Sünden und eine Rettung der Seele (Seelgerät). Ausdrücklich genannt wird dieses Motiv sehr häufig, so etwa bei Zuwendungen an die Johanniter in Nieder-Weisel (Dok. 23) oder an die Armen in Marburg (Dok. 24).
Obrigkeitliches Engagement in der Frühen Neuzeit
Angesichts der im 16. Jahrhundert relativ stark ansteigenden Bevölkerungszahl insbesondere in den Städten sowie einer nach wie vor zu konstatierenden Unterversorgung der Bevölkerung an sozialen und medizinischen Einrichtungen kümmerten sich zunehmend auch die Landesherrschaften um dieses Thema. In Hessen war es Landgraf Philipp der Großmütige (gest. 1567), der gleich vier Landeshospitäler gründete. In der aufgelösten Zisterzienserabtei Haina (Dok. 25 und 26) wurde 1533 ein Männerspital eingerichtet, während das gleichzeitig umgewandelte Augustinerkloster in Merxhausen (Dok. 27) den Frauen vorbehalten war. Aus einer wohlhabenden Pfarrei ging 1535 das landesherrliche Hospital in Hofheim (Stadt Riedstadt) hervor (Dok. 28). Das 1542 in Gronau (Gde. Heidenrod) begründete Männerspital hatte wie Haina und Merxhausen ein Kloster als Vorläufer (Dok. 29). Damit hatte Philipp in den vier Landesteilen seines Herrschaftsgebiets (Hessen-Kassel, Hessen-Marburg, Hessen-Rheinfels und Hessen-Darmstadt) ein kleines Netz von Spitälern im näheren räumlichen Umfeld der Verwaltungsmittelpunkte (Kassel, Marburg, Darmstadt und St. Goar) geschaffen, die vor allem der bisher vernachlässigten Landbevölkerung zugute kamen. Zudem kümmerten sich Einrichtungen wie in Haina zum ersten Mal um die bisher auf sich selbst gestellten Menschen mit einer geistigen Behinderung.
Philipps Maßnahmen im Bereich der Armen- und Krankenfürsorge speisten sich aus verschiedenen Quellen. Neben der Anknüpfung an das Werk der heiligen Elisabeth und damit der Erschaffung einer „neuen, protestantischen Karitas“ (Christina Vanja) entstanden die Hospitalgründungen auch aus der Notwendigkeit, an die Stelle der im Zuge der Reformation aufgehobenen Klöster Einrichtungen zu setzen, die der Bevölkerung signalisierten, dass die Organisation der Wohltätigkeit nun eine der wichtigsten Aufgaben der Landesherrschaft war. Vor diesem Hintergrund ließ Philipp nicht nur Spitäler errichten, sondern durch seine Verwaltung die administrative Grundlage für eine systematische und gezielte Armenpolitik erarbeiten. Durch Visitationen im ganzen Land sollte sichergestellt werden, dass die Einnahmen der Kirche überwiegend zum Wohle der Armen verwandt wurden. Eine 1530 erlassene „Kastenordnung“ (Dok. 30) legte die Verwendung der in den Armenkästen gesammelten Gelder für die Zwecke der Armen, Kranken und der Schulen fest. Mit Hospitalordnungen (Dok. 31) wurde die Arbeit in den karitativen Einrichtungen auf eine geordnete Grundlage gestellt.
Dem Vorbild Philipps folgten im Gebiet des heutigen Hessen auch kleinere Herrschaften wie die Grafschaft Waldeck, in der 1532 ein „gemeiner Kasten“ zur finanziellen Versorgung der Bedürftigen begründet wurde (Dok. 32). 1702 wurde durch Graf Christian Ludwig von Waldeck im ehemaligen Benediktinerkloster Flechtdorf ein Landeshospital eingerichtet (Dok. 33).
Eine andere Komponente der landesherrlichen und kommunalen Fürsorgepraxis in der Frühen Neuzeit war die Einführung von Armen- und Waisenhäusern, die dem „Betteleiunwesen“ begegnen sollten. Diese Form der obrigkeitlichen Maßnahmen ist eng verbunden mit einem zunehmenden Eingriff in alle Lebensbelange der Bevölkerung (Sozialdisziplinierung). In den größeren Städten wie Frankfurt, Darmstadt und Kassel, aber auch in den mittelgroßen Residenzen Marburg, Büdingen, Homburg v.d. Höhe, Hanau und Fulda sowie in den Städten der kleineren weltlichen Territorien wie der Grafschaft Waldeck (Wildungen und Korbach) und der Herrschaft Schlitz wurden seit dem Ende des 17. Jahrhunderts Waisenhäuser, oft in Kombination mit Armen- und Arbeitshäusern, eingerichtet (Dok. 34-36). Da im zeitgenössischen Verständnis zumindest ein Teil der Armut auf den „Müßiggang“ zurückgeführt wurde, sah man die vom Staat oder der Kommune verordnete und organisierte Arbeit in eigens dafür eingerichteten Häusern als wichtigstes Mittel an, die hungernden und bettelnden Menschen von der Straße zu holen. Dahinter stand ein inzwischen gewandeltes Armutsbild, das nicht mehr nur im Sinne der christlichen Nächstenliebe und der Erlangung des Seelenheils durch gottgefällige Wohltaten gesehen wurde. Zunehmend setzte eine „Pädagogisierung“ der Armenpflege ein, die zumindest einen Teil der Armen für ihr Schicksal selbst verantwortlich machte (Dok. 37).
Zu einem Prototyp des „guten Armen“, der sich nicht öffentlich zeigte und sein Schicksal zu Hause ertrug, wurde der „Hausarme“. Gerade dieser zahlenmäßig größten Gruppe der Unterstützungsbedürftigen widmeten sich seit dem 17. Jahrhundert die obrigkeitlichen Maßnahmen in besonderem Umfang (Dok. 38).
Eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Linderung von Armut in Notfällen spielten neben den Bruderschaften auch die Zünfte, in denen in der Regel das städtische und zum Teil auch das ländliche Handwerk organisiert war. Eine ihrer wichtigsten, in den Zunftordnungen festgelegten Aufgaben war, sich um die Ehefrauen bzw. Witwen und Kinder von verstorbenen oder nicht mehr arbeitsfähigen Handwerkern zu kümmern (Dok 39).
Die Betroffenen (Arme, Kranke, Pfleger, Ärzte und Verwalter)
Armut lässt sich weder heute wie damals genau definieren. Doch während im modernen Sozialstaat alle denkbaren Sparten der Bedürftigkeit klar differenziert und für nahezu jede Form der Not eine öffentlich getragene Einrichtung zuständig ist, darüber hinaus auch die Finanzierung über Steuern, Beiträge und Eigenleistungen eindeutig geregelt ist, haben wir es in vormoderner Zeit mit einer Vielzahl unterschiedlichster, oft auch unkoordinierter Maßnahmen zu tun, die letztlich alle auf Freiwilligkeit der jeweiligen Träger beruhten. Sei es die christliche Nächstenliebe, die obrigkeitliche Fürsorge oder die Verpflichtung innerhalb der Familie, sie alle ließen sich nicht einklagen. Insofern standen die Kranken und Armen oft allein.
Über Einzelschicksale wissen wir über die Jahrhunderte hinweg nur sehr wenig. Kein Geschichtsschreiber hat statt der Taten von Fürsten und Feldherren das entbehrungsreiche Leben einer Magd oder eines Knechts geschildert. Auch in den Stiftungsurkunden ist nur pauschal von „armen Leuten“ oder „Hausarmen“ die Rede. Erst die Eingaben an die Behörden, in denen um die Aufnahme in ein Spital gebeten wird, schildern seit dem 18. Jahrhundert die Notlage der bittenden Personen zum Teil recht drastisch (Dok. 40 und 41).
Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit führten in früheren Epochen fast zwangsläufig in die Armut. Sofern sich die nähere Umgebung aus Familie, Verwandten oder Freunden nicht um die Bedürftigen kümmerte, waren Plätze in den karitativen Einrichtungen, insbesondere auf dem Lande, meist nicht vorhanden oder äußerst begrenzt. Doch auch dort, wo es Spitäler gab, konnte nur eine äußerst primitive Verpflegung und selten eine ärztliche Versorgung gewährleistet werden. Mittelalterliche und frühneuzeitliche Spitäler waren bis zu einem ersten Professionalisierungsschub im 18. Jahrhundert, der mit dem „Barockspital“ den neuen Typus einer Heilanstalt mit großzügiger Architektur und geschultem Personal hervorbrachte (Dok. 42 und 43), multifunktionale Einrichtungen. Hier trafen sich Gäste, Pilger, Kranke alle Art (mit Ausnahme der an Lepra und Syphilis erkrankten Menschen), Witwen und Waisen, unversorgte Arme und Ausgestoßene der Gesellschaft. Zunehmend kam aber auch eine neue Gruppe in die Spitäler, nämlich die Pfründner, die sich mit ihrem Vermögen einkaufte und die Einrichtung im Sinne eines heutigen Alten- und Pflegeheims nutzte. Aufgrund dieser Vielzahl der möglichen Funktionen einer solchen Einrichtung verstellt der inzwischen auf die Bedeutung eines Krankenhauses verengte Begriff „Hospital“ den Blick auf die Wirklichkeit im Mittelalter und der Frühen Neuzeit.
Gemeinsam ist allen Einrichtungen, dass der Tagesablauf gerade in den aus kirchlichen Stiftungen hervorgegangenen Einrichtungen oft streng geregelt und damit dem einer klösterlichen Gemeinschaft etwa in der Verpflichtung zum regelmäßigen Gebet gleichgestellt war. Deshalb spielt auch die Spitalkirche die zentrale Rolle innerhalb des Grundrisses einer Spitalanlage (Dok. 44). Leider erfahren wir erst aus den späteren Spitalordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts Näheres über den Tagesablauf bis hin zum Speiseplan in den Spitälern sowie in den zu dieser Zeit begründeten sonstigen Anstalten der Armen-, Arbeits- und Waisenhäuser (Dok. 45 und 46).
Ausgebildetes Personal stand mutmaßlich in den meisten karitativen Einrichtungen nicht zur Verfügung. Freiwillige Laienbrüder oder Schwestern dürften in kirchlichen wie weltlichen Einrichtungen die Hauptlast der Verantwortung getragen haben. Die Verwaltung oblag Spital- und Siechenmeistern sowie Vormündern, die auch aus den Reihen der Pfründner stammen konnten. Die ersten Ärzte werden in hessischen Quellen seit dem 13. Jahrhundert genannt. Aufschlussreich für die Tätigkeit eines am Hof angestellten Arztes ist ein Bestallungsbrief des Bartholomäus von Ett, der 1458 in die Dienste des Grafen von Katzenelnbogen trat (Dok. 47). Die Tätigkeit von Hebammen ist in Hessen seit dem 16. Jahrhundert nachzuweisen (Dok. 48), während Apotheker bereits seit dem 14. Jahrhundert in den Quellen erscheinen (Dok. 49).
Glossar
Frauenstifte: ...
Seelgerät: ...
Sozialdisziplinierung: ...
Literatur
Christina Vanja, ....
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