1. Die Gründung eines neuen Staates
Während des Krieges gegen die Preußen im Jahre 1806 hatte Napoleon seinen Einflussbereich auf deutschem Boden immer weiter ausdehnen können. Das veraltete preußische Heer hatte, trotz der Unterstützung Russlands, mehrere schwere Niederlagen einstecken müssen und war ohne größere Anstrengung in der Schlacht bei Jena und Auerstedt besiegt worden.[1] Die eroberten Gebiete wurden nun unter französische Verwaltung gestellt, wie das im November 1806 besetzte Hessen [Dokumente 1, 2], wo nun vorübergehend der französische Divisions - General Lagrange als Gouverneur eingesetzt wurde.
Die Geburtsstunde des Königreichs Westphalen schlägt mit der Vereinbarung des Friedens von Tilsit [Dokument 3] am 7. Juli 1807 nach dem Sieg der Franzosen im Krieg gegen Preußen. Dieser Erfolg machte Napoleon zum mächtigsten Mann in Europa und bedeutete zugleich das Ende des alten „Heiligen Römischen Reich Teutscher Nation“. Napoleons ursprünglicher Plan, die eroberten Gebiete zu ordnen, bestand eigentlich darin, aus Sachsen, Schlesien und Polnisch-Preußen einen neuen Staat zu bilden. Doch dieses Vorhaben konnte aufgrund seiner Missbilligung durch den russischen Zar Alexander I. nicht umgesetzt werden. Napoleon legte großen Wert auf eine Allianz mit dem Russen und wollte sich dessen Sympathien nicht verscherzen. Am 18.August 1807 wurde auf deutschem Boden daher ein anderes Projekt ins Leben gerufen. Napoleon entwarf das Königreich Westphalen, einen Flächenstaat, der den alten „Flickenteppich“ der Fürstentümer, Grafschaften und Freien Städte ersetzte. Unter dem Namen „Westphalen“ vereinigte Napoleon ein rund 40.000 km2 großes Gebiet, bestehend aus im Krieg gewonnenen, ehemals preußischen, hannoverschen, kurhessischen und sächsischen Territorien. Zur Residenz wurde Kassel auserkoren und Napoleons jüngster Bruder Jérôme Bonaparte [Dokument 7] zum König über die fast 2 Millionen neuen Untertanen Westphalens bestimmt. [2]
Jérôme betrat am 6. Dezember im Jahre 1807 in Marburg zum ersten mal persönlich Westphälischen Boden. Am Tag darauf, dem 7. Dezember 1807 wurde durch königliche Dekret die Verfassung des Königreichs Westphalen bekannt gegeben und aus den kaiserlichen Staatsräten Siméon, Beugnot und Jollivet, sowie dem General Lagrange eine vorläufige Regierung Westphalens [Dokument 5] gegründet. [3] Auch in der Folgezeit sollten Jérôme diese Männer als fähige Minister im Staatsdienst erhalten bleiben.
[1] | Vgl. J. Weidmann: Neubau eines Staates, Staats- und Verwaltungsrechtliche Untersuchung des Königreichs Westphalens, Leipzig 1936, S. 11. |
[2] | Vgl. U. Muras: Reaktionen auf die napoleonische Herrschaft im Werra-Department des Königreichs Westfalen 1807-1813, (Margisterarbeit) Marburg 1992, S. 15. |
[3] | Vgl. A. Kleinschmidt: Geschichte des Königreichs Westphalen, Gotha 1893, S. 4f.; sowie: U. Muras: Reaktionen auf die napoleonische Herrschaft im Werra-Departement des Königreichs Westfalen 1807-1813, (Magisterarbeit) Marburg 1992, S.15. |
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