Die Reichspolizeiordnung von 1530, 1548 und 1577 [2] Weber, Reichspolizeiordnungen, S. 13. [3] Härter, Entwicklung und Funktion, S. 88. [4] Ebd. S. 63. [5] Vgl. ebd. S. 42. [6] Siehe Einleitung zum Dokument: Artikel und Ordnung [7] Härter, Entwicklung und Funktion, S. 81f. und 126. Karl Härter, Entwicklung und Funktion der Policeygesetzgebung des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation im 16. Jahrhundert, in: Ius Commune. Zeitschrift für Europäische Rechtsgeschichte, XX, 1993, S. 61-141. Härter, Karl, Recht und Migration in der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft. Reglementierung – Diskriminierung – Verrechtlichung, in: Rosmarie Beier- de Haan (Hg.), Zuwanderungsland Deutschland. Migrationen 1500-2005, Berlin 2005, S. 50-71. Weber, Matthias, Die Reichspolizeiordnung von 1530, 1548 und 1577. Historische Einführung und Edition, Frankfurt (M) 2002.
In der Politik der frühneuzeitlichen Staaten herrschten einige Vorstellungen von der besten Ordnung der Gesellschaft vor. Diese Vorstellungen trugen zur Herausbildung des Territorialstaates und zur Verfestigung der ständisch strukturierten Gesellschaft bei. Eine der zentralen Vorstellung war die von der guten Polizei.
Mit der guten Polizei sind die Ordnungs- und Polizeigesetzgebungen gemeint, in die die Normen und Regelungen gefasst wurden, welche die Bevölkerung in den Territorien zu einer „sesshaften, ständisch gegliederten, konfessionell homogenen, sozial- disziplinierten Untertanengesellschaft“ formieren sollten. [1] Eine herausragende Rolle spielten hier die Reichspolizeiordnungen (RPO). Sie waren nämlich ein „umfassende[s], reichsweit geltende[s] Polizeigesetz […], das [...] thematisch und inhaltlich den Rahmen für die Polizeigesetzgebung der einzelnen Reichsterritorien und auch der lokalen Ordnungstätigkeit aufzeigte“. [2] Dass die Reichspolizeiordnungen noch innerhalb der konfessionellen Streitigkeiten im 16. Jahrhundert verfasst und verabschiedet wurden, weist auf einen gewissen Konsens hin in Fragen der besten Ordnung für Stadt beziehungsweise Staat und Gesellschaft. Ohne diesen Konsens wäre auch keine Umsetzung und Durchführung der reichspolizeilichen Normen seitens der Obrigkeit zu erwarten gewesen. [3]
Die Reichspolizeiordnung von 1530 war die erste überhaupt, die für das gesamte Reich Geltung beanspruchte. Die folgenden Reichspolizeiordnungen in den Jahren 1548 und 1577 ergänzten sie lediglich. Im Grunde genommen, kann man sagen, dass die RPOen als eine Art „Grundgesetz“ bis zum Ende des Reichs im Jahr 1806 in Kraft blieben. Sie waren „Rechtsgebote und herrschaftliche Pflichten- und Fürsorgeordnungen, die nahezu alle Gesellschafts- und Lebensbereiche eines Gemeinwesens im Hinblick auf die Bewahrung und Herstellung eines Zustandes guter Ordnung einer sozialen Steuerung unterwarfen, aber auch Stabilität, Sicherheit und Wohlfahrt gewährleisten sollten“. [4] In der Vorstellung der Obrigkeiten war die Schaffung der guten Polizei deswegen in der Regel durch die Beseitigung von Störfaktoren und Missständen zu erreichen. [5]
Sowohl die Reglementierung der Geldgeschäfte der Juden als auch ihre Abgrenzung von der christlichen Gesellschaft wurden im Rahmen der RPO als Aufgabe der Obrigkeiten angesehen und behandelt. Deswegen verabschiedeten die auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 versammelten Stände und Fürsten zwei Artikel, die sich mit den Juden befassten. Der erste Artikel (Art. 22) beschäftigte sich mit Kleidungsordnungen, welche eine wichtige Rolle bei der Ausgrenzung zwischen den verschiedenen Ständen spielten. Jeden Stand hatte eine standesgemäße Kleidung zu tragen, die ihn von den anderen unterscheidet. Da man wollte, dass die Juden vom Rest der Gesellschaft unterscheidbar wären, sah man sich dazu genötigt, einen weiteren Paragraph hinzuzufügen, mit dem die Kennzeichnung der Juden festgeschrieben wurde. In der RPO von 1548 jedoch behandelte man die Kleidung der Juden nicht mehr gesondert von der der anderen.
Der zweite Artikel (Art. 27) beschäftigte sich mit den jüdischen Geldgeschäften. Man muss hier anmerken, dass schon Artikel 26 dieser RPO, der insgesamt acht Paragraphe beinhaltete, ausführlich von wucherlichen Geschäften handelte. Auch hier sah man sich jedoch gezwungen, sich mit dem jüdischen „Wucher“ gesondert auseinanderzusetzen. Denn die Juden unterlagen nicht dem kanonischen Wucherverbot. Deswegen war ihnen seit einigen Jahrhunderten die Zinsnahme und soger die Hehlerei [6] gestattet.
Man beschloss Juden, welche wucherten, nicht mehr zu dulden, und diejenigen, die geduldet wurden, sollen durch ihre Obrigkeiten vom Wucher abgehalten werden. Zudem einigte man sich darauf, das Hehlereirecht abzuschaffen. Aus diesen Bestimmungen ist zu entnehmen, dass die Stimmung gegenüber der Juden ungünstig war. Diese Stimmung animierte wiederum Josel von Rosheim, sich der Sache anzunehmen und zusammen mit anderen Vertretern der Juden im Reich ein Dokument zu verabschieden, das die jüdischen Geldgeschäften regeln soll.
Bereits 1532 wurde allerdings das Verbot des Judenwuchers eingeschränkt. Darüber hinaus war ein generelles Verbot der Kreditgeschäfte gleich mit einer Vernichtung der Existenzgrundlage der Juden. Aus diesem Grund stellte Kaiser Karl V. die Reichsstände vor die Wahl, entweder wolle man die Juden aus dem Reich vertreiben, oder sollte man den Reichsständen, die Judenregale besassen, das Recht einräumen, Judenordnung zu erlassen und den Aufenthalt von Juden in den eigenen Territorien zu gestatten auch dann, wenn sie wucherten, solange aber keine Untertanen „jämmerlich beschwert und verderbt“ werden. Man entschied sich für die zweite Lösung und verabschiedete Bestimmungen, die das jüdische Geldgeschäft beschränkte. Danach war es den Juden gestattet, ein Zinssatz von maximal fünf Prozent zu verlangen. Zudem mussten Schuldverschreibungen nur auf Deutsch abgefasst werden und durften an keinen Christen weiterverkauft werden. Lediglich das Hehlereiverbot wurde uneingeschränkt beibehalten. Diese Regelung wurde in der RPO von 1548 festgeschrieben [7] und in den RPO von 1577 ausführlich beschrieben.
Die Wichtigkeit der RPOen für die Judengesetzgebung der Neuzeit lag vor allem darin, einen wichtigen Anstoß für die Judenordnungen der verschiedenen Territorien gegeben zu haben. Dadurch wurde eine rechtliche Besserstellung der Juden erreicht, weil sie nicht mehr einer rechtlichen Willkür ausgesetzt wurden. Dass diese rechtliche Besserstellung nicht immer eine Verbesserung der Lebenssituation der Juden mit sich brachte, zeigen Beispiele wie die Judenordnung Landgraf Philipps von Hessen, die das Leben der Juden dort so erschwerte, dass Josel von Rosheim ihnen eine Trostschrift verfassen musste.
[1] Härter, Recht und Migration, S. 52.
Literatur:
Aufgabe:
Vergleichen Sie die Bestimmungen der drei Polizeiordnungen (1530, 1548, 1577). Zeichnet sich darin eine Entwicklung zugunsten der Juden, zu deren ungunsten oder gar keine?
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