Späterer Druck: Kleinschmidt 1, S. 120 f. Nr. 32; danach: Günther, S. 75-79. Nach handschriftlicher Vorlage im StA Darmstadt (verl): Müller, Judenfrage, S. 29-32.
Ordenung unser, Philipsen, von Gottes Gnaden Landtgrave zu Hessen, wie und was gestalt die Juden nun hinfürter in unsern Fürstenthumb, Graveschaften und Gepieten gelitten und geduldet werden sollen.
[1] Erstlichen sollen die Juden unsern Amptleuten, auch den Pfarrherrn yedes Orts, da sie gesessen sein, mit dem Eyde versprechen, bei den iren keyn Lesterunge wider Christum unsern Herrn und seine heylige Religion zu treiben, noch zu gestatten, sonder sich des alleyn zu halten, das inen Moses und die Propheten vorgegeben haben; und das sie auch die iren mit keyner Satzunge irer talmutischen Lerer, welche dem Gesetz und den Propheten nit gemeß seien, beschweren wöllen, damit durch die talmutischen, gottlosen Gedichte die armen, guthertzigen Juden von unser waren Religion nit zum fürnemsten abgehalten werden.
[2] Zum andern sollen sie, die Juden, geloben und versprechen, nirgent newe Synagogen aufzurichten, sonder sich alleyn der alten und vorgebaweten mit aller Stille zu gebrauchen.
[5] Zum fünften sollen [sie] zimlicherweise kaufen und verkaufen, doch in den Stetten und Orten, da keyn Zünfte sein oder da sie die Zünfte leiden. Doch sollen sie ir Wahr nit vertewren, sondern umb eynen zimlichen billichen Pfennig geben, wie es inen unsere Beampten oder Burgermeyster und Rath setzen würden; und sollen keyn Wahr verkaufen, sie seie inen dann zuvor durch unsere Beampten, Burgermeyster oder Rath gesetzt worden.
[6] Zum sechsten sollen [sie] alle ire Händel uffrichtig treiben, mit keynem ungebürlichen Handel oder Vinantzen umbgehn. Wo eyner solches uberfüre und unrechte Händel triebe, den sollen unsere Beampten darumb nach Gelegenheyt und ernstlich strafen, nemlich mit Verfallung aller seiner Güter. Und der, so solchen Falsch sehe von den Juden, am ersten und mit Grunde anzeygt, soll haben den zehenden Pfennig von solchen verfallenen und verwirckten Gütern.
[7] Zum siebenden sollen [sie] keynen judischen Gesuche oder Wucher treiben und unsere arme Leuthe nicht ubernemen. Würden sie aber eynem eynen Gülden, zwen oder drei oder mehr leihen, sollichs solle geschehen in Beisein unserer Amptleut oder Amptknecht oder mit Wissen eynes Raths, und [es soll] davon nach billicher Widernüge derselbigen, als nemlich von eynem hundert Gulden eyn Jar lang fünf Gulden, oder was man sunst den Christen zu geben pflegt, gegeben werden. Würde aber eyn Jude darüber Wucher und Gesuch treiben, so solle er die Hauptsumma seines ausgelihenen Gelts und die Helft aller seiner Güter verfallen haben und darzu vier Wochen mit dem Thurn gestraft werden.
Es soll auch keyn Jude keynem Man alleyn, on Vorwissen seiner Haußfrawen, auch keynem Weibe alleyn, on Vorwissen ires Mannes, und on Beisein unserer Amptleute, Amptknechte oder Burgermeyster und Raths, etwas leihen. Geschehe aber sollichs, so solle derjhenig, so das Gelt entlehenet hat vom Juden, nicht schuldig sein, dem Juden was widerzugeben. Sonder der Jude soll dieselbig Hauptsumma sampt dem halben Teyl aller seiner Güter verloren haben, und darzu noch sovil, als die Hauptsumma desselben gelihenen Gelts gewesen, halb uns und halb den Beampten und Burgermeyster und Rath zu Straf geben, und darzu viertzehen Tage in Thurn gelegt werden.
[8] Zum achten sollen sie eynen Eydt zu Got schweren, keynem Burger, Statthalter, Rathsamptman, Burgermeyster oder Diener oder derselbigen Weibern etwas zu schencken, auch nit eynen eynigen Pfennig oder Pfennigswerth, bei Straf ires Leibs und Lebens, damit unsere Beampten nit also durch Gaabe gestochen und den Juden dester eh ire Vinantzen, unbillichen Wucher und ungepürliche Händel gestatten und zusehen. Würde auch darüber eyner unser Beampter Geschenck von Juden nemen und ire Vinantzen oder ungepürliche Händel zusehen, der sol von uns darumb unnachlessig gestraft werden.
[9] Zum neunten. Welcher Jude eyn Christenweib oder Jungfraw schendet oder beschleft, den sollen unsere Beampten am Leben darumb strafen.
[10] Zum zehenden. Welcher Jude gestolen Gut kauft oder daruff leihet, den sollen unsere Beampten am Leben strafen. Und damit sich der Jude im selbigen versehen könne, so soll er keynem uff etwas leihen oder dasselbig abkaufen, der Jude hab sich dann zuvor erkündigt, woher sollich Gut komme, und ob auch derjenig, so sollich Gut verkaufen oder daruff entlehnen will, sollichs zu thun Macht habe oder nit.
[11] Zum eilften. Es sollen auch unsere Amptknecht, Burgermeyster und Rath gantz und gar keynen außlendischen Juden gestatten oder zulassen, etwas in unsern Landen und Gepieten zu kaufen oder zu verkaufen, weder wenig oder vil.
[12] Zum zwölften sollen unsere Beampten, Burgermeyster und Rath mit Fleiß dar-uff sehen, das sich die Juden diser Artickul also gehalten.
[13] Zum dreitzehenden wöllen wir den Juden zulassen, das sie sonderliche Personen under inen haben, die beneben unsern Amptknechten mit zusehen, das die Juden sich rechtschaffen und diser Articul gehalten. Welcher sich aber deren nit halten würde, das sie denselbigen unter sich selbst auch nach irer Satzungen strafen mögen.
[14] Zum viertzehenden wöllen wir haben, das sie uns den Schutzpfennig geben, weß sie mit uns uberkommen werden, und sonderlich eyn yeder, nach dem er vermag.
Verbum domini manet in aeternum.
Anm.: Ein Druckexemplar hat sich offenbar nicht erhalten. Eine Abschrift befand sich im StA Darmstadt, Abt. 11/2 Nr. 4, mit dem Vermerk: Gedruckt zu Marburg bei Christian Egenolff (Angaben nach Müller, Judenfrage, S. 32).
Aufgabe:
Dieser Ausstellungsraum verfolgt die Geschichte des Zustandekommens der hessischen Judenordnung. Alle Quellen bisher zeigen, wie umstritten in diesen Jahren die Haltung der Protestanten zu den Juden war. Die hier skizzierten Auseinandersetzungen zeigen die Versuche unterschiedlicher Akteure, ihre Vorstellungen in der Judenordnung durchzusetzen. Welche/r der Akteure konnte, Ihrer Meinung nach, Einfluss auf die letztendlich verabschiedete Ordnung nehmen und zu welchem Grad?
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