23. Juden in der Weimarer Republik
Die Weimarer Republik brachte eine Reihe von Verbesserungen für die Juden. Schon im Vorfeld und im Verlauf der Novemberrevolution formulierten jüdische Verbandsvertreter ihre Hoffnungen und Erwartungen in einem demokratisierten Deutschland.
Die Weimarer Verfassung stellte die jüdische Religion den christlichen Konfessionen gleich. Die Gemeinden wurden Körperschaften öffentlichen Rechts.
Karrieren und Schulen standen nun im Prinzip offen, die mittelständische Sozialstruktur blieb gleich. Berlin wurde zum Zentrum des deutschen Judentums, wo ein Drittel der Juden wohnte. Aber es sind auch die Krisenzeichen deutlich: erkennbar: Insgesamt sank Zahl der Juden in Deutschland trotz Zuwanderung von Ostjuden nach Deutschland aber von gut 615.000 (1910) über ca. 560.000 (1925) auf ca. 500.000 (1933) Das lag zum einen an den Gebietsabtretungen auf Grund der Bestimmungen des Versailler Vertrages sowie am Geburtenrückgang, verursacht durch zunehmende Überalterung und Verstädterung jüdischer Familien. In den gemischtkonfessionellen Ehen wurden die Kinder oft nicht als Juden erzogen.
Die politische Orientierung richtete sich in großen Teil auf die linksliberale DDP und zum Teil auch auf die SPD, die beide auch jüdische Abgeordnete für den Reichstag bzw. die Landtage aufstellten.
Auf der anderen Seite blieb in großen Teilen der Gesellschaft der Antisemitismus, der sich im Kaiserreich etabliert hatte, gesellschaftsfähig. Juden wurden dabei als Verantwortliche für den Untergang des Kaiserreichs oder als Drahtzieher des Bolschewismus ausgemacht. Als Belege für die Behauptung wurde einzelne Personen herangezogen, die als Juden bekannt waren. Neben Walther Rathenau wurde auch Hugo Preuß (DDP) genannt, der zum Beispiel die Weimarer Reichsverfassung 1919 mit entworfen hatte. Juden galten als Träger oder Intiatoren der Revolution von 1918/1919, die den deutschen Sieg hintertrieben hätten („Dolchstoßlegende“). Die Durchführung der Russischen Revolution im Jahre 1917 wurden ihnen ebenso zugeschrieben. Antisemiten identifizierten die linken Parteien („Novemberverbrecher“) mit einer „jüdischen Verschwörung“ gegen die Mittelmächte. Oft wurde die erste deutsche Demokratie pauschal als „Judenrepublik“ abgetan, obwohl von ihren etwa 200 Reichsministern ganze fünf jüdisch waren.
Aktionen bis hin zu Attentate gegen einzelne Juden (z. B. Kurt Eisner), Ministerproäsident in Bayern) wie Ausschreitungen gegen ganze Gemeinden durchziehen die ganze Zeit der Weimarer Republik. Die Ermordung von Reichsaußenminister Walther Rathenau im Juni 1922 erhielt Unterstützung mehrerer Terrororganisationen aus dem rechtsextremistischen Untergrund.
Antisemitismus war auch in der Mitte der 1920er Jahre aus jüdischer Sicht nicht etwa eine Rand-, sondern eine Massenerscheinung, der von nichtjüdischer Seite verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Udo Engbring-Romang
Zu den "Nationalsozialistischen Monatsheften" 1930 ff. siehe Einleitung Kap. VI. 1. URL der NSM-Artikelserie bei DigAM: http://www.digam.net/?dok=9061)
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