4. IV. Ghettoisierung, Deportationen und der Weg in den Holocaust 1939-1942/45
Die Novemberpogrome und die sog. „Judenaktion vom 10.11. 1938“ markieren einen entscheidenden Wendepunkt im eliminatorischen Antisemitismus des NS-Regimes: Konsequent wurde nun der Weg zu Vertreibung und Vernichtung beschritten. Hierzu erteilte Göring dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Reinhard Heydrich, am 24. Januar 1939 den Auftrag zur Errichtung einer „Reichszentrale für die jüdische Auswanderung“. Diese hatte zum Ziel, die „Auswanderung der Juden aus Deutschland mit allen Mitteln zu fördern."
Mit Kriegsbeginn wurde die „Zwangsauswanderung“ jedoch obsolet. Es begann jetzt die Ghettoisierung der verbliebenen Juden in „Judenhäusern“ und eine immer stärker werdende Einschränkung ihrer Freizügigkeit. Schließlich wurde sogar die „Säkularisation“ der „jüdischen Totenhöfe“ verordnet, wobei die aufgrund der „starken Abwanderung“ überflüssig gewordenen Friedhöfe sobald als möglich einer „wirtschaftlichen Nutzung“ zugeführt werden sollten.
Der Weg in die Todeslager für die im Regierungsbezirk Kassel verbliebene jüdische Bevölkerung vollzog sich in drei zentral durchgeführten Deportationen. Die behördliche Vorbereitung und „reibungslose“ Durchführung auf der Ebene der Landkreise und Städte mit minutiösen Abfahrtszeiten der Zubringerzüge usw. kann weitgehend vollständig rekonstruiert werden:
- Die Deportation von Kassel nach Riga am 9. Dezember 1941 mit insgesamt 1024 Personen. Das Durchschnittsalter lag bei 39 Jahren, 100 Personen aus diesem Transport überlebten.
- Die Deportation von Kassel „nach dem Osten“ (Izbica/Sobibor) am 1. Juni 1942 mit 508 Personen. Eine Fotoserie dokumentiert die Abfahrt des Teiltransportes von Hanau nach Kassel am 30. Mai 1942.
- Die Deportation von Kassel nach Theresienstadt am 7. September 1942 mit insgesamt 755 Personen. Aus diesem letzten Transport wurden 207 Personen im September und Oktober 1942 weiter nach Treblinka verschleppt. Im Frühjahr 1943 überstellte man 87 und im Laufe des Jahres 1944 weitere 157 Insassen dieses Transportes nach Auschwitz. Nur 70 erlebten die Befreiung von Theresienstadt.
Weiterführendes Material: Im Rahmen dieser Ausstellung konnte nur eine Deportationsliste exemplarisch wiedergegeben werden. Vollständig aufgenommen sind die Deportationslisten, in denen nach Gemeinden in alphabetischer Reihenfolge geordnet die aus dem Landkreis Marburg deportierten Juden erfasst sind, in der Ausstellung "Quellen zur Geschichte der Juden 1933-1945" (Dokumente 33, 33.1, 33.2, 33.3, 33.4, 33.6, 33.7, 33.8, 33.9, 33.10, 33.11, 33.12, 33.13, 33.14, 33.15). Zum Ablauf der zweiten Deportation aus Marburg am 31. Mai 1942 gibt auch ein Schreiben von SS-Sturmbannführer Lüdcke von der Staatspolizeistelle in Kassel vom 22. Mai 1942 Auskunft, dem darüber hinaus eine Namensliste der deportierten Juden beigelegt ist (Dokumente 38, 38.1). Des Weiteren finden sich Angaben über die Vorbereitungen der dritten Deportation aus dem Landkreis Marburg am 6. September 1942 in dem Ausstellungsraum mit Dokumenten aus der Landratsamtsakte 180 Marburg 4830 mit dem Titel "Verhandlungen über die dritte Judenevakuierung aus Marburg 1942-1944" (Einführung in den Ausstellungsraum mit Dokumenten aus der Akte 180 Marburg 4830).
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.