Das Königreich Westphalen (1807-1813)
Das ausgehende 18. und das beginnende 19. Jahrhundert umfassten eine Zeit tiefgreifender Veränderungen. Ausgehend vom Vorreiter Frankreich zeichnete sich mit den Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution von 1789 in ganz Europa das Ende der alten Feudalherrschaft und zugleich der Beginn einer neuen bürgerlichen Gesellschaft ab. Das Motto der französischen Revolution: « liberté, égalité, fraternité » (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) breitete sich in den Köpfen der Menschen aus und war fortan nicht mehr aus der Geschichte wegzudenken. Als ein wichtiger Wegbereiter dieser neuen Zeit sollte sich der General, Konsul der ersten Republik und spätere Kaiser Napoléon Bonaparte (1769-1821) erweisen. Durch seine Eroberungen und Feldzüge, mit denen er weite Teile Europas unterwarf, trug er maßgeblich zur Verbreitung liberaler Gedanken und Ansichten bei.
Das 1807, mit dem Frieden von Tilsit, geschaffene Königreich Westphalen (1807-1813) sollte dabei eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Geographisch setzte sich der neue Staat aus im Krieg gewonnen Gebieten des Kurfürstentums Hessen, des Herzogtums Braunschweig, des Fürstentums Osnabrück, sowie hannoverschen, preußischen und sächsischen Gebietsteilen zusammen und wurde dem Rheinbund angeschlossen, welcher 1806 während des vierten Koalitionskrieges unter Vorherrschaft Frankreichs gegründet wurde. [1]
Für Napoleon stellte das Königreich ein Modellprojekt für Europa da, durch welches er der Bevölkerung die Vorzüge und Wohltaten der Französischen Herrschaft zeigen und sie so für diese gewinnen wollte. So erhielt Westphalen als erster Staat auf deutschem Boden eine schriftliche Verfassung und den Code Napoleon als Bürgerliches Gesetzbuch. Die Bevölkerung wurde vor dem Gesetz gleichgestellt, die Privilegien des Adels und die Leibeigenschaft wurden abgeschafft, einheitliche Münz-, Maß- und Gewichtssysteme sowie die Gewerbefreiheit eingeführt. Auf den westpählischen Königsthron wurde Jérôme Bonaparte, der jüngste Bruder des Korsen berufen. Ihm soll Napoléon einst anvertraut haben, er setze mehr auf die Wohltaten seiner Monarchie als auf die Kraft seiner Armeen, um die Bevölkerung Deutschlands für sich zu gewinnen. Wobei er wohl insbesondere an die Bevölkerung des Rheinbundes gedacht haben wird. [2]
Unter den Gesichtspunkten des Krieges war Westphalen für Napoleon allerdings nicht nur ein Modellprojekt, sondern zugleich auch eine strategisch wichtige militärische Eroberung. Das Königreich diente als Pufferstaat zwischen Frankreich, Preußen und Russland. Von drei Seiten wurden seine Grenzen durch verbündete Staaten des Rheinbundes geschützt. Gegen Preußen bildete die Elbe eine natürliche, von wichtigen Festungen wie Magdeburg, gesicherte, Grenze. Westphalen war ein Aushebungsplatz für neue Soldaten und über Steuereinnahmen eine wichtige Geldquelle für die Franzosen. [3]
Die hohen Kriegssteuern und die Inkonsequenz in der Umsetzung der Reformen kosteten die Franzosen viele Sympathien in der Bevölkerung. Die französische Fremdherrschaft blieb der patriotischen Bevölkerung ein Dorn im Auge. Nur wenige sahen sich selbst als Westphalen, vielmehr blieben die alten Nationalitäten in den Köpfen der Menschen erhalten.
1813 schließlich wendete sich der Verlauf der Ereignisse. Napoleon unterlag in der Völkerschlacht bei Leipzig (16.10.1813 - 19.10.1813) den vereinten Truppen von Preußen, Russland und Österreich. Noch im selben Jahr rückten russische Kosaken in Westphalen ein und König Jérôme musste fliehen. Am 1. Oktober wurde die Westphälische Hauptstadt Kassel unter dem Kosakenführer Czernitscheff erobert und das Königreich für aufgelöst erklärt. Nach und nach kehrten die alten Landesherren in ihre angestammten Territorien zurück.
In Kassel wurde der Kurfürst Wilhelm I. von seinen Untertanen mit Jubel empfangen und man kehrte zu der alten absolutistischen Herrschaftsweise zurück. Dennoch, ganz war der einmal erflammte Funke der Aufklärung nicht erloschen. Vor allem die Bürgerschicht wünschte sich schon bald liberale Reformen. Noch der deutsche Kaiser Friederich III. soll sich nach Aussage Arthur Kleinschmidts erstaunt gezeigt haben, wie viel Nachwirkungen die westphälische Administration und Justiz in den ehemaligen westphälischen Gebieten ausübte. Und auch der preußische Staatskanzler Hardenberg hielt sein Auge auf die Reformen Westphalens gerichtet, von denen er viele zu Preußens Reorganisation verwendete und so dem 1871 geschaffenen deutschen Reich vererbte. [4]
Hinweise zur Ausstellung:
Diese Ausstellung wurde im Rahmen eines Projektseminars der Universität Bielefeld (vom 19.02.2007 bis zum 13.04.2007) von Mathis Nolte erstellt. Ihr Ziel ist es, anhand von exemplarisch ausgewählten Archivmaterial des Hessischen Staatsarchivs Marburg, einen kurzen Einblick in die Geschichte des Königreichs Westphalen zu gewähren. Zur besseren Orientierung ist die Ausstellung dabei in folgende 6 Räume unterteilt worden:Die einzelnen, den Räumen zugeordneten, Dokumente finden Sie dabei jeweils über die gelbe Kopfleiste. Die Reihenfolge der Dokumente folgt dabei einem chronologischen Aufbau.
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Literaturhinweise:
Die hier präsentierte Ausstellung stützt sich im Kern auf Archivmaterial des Hessischen Staatsarchivs Marburg und folgende Sekundärliteratur:
- A. Kleinschmidt: Geschichte des Königreichs Westphalen, Gotha 1893.
- G. J. Lamar: Jérôme Bonaparte, The War Years, 1800-1815, London 2000.
- J. Weidmann: Neubau eines Staates, Staats- und Verwaltungsrechtliche Untersuchung des Königreichs Westphalens, Leipzig 1936.
- U. Muras: Der Marburger Aufstand 1809. Ein vergessenes Kapitel Marburger Geschichte aus napoleonischer Zeit, Marburg 1998.
- U. Muras: Reaktionen auf die napoleonische Herrschaft im Werra-Departement des Königreichs Westfalen 1807-1813, (Magisterarbeit) Marburg 1992.
- T. Sirges, Ingeborg Müller: Zensur in Marburg 1538 – 1832. Eine lokalgeschichtliche Studie zum Bücher- und Pressewesen, Marburg 1984.
- R. Matheis: Staats- und Gesellschaftsideen des Jérôme Bonaparte, (Magisterarbeit) Kassel 1981.
Anmerkungen zum Einleitungstext:
[1] Vgl. J. Weidmann: Neubau eines Staates, Staats- und Verwaltungsrechtliche Untersuchung des Königreichs Westphalens, Leipzig 1936, S. 11. [2] Vgl. A. Kleinschmidt: Geschichte des Königreichs Westphalen, Gotha 1893, S.14. [3] Vgl. A. Kleinschmidt: Geschichte des Königreichs Westphalen, Gotha 1893, S. 8. [4] Vgl. A. Kleinschmidt: Geschichte des Königreichs Westphalen, Gotha 1893, Vorwort S. IV.
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