2. "Volksaufartung" und "Rassenhygiene" in den 1920er Jahren
Die ungeheure Anzahl von Toten und Verletzten des Ersten Weltkriegs führte zu einer radikalen Infragestellung tradierter Wertvorstellungen: So erschien auch die Vorstellung von der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens nicht mehr als sebstverständlich, die Forderung nach eugenisch begründeten Eingriffen erschien nicht mehr als Bruch eines Tabus. Vor diesem Hintergrund fanden ökonomistische Argumentationen von Rassehygienikern in der Zeit der Weimarer Republik breitere Aufnahme in Wissenschaft und staatlicher Verwaltung.
In der 1920 veröffentlichten Schrift über die " Vernichtung lebensunwerten Lebens" traten mit dem bedeutenden Strafrechtslehrer Karl Binding und dem Neurologen Alfred Hoche erstmals zwei renommierte und angesehene Wissenschaftler für die Legalisierung der "Euthanasie" ein (Dok. 1). Zwar stieß der Gedanke der "Euthanasie" unter Medizinern noch mehrheitlich auf Ablehnung, aber mit der Berufung von Fritz Lenz wurde 1923 an der Universität München der erste Lehrstuhl für Rassenhygiene eingerichtet (Dok. 2). Diskussionen über die Einführung eines Sterilisationsgesetzes wurden auch in der SPD immer wieder geführt (Dok. 3), und seit Mitte der 1920er Jahre begann der "Deutsche Bund für Volksaufartung und Erbkunde" damit, die Ideen der Rassehygieniker gezielt in die breitere Öffentlichkeit zu tragen (Dok. 4, 5). Insbesondere das Preußische Ministerium für Volkswohlfahrt bemühte sich mit der Einrichtung von Eheberatungsstellen um eine breitere Verankerung der rassehygienischen Vorstellungen (Dok. 6, 7), und in einschlägigen Publikationen wurde auch bereits die Aufstellung von Ahnentafeln propagiert (Dok. 8).
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