3. Schutz und Schirm: Das Landgrafenschloss als Festung
Die Auseinandersetzungen des 17. und 18. Jahrhunderts wurden nicht mit Worten, sondern mit Waffen ausgetragen. In dieser Zeit diente das zur Festung ausgebaute Schloss vornehmlich militärischen Zwecken.
In Friedenszeiten mussten die bis zum Dammelsberg reichenden Bastionen von den Untertanen unterhalten werden, was vor allem in der Saat- und Ernteperiode als unerträgliche Belastung empfunden wurde. Ungeachtet aller obrigkeitlichen Ermahnungen kam es fast in jedem Frühjahr und jedem Herbst zu Streitigkeiten wegen verzögerter oder nicht erbrachter Festungsbaudienste. 1646 wiesen die Marburger Kriegsräte alle Rentmeister und Schultheißen des Oberfürstentums an, die Untertanen mit Nachdruck und unter Strafandrohung zur Lieferung der rückständigen Holzpalisaden anzuhalten (Dok. 3.1). 1775 erschienen unerwarteterweise statt der zwölf angeforderten Arbeiter aus dem Amt Wetter deren Ehefrauen zum Festungsbaudienst, weil ihre Männer angeblich mit Fuhren, Ernte- und anderen Feldarbeiten überlastet waren. Als der Offizier die Frauen zurückzuschicken versuchte, fingen sie an zu protestieren und wiesen darauf hin, dass sie ebenso gut als Mannspersonen im Schiebkarren gehen, Erde schöpfen, solche treten und Steine tragen könnten. Wie dieser Streit ausging, ist nicht überliefert; um erneute Konfrontationen mit den "Weibsleuten" zu vermeiden, wurde Frauenarbeit fortan untersagt (Dok. 3.2).
Im Dezember 1647, in der Spätphase des Dreißigjährigen Krieges, hielt das Schloss einer zehntägigen Belagerung durch kaiserliche Truppen stand, während die Stadt gestürmt und geplündert, etliche Bürger als Geiseln genommen, die Stadtmauern zum Teil niedergelegt und vier Türme gesprengt wurden (Dok. 3.9). Am 9. September 1759, mitten im Siebenjährigen Krieg, eröffneten kurhannoversche und hessische Truppen von der Kirchspitze, vom Wannkopf und vom Dammelsberg aus das Feuer auf das von französischen Truppen besetzte Marburger Schloss. Nach dreitägiger Kanonade ergaben sich die Franzosen; auch diesmal waren die Kollateralschäden beträchtlich. Ein Zeitzeugenbericht vermerkt, dass von der Batterie des Dammelsbergs sehr viele Kugeln in die Stadt flogen, und einige Bomben auf den Dächern zersprangen, [...] dass man sich in denen Häusern nicht vor sicher hielte, und viele Leuthe von wegen dem erschrecklichen Sausen, Pfeifen und Zerspringen der Bomben in die Keller retirierten (Dok. 3.12). Als die Franzosen nach der Annexion des Kurfürstentums Hessen im Frühjahr 1807 die letzten Festungswerke sprengten, wurden erneut zahlreiche Häuser durch herumfliegende Gesteinsbrocken beschädigt (Dok. 3.13). Für die Marburger war die Festung über ihren Häuptern mithin nicht nur ein Schutzschild, sondern in Kriegs- und Krisenzeiten zugleich auch eine Gefahrenquelle, die feindliche Armeen anlockte.
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