Aufstellung über die persönlichen und gewerblichen Verhältnisse der in Roth lebenden jüdischen Familien, 1816/17
Mit der Verordnung vom 14. Mai 1816 hatte der kurhessische Staat die jüdische Bevölkerung in zwei Klassen eingeteilt, in Staatsbürger und Nothändler. Nur die Staatsbürger, worunter diejenigen fielen, die ihren Familien ein gutes Auskommen sichern konnten, erhielten nämlich die weitgehende staatsbürgerliche Gleichstellung. Diejenigen, die hierzu nicht in der Lage waren, weil sie sich von kleinen Handelsgeschäften ernährten, fielen in die Kategorie der Nothändler und wurden in ihren Rechten stark eingeschränkt (siehe Raum 13, Dok. 2: Kurhessische Verordnung vom 14. Mai 1816, "die Verhältnisse der jüdischen Glaubensgenossen als Staatsbürger betreffend", § 15 ). Zur Feststellung ihrer sozialen Situation mussten alle jüdischen Haushaltsvorstände vor dem jeweiligen Amtmann entsprechende Erklärungen abgeben. Diese wurden aufgezeichnet, ferner Tabellen über die familiäre Situation gefertigt und diese Unterlagen der Judenschaftlichen Kommission eingereicht. Die Tabellen sind eine wichtige demographische Quelle, die erste nach dem Ende des Königreichs Westphalen. Ferner sind sie aussagekräftig für die Erwerbstätigkeit der Juden. In Roth gab sich keiner der Haushaltsvorstände als Nothändler aus.
Die Akte enthält Aufzeichnungen über die Juden im Amt Fronhausen. Hier sind nur die Auszüge über Roth dokumentiert. Sie beginnt mit einem Protokoll über die Erklärung der Juden in Bezug auf die Verordnung vom 14. Mai 1816, geschehen am 28. Juni 1816.
Erklärung von Isaac Höchster:
„Isaac Höchster von Roth erklärte, sein verstorbener Vater habe Meyer Isaac geheisen und ein Toleranzschein gehabt. Er wäre willens, dessen Familienamen wieder anzunehmen für sich und seine Nachkommen und sich künftig Isaac Meyer zu nennen. Er habe bisher den Viehhandel im Grosen, so wie die Schlachterey betrieben und wolle in so fern ihm dieser Nahrungszweig noch ferner verstattet, von denen durch die Verordnung vom 14ten May d.J. zugesicherten bürgerlichen Gerechtsamen und Vortheilen als Staatsbürger Gebrauch machen.“
Folgt Unterschrift in Deutsch als: „Isac Meier“
In der Folge wurde doch der Familienname Höchster beibehalten, vermutlich weil dieser offiziell in der westphälischen Zeit angenommen worden war.
Erklärung von Marcus Waescher:
„Marcus Wäscher von Roth überreichte allergnädigstes Receptions Rescript vom 25ten Juli 1815 und erklärte: daß seine Frau Sara zum Kramhandel und Ellenwaaren, sowie Caffee und Zucker durch das vorgezeigte Concessions Rescript Kurfürstlicher Oberrenthkammer d[e] d[ato] Cassel den 25ten Juni 1814 auf 3 Jahren die gnädige Erlaubnis erhalten und hieervon, so wie vom Viehhandel sich auch künftig zu nähren und von dem Nothhandel keinen Gebrauch zu machen willens sey.“
Folgt Unterschrift in Deutsch
Erklärung von Seligmann Bergenstein:
„Seligmann Bergenstein von Roth erklärte: Er habe mehrere Jahre als Knecht im Einland gedient, wäre aber gebürtig von Laihgestern Amts Langgöns im Großherzoglich Hessischen und habe im Jahre 1807 Reitz Meyer die Tochter vom verstorbenen Meyer Isaac zu Roth geheuratet, wo er auch damals während der Westphälischen Verfassung recipirt worden. Er hätte sich bisher vom Schlachten des Viehs ernährt auch zuweilen einiges Vieh eingekauft. Wenn ihm Letzteres nicht mehr gestattet werden könne, so müste er von der Schlachterey sich allein zu ernähren suchen. Vom Nothhandel wolle er keinen Gebrauch machen.“
Folgt Unterschrift in Deutsch
Erklärung von Herz Stern:
„Herz Stern von Roth erklärte: die Scheele Stern zu Roth habe ihn, wie dem Amt bekannt sey, an Kindes Statt angenommen und er, so wie seine Frau seyen durch Cameral Rescript vom 27ten Juli 1815 in Roth Förmlich recipirt worden. Die Scheele Stern wäre zum Kramhandel und Ellenwaaren durch die vorgezeigten Cameral Rescripte vom 12ten May 1814 auf drey Jahre concessionirt und nährten sie sich hiervon, so wie von der Schlachterey. Er sey willens, von denen der Judenschaft zugesicherten Vortheilen gleich den vorhergehenden Comp...ten Gebrauch zu machen.“
Folgt Unterschrift in Deutsch
Schreiben des Amtmanns Strohmeyer von Fronhausen, mit dem er die Tabellen übersendet, vom 2. März 1817:
Juden wollen keinen Nothandel treiben.
„Der einzige Nahrungszweig für die Juden auf dem Land ist die Krämerey, Schlachten und Viehhandel. Letztern haben die bisher wegen der im Ausland gehaltenen Viehmärckte im hiesigen Amt theils im grosen und theils auch im kleinen betrieben. Das hiesige Amt grenzt an drey Landesherrschaften, wo von allen Seiten sich fremde Handelsleute und besonders Juden einschleichen. Würde man nun den im Amt wohnenden Juden allen Viehhandel untersagen, so wäre die Folge davon, daß die Einwohner nur mit ausländischen Handelsjuden treten und gegen diese bey den einländischen Gerichten keinen Schutz oder Rechts ... suchen könten.“
Es folgen Tabellen mit Angaben zur familiären Situation.
In Roth leben:
Meyer [Höchster], Isaac, 38 J.
Ehefrau: Gend, 26 J., aus Rabenau
Kinder: Meyer (2 J.) , Hirsch (0,5 J.), Ettel (8 J.), Geile (6 J.)
„Der verstorbene Vater ist mit einem Toleranzschein versehen gewesen und der Sohn während der Westphälischen Verfassung recipiert“. Beruf: „Viehhandel und Schlachtung“
Bergenstein, Seligmann, 49 J.
Ehefrau: Reitz, 34 J.
Kinder: Abraham (10), Meyer (8), Simme (5), Ettel (2), Brindel (14 Tage)
Bergenstein wurde in Leihgestern im Amt Langgöns geboren, Reitz und die Kinder in Roth. Seligmann lebte seit 11 Jahren in Roth. Über ihn heißt es: „hat vorhin als Knecht im Einland gedient und während der Westphälischen Zeit die Tochter vom Meyer Isaac zu Roth geheuratet.“ Beruf: „Schlachtung“.
Stern, Herz, 26 J.
Ehefrau Merjam, 20 J.
Kinder: Hennel, ¾ J.
Stern wurde in Breidenbach im Amt Gladenbach geboren, seine Frau in Lohra, das Kind in Roth. Stern lebt seit 22 Jahren in Roth. Von ihm heißt es: „Ist von der Witwe Scheile Stern zu Roth an Kindes Statt angenommen und durch Cameral Rescript vom 27. Juli 1815 recipirt worden.“ Beruf: „Kramhandel im Kleinen und schlachten“.
Waescher, Marcus, 29 J.
Ehefrau Sara, 36 J.
Kinder: Rahen (sic!), 1 J.
Waescher wurde in Ziegenhain geboren, seine Frau in Roth; er wird als Einländer bezeichnet, da er aus dem Kurfürstentum Hessen stammte. Von ihm heißt es: „Hat die Tochter des Meyer Isaac zu Roth geheuratet und ist nach Cameral Rescript vom 25. Juli 1815 allergnedigst recipirt worden.“ Beruf: „Krämerey und Viehhandel – arm.“
Annegret Wenz-Haubfleisch
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