5. Ausschluss der Sinti und Roma aus der nationalsozialistischen Gesellschaft 1933 bis 1943
Arbeitsleben
Eine Arbeitspflicht bestand im Dritten Reich für alle Menschen, nicht allerdings eine freie Berufswahl oder Berufsausübung. Die von nicht wenigen Sinti und Roma lange Zeit genutzte Möglichkeit des ambulanten Handels und Handwerkes wurde zwar von den Nationalsozialisten nicht vollständig verboten, aber auf immer weniger Personen beschränkt, unter anderem aus dem Grunde, dass die nationalsozialistischen Machthaber den ambulant Berufstätigen subversive Tätigkeiten unterstellten. Juden wie Sinti und Roma wurden bestimmte Tätigkeitsmöglichkeiten nach und nach untersagt, so dass die Betroffenen, die sich nicht den Arbeitsämtern zur Verfügung stellten, Gefahr liefen als „Arbeitsscheue“, „Asoziale“ oder „Arbeitsverweigerer“ verfolgt zu werden.
Ab 1939 erhielten Sinti und Roma ein eigenes „Zigeuner“-Arbeitsbuch, ab 1941 mussten Sinti und Roma Arbeitsverpflichtungen unterschreiben. 1942 wurde auf gesetzgeberischem Wege die arbeits- und sozialrechtliche Stellung von Sinti und Roma wesentlich verschlechtert. Sie sollten keine Zulagen bei Schwerstarbeit erhalten, eine „Sozialausgleichabgabe“ zahlen und zudem wurde noch eine Sondersteuer in Höhe von 15 Prozent erhoben.
Schule
Sinti- und Romakinder wurden seit den späten1930er Jahre immer wieder im Schulunterricht oder in Schule ausgegrenzt. Aber erst 1941 konnten Sinti- und Romakinder reichsweit vom Schulbesuch ausgeschlossen werden, wenn sie - wie es in der entsprechenden Verfügung hieß - durch ihr Erscheinen im Unterricht andere Kinder störten. (DOK) Bezug genommen wurden dabei auf einen Erlass, der seit 1938 im österreichischen Teil des Großdeutschen Reiches gegen Sinti und Roma angewandt werden konnte. Was konkret „Störung” hieß, blieb nach Erlasslage unklar und wurde auch nicht weiter präzisiert. Es wurde ein weiterer Ausschlussgrund genannt: wenn die Sinti- und Romakinder eine Gefahr für die anderen Schüler bildeten, konnte auch in diesem Fall ein Ausschluss erfolgen. Eine Präzisierung der „Gefahr” war allerdings nicht im Erlass zu finden, es sei denn man interpretiert den Hinweis auf sittliche Beziehung als eine solche mit Bezug auf das Blutschutzgesetz von 1935.
Mit anderen Worten: die Sinti- und Romakinder mit deutscher Staatsangehörigkeit, die aber offiziell einer sogenannten „Fremdrasse” angehörten, waren gemäß der zitierten Verfügung zwar nicht zwangsläufig vom Schulunterricht ausgeschlossen, aber es wurde den Schulleitern die Möglichkeit eröffnet, dies zu tun. Es lag also im Ermessen der jeweiligen Schulen, der Lehrer und der Eltern der Nichtsintikinder, ob die sogenannte „Zigeuner”-Kinder vom Schulbesuch ausgeschlossen wurden. In den Gemeinden des Regierungsbezirks Kassel wurden die Bestimmungen unterschiedlich ausgelegt.
Militärdienst
Seit November 1937 sollten gemäß eines vertraulichen Erlasses des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern „vollblütige Zigeuner” und Personen mit „besonders auffälligem Einschlag von Zigeunerblut” vom aktiven Wehrdienst ausgeschlossen werden. Sinti und Roma hatten schon im Kaiserreich und während des Ersten Weltkrieges in der Armee gedient. Deshalb wurden zu Kriegsbeginn im September 1939 die wehrpflichtigen deutschen Sinti und Roma zum Kriegsdienst einberufen, oder sie meldeten sich freiwillig, um für "ihr" Land zu kämpfen.
Grundlegend änderte sich die Lage für die Sinti und Roma ab dem 14. August 1940. Im Reichssicherheitshauptamt wurde ein Runderlass formuliert, in dem es hieß, dass der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, beabsichtige, die weiblichen Zigeuner und Zigeunermischlinge grundsätzlich vom Arbeitsdienst auszuschließen. Der Ausschluss der sogenannten „fremdrassischen” Personen aus der Wehrmacht hatte schon im April 1940 früher begonnen. Im Oktober 1940 erging ein entsprechender Erlass, dass aus bestimmten Dienststellen Sinti und Roma entfernt werden sollten. Konkreter Anlass war die Auszeichnung eines Sinto mit dem EK I, dem Eisernen Kreuz, I. Klasse, gewesen. Auf den Fall war der Reichsamtsleiter des Reichspropagandaministeriums aus der Stadt Berleburg aufmerksam gemacht worden. Allein aus dieser kleinen südwestfälischen Stadt waren 26 Sinti zur Wehrmacht eingezogen worden. Vom Reichspropagandaministerium wurde die Angelegenheit an den Verantwortlichen für Rassenfragen beim Führer herangetragen. Da es aus der Sicht der Nationalsozialisten nicht sein konnte, dass ein „Fremdrassiger” höchste militärische Auszeichnung bekam, wurde zwischen Hitlers Stab und dem Oberkommando der Wehrmacht die Übereinkunft getroffen, dass „Zigeuner und Zigeunermischlinge“ wie „jüdische Mischlinge I. Grades“ der Ersatzreserve II zuzuweisen seien. Dies entsprach der Verfügung, die im Sommer 1941 in den ALLGEMEINEN HEERESMITTEILUNGEN veröffentlicht wurde und als AHM 41, Ziffer.153 in den Ausschließungspapieren der Betroffenen aufgeführt wurde.
Ab 1941 wurden alle ermittelten Sinti und Roma konsequent aus dem deutschen Militär entfernt. Dazu wurden kommunale Behörden aufgefordert, Listen der wehrpflichtigen Sinti und Roma zu erstellen.
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