8. Frankfurter Complott zu Bewirkung einer allgemeinen deutschen Revolution. a.) Bildung und Ausdehnung des Complotts (§8)
§. 8.
Fragt man, wodurch die freie Stadt Frankfurt der Central – Punkt solcher Umtriebe in Deutschland geworden, so bieten die geographische Lage dieser Stadt in der Mitte der deutschen Bunds – Staaten, ihr lebhafter und ausgebreiteter Verkehr mit Freunden aus allen Ländern, die Eigentümlichkeit ihrer republikanischen Verfassung, der hier jährlich stattfindende Wechsel in der Person des obersten Magistrate, und die bei einem Staate von so geringem Umfange natürlich verhältnismäßig geringeren polizeilichen und militärischen Mittel, Erklärungs – Gründe dar, welche es, auch abgesehen von anderen mitwirkenden Ursachen, begreiflich machen, daß der selbst in größeren Staaten sich offenbarende Geist der Auflehnung gegen die bestehende Ordnung der Dinge hier in einer ununterbrochenen Reihe von politischen Excessen in steigender Progression sich kund gegeben hat. Schon im Herbst 1831 hatte in Frankfurt aus Anlaß der Thorsperre ein blutiger Aufstand statt, der Wirth'sche Preß – und Vaterlandsverein (§.3.) fand hier über 800. Theilnehmer. Eine von dem „liberalen“ Advokaten Dr. Reinganum im Frühjahr 1832 verfaßte, höchst unziemliche „Protestation deutscher Bürger“ für Preßfreiheit “ erhielt 256 Unterschriften, meistens von Advokaten, Aerzten, Kaufleuten und anderen Personen aus dem Mittelstande. Des Ehrensäbels, welche die Frankfurter „Patrioten“ dem Demagogen Dr. Wirth am 27. März 1832 in Hamburg überreichen ließen, ist schon oben (§.4.) gedacht worden. An den Volksversammlungen in Bergen und Wilhelmsbad (§.4.) nahmen die erwähnten Frankfurter lebhaften Antheil. Drey derselben, die Literaten Friedrich Funk, Wilhelm Sauerwein und Christoph Freieisen, machten aus der Herausgabe zahlloser revolutionärer Zeit – und Flug – Schriften, die vermöge ihrer populären Schreibart besonders auf die unteren Volks – Klassen zu wirken geeignet waren, ein Gewerbe. Als zu Ende Junis 1832 das Central – Comité des Preßvereins zu Zweybrücken in Folge der Flucht oder Verhaftung seiner Mitglieder sich aufgelöst hatte, veranstaltete das aus den Advokaten Dr. Gährt und Dr. Jucho, dem Kaufmann Johann Daniel Theihsinger und dem Siebmacher Johann Georg Einbiegler zu Frankfurt bestehende Comité jener Verbindung eine Zusammenkunft von Abgeordneten mehrerer Filial – Comités, welche am Juli 1832 unter dem Vorsitze des ständischen Abgeordneten Dr. Georg Strecker aus Mainz in dem Hause eines Kaufmanns in Frankfurt *.) abgehalten, und worinn die Stadt Frankfurt zum nunmehrige Sitze des Centralcomités des Preß – und Vaterlands – Vereins erwählt ward. Um diesselbe Zeit wurde von Frankfurt aus eine Masse revolutionärer Schriften in den benachbarten Staaten verbreitet. Bald darauf, in Oktober 1832, fanden in dieser Stadt aus Anlaß der
*.)des reichen Großhändlers Johann David Hinkel.
Verhaftung des revolutionären Schriftstellers Christoph Freieisen, Unruhen statt, welche von Mitgliedern jenes Vereins ausgiengen und geleitet wurden. Schon früher, im August 1832, hatte die Verbindung der Frankfurter Revolutionäre mit denen in Württemberg begonnen, welche durch öftere Reisen des Buchhändlers Frankh und des Studenten Hardegg nach Frankfurt, so wie andererseits der politischen Emissäre Obermüller und Lehrer Knöbel aus Dürkheim, dann der Advokaten Gärth und Neuhof, von Frankfurt nach Württemberg vermittelt wurde. Aehnliche Verbindungen wurden von letzteren nach und nach in den Frankfurt zunächst umgebenden Staaten angeknüpft. In dem Großherzogthum Hessen, namentlich in der Provinz Oberhessen war eine politische Aufregung unverkennbar. Genährt wurde sie hauptsächlich von dem damaligen Rektor Weidig zu Butzbach, der an dem revolutionären Treiben schon lange Jahre hindurch, lebhaften Antheil genommen, auf eine große Anzahl von Personen, selbst von gereifteren Alter erheblichen Einfluß gewonnen hatte, und dem zur Erreichung seiner Zwecke alle Mittel genehm waren. Mit ihm setzten sich die gedachten Frankfurter Revolutionäre schon im Sommer 1832 in Verbindung. Schon in dieser Zeit kamen Gärth, Jucho und Rauschenblatt mit Weidig bei dem Pfarrer Flick zu Petterweil zusammen.Die Wohnung des letzteren, wurde nach seinem auch anderweit bestätigten Geständnisse, zu Zusammenkünften benützt, welche von Neujahr 1833 ab, die Frankfurter Revolutionäre mit Weidig, dem Apotheker Trapp, dem Dr. August Breitenstein, dem Dr. Neuhoff und dem polnischen Flüchtling Scylling hatten. Zu diesen Zusammenkünften, deren eine auch bei Trapp abgehalten worden ist, wurde über die Ausführung einer mit einem Aufstande in Frankfurt zu beginnenden deutschen Revolution umständlich berathschlagt; dabei wurde mitgetheilt, wie weit an anderen Orten, namentlich im Königreich Württemberg, das Aufruhrprojekt gediehen sey. Daß es dabei auf ein Losschlagen im Großherzogtum selbst abgesehen war, und daß zu solchen der Aufruhr in Frankfurt, wenn er gelinge, nur das Signal geben sollte, darüber lassen die folglich zu erwähnenden Vorgänge in Giessen keinen Zweifel. Ein ähnlicher Verkehr scheint mit Gleichgesinnten in Mainz, Wiesbaden, Gießen, Marburg und mehreren anderen deutschen Städten bestanden zu haben, namentlich behaupteten die Frankfurter Revolutionäre, auf die Mitwirkung des Professors Jordan in Marburg, welchem sie einen sehr großen Einfluß auf das Volk in Kurhessen zuschreiben, bestim[m]t rechnen zu können. In den Monaten Januar und Februar 1833 dehnte der vorerwähnte Militärarzt Dr. Breidenstein das revolutionäre Complott auf das landgräflich hessische Militär in Homburg aus, wobei er den von ihm verführten Unteroffizieren und Soldaten eröffnete: „es bestehe in ganz Deutschland eine die Abschaffung sämtlicher Fürsten bezweckende Verschwörung, an welcher namentlich viele Hessen, Nassauer, Bayern, Württemberger und Badner, wie auch eine große Anzahl Polen Theil nehmen, und welche am 18. März 1833 in Frankfurt, wo es zunächst auf die Bundestagsgesandten abgesehen sey, zum Ausbruch kommen werde.“ Aus neueren Untersuchungen in Polen erhellt, dass von dem Central – Comité aller revolutionären Umtriebe in Paris anfangs wirklich der 19. März 1833 zum Tage des Ausbruchs des beabsichtigten allgemeinen Aufstands bestim[m]t war, wovon Dr. Breidenstein um so eher Kenntniß haben konnte, als er bis kurz vor seiner am 27. Februar 1833 erfolgten Verhaftung vielfältig nicht nur mit den Frankfurter Revolutionären, sondern auch mit aus Frankreich kommenden Emissären, namentlich einem vormals polnischen Majors Meisner, verkehrt hatte. Die Entdeckung der Meuterei in Homburg und die aus Anlaß der oben erwähnten Umtriebe unter dem Landvolke (§.7.) einige Wochen zuvor erfolgte Verhaftung des Studenten Hardegg und seines Genossen Frankh schreckte die übrigen Verbündeten keineswegs ab, sondern beschleunigte insofern die Ausführung ihrer strafbaren Plane, als sie sich nun selbst nicht mehr sicher glaubten. In einer schon früher verabredeten Zusammenkunft in dem Dorfe Groß – Gartach bei Heilbronn am 3. März 1833, an welcher der könig. Württemberg. Oberlieutnant Koseritz und der Gürtlermeister Dorn von Ludwigsburg, dann der Advokat Dr. Gärth von Frankfurt, der Apotheker Trapp von Friedburg und der RechtsCandidat Friedrich Breidenstein von Homburg, (: ein Bruder des vorerwähnten Militär – Arztes :) Theil nahmen, wurde daher, nach gegenseitiger Darlegung der den Verschworenen zu Gebot stehenden Mittel, beschlossen, daß die Revolution an einem Tage, längstens binnen vier Wochen, durch gleichzeitige Aufstände in Frankfurt und Ludwigsburg begonnen werden solle. Dr. Gärth eröffnete hierbei dem Koseritz, daß in dem Hause des Dr. Gustav Bunsen in Frankfurt, der mit ihm an der Spitze der dortigen Revolutionäre stehe, Waffen und Munition für unsere hundert Mann bereit lägen, daß die Artillerie des Frankfurter Bürger – Militärs ganz auf ihrer Seite sey, dass nicht minder zwey preussische Posener Regimenter, welche zu Kreuznach in Garnison lägen, gleichfalls für die Sache gewonnen seyen, und daß auch das Nassauische Militär für eine Revolution sehr gut gestim[m]t sey. Gleichzeitig mit dem Ausbruche der Revolution in Frankfurt würden auch die Lyoner losschlagen, und in Polen die Revolution wieder beginnen; auch werde eine Colonne Polen, das Depot in Besançon, entweder durch das Elsaß und Rheinbaiern, oder durch Baden nach Frankfurt dringend, und noch vorher, was er jetzt einzuleiten beabsichtigte, zwanzig polnische Offiziere nach Rorschach und Rheineck kommen, theils um, wenn in Frankfurt losgeschlagen worden, aus dem Schwarzwalde die Revolution zu leiten; theils nur, wenn es erforderlich, zu Anführung der Württemberg. Truppen sich verwenden zu lassen.“ Andererseits war auch Koseritz durch die von ihm eingeleitete Militär – Meuterei /§.7./ in dem Besitze von Mitteln, die, wenn auch nicht so beträchtlich, als sie den Frankfurtern früher geschildert wurden, zum Losschlagen hinreichend schienen, denn wo bewaffnete Macht zum Aufruhr bereit ist, bedarf es sonst keiner weiteren Mittel. Uebrigens empfing Koseritz, um seinen Umtrieben von nun an mehr Ausdehnung und Nachdruck zu geben, von Gärth theils baar, theils in einem von dem Handlungshause Johann David Hinkel und Winkler zu Frankfurt ausgestellten Wechsel eine GeldUnterstützung von 473 f, welche er jedoch groeßtentheils für sich behielt. An die Spitze der neuen Regierung in Württemberg wollte Gärth, wie er gegen Koseritz äußerte, den Professor Jordan von Marburg stellen.
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