7. Revolutionäre Umtriebe in dem Königreich Württemberg; insbesondere Militär – Meuterei des Oberlieutennants Koseritz. (§ 7)
§. 7.
Unter den revolutionären Umtrieben, welche außer den bereits erwähnten, im Jahre 1832 in Deutschland Statt hatten, zeichnen sich die den könig. Württemberg. Oberlieutenants Ernst Ludwig Koseritz zu Ludwigsburg besonders aus. Dieser Offizier war schon im Jahre 1825 mit einigen Mitgliedern des „geheimen Jünglingsbundes“ (:verg. §. 1.:) bekannt geworden, und huldigte von da an, einem ungemessenen, übelverstandenen Liberalismus. Nach den Ereignissen des Jahres 1830 schloß er sich der Faktion an, welche von der Voraussetzung ausgehend, daß es auchin Deutschland zu einer allgemeinen Umwälzung kommen müssem, Deutschlands Einheit mit republikanischer Regierungsform mit revolutionärem Wege herbeizuführen trachtete. Mit ihr theilte Koseritz gleiche Ansichten, Gesin[n]ungen und Bestrebungen. Um in seinem Kreise der Revolution vorzuarbeiten, die durch einen Anstoß von Aussen, besonders von Frankreich, als unvermeidliches Ereigniß erwartet wurde, stiftete Koseritz einen Klub in Ludwigsburg, durch welchen er Bürger und Offiziere in politische Verbindung zu bringen und sich eine Macht gegen die Regierung zu verschaffen suchte, zog Offiziere, deren politische Ansichten entsprechend schienen, in sein Interesse, und zettelte durch aufwieglung von Unter – Offizieren eine Militär – Meuterei in der Garnison Ludwigsburg an. Durch die eifrigen Bemühungen des Feldwebels Lehz vom fünften königlich. Württembergischen Infanterie Regiment, den er sich zum Gehülfen ausersehen hatte, gelang es ihm, eine Anzahl gedienter und tüchtiger Unteroffiziere für sich zu gewin[n]en, die ihm zusagten, bei dem damals nahe geglaubten Volks – Aufstand die Fahne des Aufruhrs aufzustecken und sich der Volks Parthey anzuschließen. Hiernächst forderte er sie auf, in der Stille vertraute Kameraden zu werben, beim Ausbruch aber ihre unterhabende Man[n]schaft der Parthey des Aufruhrs zuzuführen, zu welchem Ende er ihnen bereits den Sammelplatz, wo sie seine weiteren Befehle erwarten sollten, bezeichnete, und einen Theil seines Operations – Plans vertraute, wornach unter Anderem das 600 Sträflinge zählende Straf – Arbeitshaus geöffnet, die Stadt Ludwigsburg den herbeigerufenen aufrührerischen Bauern zur Plünderung überlassen, dergleichen die ResidenzStadt Stuttgart geplündert, und im Falle des Widerstandes angezündet werden sollte. Durch eine sophistische Auslegung ihres Diensteides suchte Koseritz die Unteroffiziere in ihrem vorhabenden Treubruche zu bestärken, machte ihnen Hoffnung auf Offiziers – Stellen und spiegelte ihnen die Theilnahme höherer Offiziere vor, um sie seinen verführerischen Zuflüsterungen zugänglicher zu machen. Der Verräther wurde mit dem Tode bestraft. Von seinen Umtrieben setzte Koseritz fünf seiner Kameraden, deren verkehrte politische Richtung ihm zusagte, in Kenntniß, und diese Offiziere waren pflichtvergessen genug, das Verbrechen ungehindert zu lassen, unerachtet ihnen bekannt war, daß die Meuterei zu revolutionären Zwecken eingeleitet sei. Einigen machte Koseritz das – nur von Einem derselben abgelehnte – Ansinnen, in seinem Geiste auch in ihrem Regimente zu wirken und die Unteroffiziere zum Treubruche zu verleiten. Andere ließen sich so weit herbey, daß sie zum Theil mit Misbrauch ihrer Dienstgewalt, durch Worte oder ihr Benehmen sträflichen Einfluß auf die bereits verführten Unteroffiziere übten, wodurch diese in dem Entschlusse, ihrer militärischen Pflicht untreu zu werden, bestärkt werden mussten. Auch in Stuttgart wurden auf Anstiften des Koseritz Versuche gemacht, die UnterOffiziere aufzuwiegeln; ob Aehnliches in den Garnisons – städten Heilbron[n] und Ulm versucht worden, ist nicht vermittelt. Indessen wucherte das Verbrechen in der Garnison Ludwigsburg geraume Zeit fort, ohne daß genau erhoben wäre, wie groß die Zahl der Verführten gewesen. Nur zehn UnterOffiziere waren geständig, ihre Theilnahme an dem Aufruhre zugesichert zu haben. Koseritz aber hatte durch den Feldwebel Lehz Kunde erhalten, dass die Zahl der Meuterer fünfzig bis sechzig betrage, und er glaubte auf zweihundert UnterOffiziere von allen Waffengattungen rechnen zu können. Mit den UnterOffizieren schien auch die Mannschaft gewonnen, weil auf junge Soldaten nichts mehrzu wirken im Stande ist, als das Beispiel ihrer unmittelbaren Führer. Mittlerweile waren von anderer Seite unter Bürgern, Landleuten und Handwerksgesellen sträfliche Umtriebe in Württemberg gemacht worden, die in dem allgemeinen Revolutions – Plane mit den Bestrebungen des Koseritz zusammemhiengen. Der Redakteur des „Hochwächters“ Rudolph Lohbauer in Stuttgart war hiebei besonders thätig. Nach dessen Entwicklung (:Septbr. 1832:) bemächtigten sich der Architekt Weihenmaier, die Lithographen Malté und Schertlen, so wie der Gärtner Eduard Schmidlen einer Gesellschaft von dreißig bis vierzig Schusters – Gesellen in Stuttgart, welche sie mit solchem Erfolge bearbeiteten, daß der Angeschuldigte Malté erklärte: „Die Leute, an denen er seine Freude gehabt, hätten ihn eigentlich in Verlegenheit gesetzt, indem sie sich alsbald bereit erklärt, der Revolution sich anzuschließen, wobey sie ihm vorläufig bereits ihre Wohnung, wo sie am Tage des Losschlagens zu finden seien, bezeichnet hätten“. – Andere Personen bezeugen, von einem der fanatisierten Gesellen öfters gehört zu haben: „es werde bald los brechen; wenn es los gehe, dann wolle er tüchtig zuschlagen; er nehme hierzu sein Keileisen und fange dann bei den Höchsten an“. – Um dieselbe Zeit stifteten die Brüder Eduard und Herrman[m] Schidlin mit dem Lithographen Malté die sog : Mittwochs – oder Montags – Gesellschaft in Stuttgart, welche ungefähr hundert Mitglieder zählte und nach ihren obrigkeitlich genehmigten Statuten lediglich „Belehrung über die bestehenden Gesetze und die Verfassung Württembergs“ bezweckte, in der That aber eine revolutionäre Tendenz verfolgte, und wohl nur aus diesem Grunde von den Advokaten Rödinger, Tafel und anderen Revolutionaren eifrig besucht ward. Der Tübinger Student Georg David Hardegg aus Eglosheim, welche den Städtern nicht Muth genug zutraute, machte dagegen Versuche zu Bearbeitung des Landvolks, namentlich in der Gegend von Tübingen, wobey ihn der Aphotheker – Gehülfe Mayer von da unterstützte, und wozu ihm der Buchhändler Frankh von Stuttgart eine Anzahl revolutionärer Schriften überließ, womit er jedoch bei den dortigen Landleuten keinen Eingang fand. Koseritz war in der Zwischenzeit auch mit auswärtigen Revolutiosmännern und mit Emissären der französischen Propaganda in Verbindung getreten, und hatte von zweyen derselben, dem Polen Zalewsky und Zakrewsky, erfahren, daß die Propaganda die Republikanisierung von Deutschland herbeyzuführen hoffe, wenn dieses Land in die Mitte zwischen zwey große Revolutionen im Osten und im Westen von Europa gebracht werde, zu welchem Behufe gegen zweihundert polnische und französische Emissäre thätig seien. Von einem gemeinsamen Handeln mit dem Auslande zu gewaltsamer Realisierung der deutschen Republik, war übrigens in Württemberg erst die Rede geworden, nachdem Koseritz mit dem Buchhändler Gottlob Friedrich Frankh von Stuttgart und dem Studenten Hardegg welche, sich beide früher in Paris aufgehalten, und daselbst revolutionäre Verbindungen angeknüpft hatten, näher bekannt geworden war. Durch Frankh, der den Verkehr mit dem Auslande unterhielt und zu diesem Ende öftere Reisen machte, erhielt Koseritz Kenntniß von den Planen und Mitteln der Frankfurter Revolutionäre, so wie von den Umtrieben in den Nachbarländern Baden, Hessen; und wurde mit jenen in unmittelbare Verbindung gesetzt, so daß von da an, die revolutionären Umtriebe in Württemberg nur einen Theil des hochverrätherischen Complotts bilden, welches am 3“ April 1833 in Frankfurt a/m zum Ausbruche gekommen ist.
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