3. Forstbeamte und -bedienstete

Collage einer Abbildung eines preußischen Försters aus dem 19. Jahrhundert und einer Selbstkarikatur des Malers Carl Waldeck als Fürstlich Waldeckischer Forstrat.
Auszüge aus: Murk, Karl, Rekrutierung und Ausbildung der Forstbeamten in der Landgrafschaft Hessen-Kassel und im Kurfürstentum Hessen, in: "Weil das Holz eine köstliche Wahre" - Wald und Forst zwischen Mittelater und Moderne, Hg. von Andreas Hedwig, Marburg 2006, S. 105-123.
Zu den Wesensmerkmalen des modernen Berufsbeamtentums zählen neben De-facto Unkündbarkeit, hierarchischer Über- und Unterordnung und Pensionsanspruch u. a. die fachliche Schulung der Amtsträger und die durch Prüfungen ermittelte Fachqualifikation als maßgebliches Anstellungskriterium. Individuelle Tüchtigkeit und Bildungspatente ersetzten im Laufe des 19. Jahrhunderts in zunehmendem Maße die althergebrachten Rekrutierungsformen nach Geburtsstand, Nepotismus und Klientelbeziehungen. Normierte Prüfungsinhalte und reglementierte Ausbildungsgänge sicherten ein sachlich definiertes Fähigkeitsminimum für die Amtstätigkeit; der spezialistisch gebildete Fachmann verdrängte den reinen Empiriker1. In den deutschen Territorien wurde dieser, vielerorts an Entwicklungen des Aufgeklärten Absolutismus anknüpfende Reformprozeß unter dem Druck der Französischen Revolution und Napoleons eingeläutet2.
[…]
Die nordhessischen Wälder befanden sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts in einem desolaten Zustand. Als Gründe lassen sich die notorische Übernutzung durch eine seit der Mitte des 18. Jahrhunderts stetig anwachsende Bevölkerung und zahlreiche Gewerbe, die z. T. hohen Wildbestände sowie die durch den Siebenjährigen Krieg veranlaßten außerordentlichen Holzabgaben an die notleidende Bevölkerung anführen3. Die Mängelliste war lang und zwang zu deutlichen Effizienz- und Leistungssteigerungen, auch und vor allem im Personalbereich. Es wurde immer offenkundiger, daß die bis dahin eindeutig im Vordergrund stehende jagdliche Ausbildung der höheren ebenso wie der Subalternbeamten und die Fixierung auf den Forstschutz nicht mehr ausreichten, um die weit verbreiteten Mißstände zu beseitigen und neue Herausforderungen wie die Waldvermessung und die bevorstehende Grundlastenablösung zu bewältigen. Nur mit forstfachlich geschulten und kompetenten Forstbeamten war eine nachhaltige und gewinnbringende Waldbewirtschaftung zu bewerkstelligen. Daran aber mangelte es auf allen Ebenen.
Zu diesem Ergebnis kam jedenfalls der Oberförster Johann Christian Reichmeyer aus Wehlheiden, der von der Kriegs- und Domänenkammer 1768 mit einer einschlägigen Untersuchung betraut worden war. In mehreren Gutachten wies er Ende der 1760er und in den frühen 1770er Jahren darauf hin, daß ein Forst-Bedienter ein gantz anderer Mann seyn muß, wie man sich bis hiehin davon vorgestellt hat4, und daß […] solche Leute, die nur grüne Röcke tragen und weiter nichts gelernet haben, als zur Noth einen Hasen und etwa ein Stück Wildpreth schießen zu können, […] gnädigster Landesherrschaft viele 1.000 Reichstaler Schaden zufügen können5. Mit Geschwätze und Jagd-Discoursen, wovon viele Forst-Bediente eingenommen seyn6, seien die Probleme nicht zu bewältigen. Nur wenige würden sich die Mühe machen, ihr Metier und besonders die Forst-Oeconomie7 gründlich zu erlernen.
[…]
Da juristisch und kameralistisch geschultes Personal in der Forstverwaltung weithin fehlte, sah man sich genötigt, zumindest die Leitungspositionen mit Spitzenkräften aus dem Ausland zu besetzen.
[…]
Ein allmählicher Wandel bahnte sich erst nach der Berufung Friedrich Ludwig v. Witzlebens zum Oberjägermeister an. Auf seine Initiative8, die von dem Marburger Staatswissenschaftler Johann Heinrich Jung (genannt Jung-Stilling) nachdrücklich unterstützt wurde9, wurde im Jahre 1797 eine Forstlehranstalt in Waldau vor den Toren der Residenzstadt Kassel gegründet. Die Reichweite der Reform blieb allerdings begrenzt. Witzleben und seine Nachfolger richteten ihr Augenmerk vor allem auf die angehenden Förster und Oberförster, die ihre theoretische Ausbildung komplett bzw. überwiegend in Waldau erhalten sollten; Anwärter auf höhere Forstverwaltungsstellen sollten hier auf eine spätere akademische Laufbahn vorbereitet werden10.
In Waldau wurden die Forstschüler, bei denen es sich zunächst durchweg um Angehörige des Jägerkorps handelte, in einem zweijährigen Kurs in Recht- und Schönschreiben, der Abfassung schriftlicher Aufsätze, Trigonometrie, Bruch-, Dezimal-, Quadrat-, Kubik- und Buchstabenrechnung, Geometrie und Arithmetik, niederer Forstwissenschaft, Forstverfassungslehre sowie Bau- und Holzkunde unterrichtet11. Aus Platzmangel besuchten von 1798 bis 1806 jährlich nie mehr als acht Alumnen das Waldauer Institut12. Anfangs fiel es auch nicht leicht, geeignete Lehrkräfte zu finden13. Um einen geregelten Unterrichtsbetrieb gewährleisten zu können, griff man auf zwangsverpflichtete Forstbeamte aus der näheren Umgebung und auf fachfremde Seiteneinsteiger zurück. So hatte z.B. der Dozent für Forstwissenschaft und Stilkunde, der Apotheker Carl Wilhelm Fiedler aus Immenhausen, übrigens ein heller philosophischer Kopf14 und Verfasser eines Forsthandbuchs, seinen Lebensunterhalt bis dahin vornehmlich als Branntweinbrenner verdient. Der mit einem Lehrauftrag in praktischer Forstkunde betraute Oberförster Harnickel aus Oberkaufungen zeigte sich zunächst alles andere als beglückt über seine Zusatzaufgabe15.
[…]
Die im Vergleich zu anderen deutschen Forstlehranstalten spärliche finanzielle Ausstattung des Instituts war auch in anderer Hinsicht ein stetes Ärgernis. Sowohl in Waldau wie auch in Fulda wurde immer wieder über großen Platzmangel, über kärgliches Mobiliar, Schmutz und Kälte sowie über fehlende Instrumente und Bücher geklagt16. Noch 1822 mußten in Fulda stets zwei oder drei Zöglinge in einem wackligen Kasernenbett zusammen schlafen – ein untragbarer Zustand, zumal für zartbesaitete Gemüter17. Beim Umzug von Fulda nach Melsungen bestand die Bibliothek aus einem einzigen Buch mit logarithmischen Tafeln und drei Meßinstrumenten, von denen nur eines brauchbar war18! Obwohl sich in Melsungen die räumliche Situation entspannte, die Buchbestände und Sammlungen allmählich anwuchsen und sogar ein botanischer Garten angelegt wurde19, investierte das Kurfürstentum im Vergleich zu den Nachbarstaaten Preußen, Sachsen, Bayern und Hessen-Darmstadt vergleichsweise wenig Geld in die Forstausbildung.
[…]
Daß die Melsunger Forstlehranstalt nach der Annexion des Kurstaates im Jahre 1866 den Anforderungen der neuen Herren nicht mehr entsprach, kann nach dem bisher Gesagten kaum überraschen.
[…]
Ende Mai 1868 schloss die Schule endgültig ihre Pforten.
[…]
Im Jahr zuvor, gleichsam in allerletzter Minute, hatte Schuldirektor Grebe mit Unterstützung der Finanzabteilung der preußischen Administration in Kurhessen und des neuen Oberpräsidenten v. Möller einen letzten vergeblichen Versuch unternommen, die Forstlehranstalt durch eine Standortverlegung nach Marburg zu retten20. Seine Initiative knüpfte an eine mit Unterbrechungen seit den 1830er Jahren geführte, letztlich ergebnislos gebliebene Diskussion an. Über die Frage, inwieweit es sinnvoll wäre, die Forstlehranstalt am Standort der Landesuniversität anzusiedeln oder vielleicht sogar mit der Universität zu verbinden, wie dies im benachbarten Großherzogtum Hessen 1825 vorexerziert worden war21, gingen die Meinungen in der kurhessischen Forstverwaltung, zwischen den zuständigen Ministerien der Finanzen und des Innern sowie im Landtag auseinander.
[…]
Am Ende aber blieb alles beim Alten. Die herangezogenen Gutachter konnten sich nicht einigen; im zuständigen Finanzministerium und im Oberforstkollegium überwogen die Bedenkenträger. Das für die Landesuniversität zuständige Innenressort war mit der Angelegenheit offenbar nicht befaßt; dem Gesamtstaatsministerium und dem Kurfürsten scheint ein entsprechendes Anliegen nie unterbreitet worden zu sein. Ob es Gehör gefunden hätte, darf angesichts der notorischen Entscheidungsschwäche des Regenten mit Fug und Recht bezweifelt werden. Die diesbezüglichen Anträge der Landtagsabgeordneten dürften die Verlegung eher behindert haben. Während die arg geschmähten Lehrer der Forstlehranstalt, die einem Umzug nach Marburg grundsätzlich durchaus positiv gegenüberstanden, und deren Vorgesetzte durch die in den Ausschüssen geäußerte Kritik am Ausbildungsniveau nachhaltig vergrätzt wurden22, reagierte der Kurfürst ohnehin allergisch auf alle Initiativen der Ständeversammlung. Wegen der jeweils kurze Zeit später erfolgenden Landtagsauflösungen kamen die Anträge nicht einmal zur Beratung im Plenum23.
[…]
So viel zur Ausbildungsstätte. Auch im Hinblick auf die Festschreibung der Ausbildungsgänge blieb die Bilanz letztlich unbefriedigend. Nach 1813 verbesserte sich zwar der Ausbildungsstand der Forst- und Jagdjunker, also des potentiellen Nachwuchses für die Spitzenpositionen, insofern, als der Aufenthalt an der kurfürstlichen Forstlehranstalt und der anschließende Universitätsbesuch allmählich zur Regel wurden. Von einer Normierung war man gleichwohl noch weit entfernt. Noch 1848 vertrat das Oberforstkolleg die Ansicht, daß besondere Anordnungen für die Ausbildung der höheren Forstbeamten nicht erforderlich seien, da die im Besitz der erforderlichen geistigen und finanziellen Mittel und über eine entsprechende Schulbildung verfügenden Kandidaten an sich schon auf die Nothwendigkeit des Besuches der Landes- oder einer anderen Universität, nachdem sie die Försterschule besucht und dort die Prüfung genügend bestanden haben, hingeführt werden24. Dabei blieb es bis zum Ende des Kurstaats.
[…]
Die nordhessischen Wälder befanden sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts in einem desolaten Zustand. Als Gründe lassen sich die notorische Übernutzung durch eine seit der Mitte des 18. Jahrhunderts stetig anwachsende Bevölkerung und zahlreiche Gewerbe, die z. T. hohen Wildbestände sowie die durch den Siebenjährigen Krieg veranlaßten außerordentlichen Holzabgaben an die notleidende Bevölkerung anführen3. Die Mängelliste war lang und zwang zu deutlichen Effizienz- und Leistungssteigerungen, auch und vor allem im Personalbereich. Es wurde immer offenkundiger, daß die bis dahin eindeutig im Vordergrund stehende jagdliche Ausbildung der höheren ebenso wie der Subalternbeamten und die Fixierung auf den Forstschutz nicht mehr ausreichten, um die weit verbreiteten Mißstände zu beseitigen und neue Herausforderungen wie die Waldvermessung und die bevorstehende Grundlastenablösung zu bewältigen. Nur mit forstfachlich geschulten und kompetenten Forstbeamten war eine nachhaltige und gewinnbringende Waldbewirtschaftung zu bewerkstelligen. Daran aber mangelte es auf allen Ebenen.
Zu diesem Ergebnis kam jedenfalls der Oberförster Johann Christian Reichmeyer aus Wehlheiden, der von der Kriegs- und Domänenkammer 1768 mit einer einschlägigen Untersuchung betraut worden war. In mehreren Gutachten wies er Ende der 1760er und in den frühen 1770er Jahren darauf hin, daß ein Forst-Bedienter ein gantz anderer Mann seyn muß, wie man sich bis hiehin davon vorgestellt hat4, und daß […] solche Leute, die nur grüne Röcke tragen und weiter nichts gelernet haben, als zur Noth einen Hasen und etwa ein Stück Wildpreth schießen zu können, […] gnädigster Landesherrschaft viele 1.000 Reichstaler Schaden zufügen können5. Mit Geschwätze und Jagd-Discoursen, wovon viele Forst-Bediente eingenommen seyn6, seien die Probleme nicht zu bewältigen. Nur wenige würden sich die Mühe machen, ihr Metier und besonders die Forst-Oeconomie7 gründlich zu erlernen.
[…]
Da juristisch und kameralistisch geschultes Personal in der Forstverwaltung weithin fehlte, sah man sich genötigt, zumindest die Leitungspositionen mit Spitzenkräften aus dem Ausland zu besetzen.
[…]
Ein allmählicher Wandel bahnte sich erst nach der Berufung Friedrich Ludwig v. Witzlebens zum Oberjägermeister an. Auf seine Initiative8, die von dem Marburger Staatswissenschaftler Johann Heinrich Jung (genannt Jung-Stilling) nachdrücklich unterstützt wurde9, wurde im Jahre 1797 eine Forstlehranstalt in Waldau vor den Toren der Residenzstadt Kassel gegründet. Die Reichweite der Reform blieb allerdings begrenzt. Witzleben und seine Nachfolger richteten ihr Augenmerk vor allem auf die angehenden Förster und Oberförster, die ihre theoretische Ausbildung komplett bzw. überwiegend in Waldau erhalten sollten; Anwärter auf höhere Forstverwaltungsstellen sollten hier auf eine spätere akademische Laufbahn vorbereitet werden10.
In Waldau wurden die Forstschüler, bei denen es sich zunächst durchweg um Angehörige des Jägerkorps handelte, in einem zweijährigen Kurs in Recht- und Schönschreiben, der Abfassung schriftlicher Aufsätze, Trigonometrie, Bruch-, Dezimal-, Quadrat-, Kubik- und Buchstabenrechnung, Geometrie und Arithmetik, niederer Forstwissenschaft, Forstverfassungslehre sowie Bau- und Holzkunde unterrichtet11. Aus Platzmangel besuchten von 1798 bis 1806 jährlich nie mehr als acht Alumnen das Waldauer Institut12. Anfangs fiel es auch nicht leicht, geeignete Lehrkräfte zu finden13. Um einen geregelten Unterrichtsbetrieb gewährleisten zu können, griff man auf zwangsverpflichtete Forstbeamte aus der näheren Umgebung und auf fachfremde Seiteneinsteiger zurück. So hatte z.B. der Dozent für Forstwissenschaft und Stilkunde, der Apotheker Carl Wilhelm Fiedler aus Immenhausen, übrigens ein heller philosophischer Kopf14 und Verfasser eines Forsthandbuchs, seinen Lebensunterhalt bis dahin vornehmlich als Branntweinbrenner verdient. Der mit einem Lehrauftrag in praktischer Forstkunde betraute Oberförster Harnickel aus Oberkaufungen zeigte sich zunächst alles andere als beglückt über seine Zusatzaufgabe15.
[…]
Die im Vergleich zu anderen deutschen Forstlehranstalten spärliche finanzielle Ausstattung des Instituts war auch in anderer Hinsicht ein stetes Ärgernis. Sowohl in Waldau wie auch in Fulda wurde immer wieder über großen Platzmangel, über kärgliches Mobiliar, Schmutz und Kälte sowie über fehlende Instrumente und Bücher geklagt16. Noch 1822 mußten in Fulda stets zwei oder drei Zöglinge in einem wackligen Kasernenbett zusammen schlafen – ein untragbarer Zustand, zumal für zartbesaitete Gemüter17. Beim Umzug von Fulda nach Melsungen bestand die Bibliothek aus einem einzigen Buch mit logarithmischen Tafeln und drei Meßinstrumenten, von denen nur eines brauchbar war18! Obwohl sich in Melsungen die räumliche Situation entspannte, die Buchbestände und Sammlungen allmählich anwuchsen und sogar ein botanischer Garten angelegt wurde19, investierte das Kurfürstentum im Vergleich zu den Nachbarstaaten Preußen, Sachsen, Bayern und Hessen-Darmstadt vergleichsweise wenig Geld in die Forstausbildung.
[…]
Daß die Melsunger Forstlehranstalt nach der Annexion des Kurstaates im Jahre 1866 den Anforderungen der neuen Herren nicht mehr entsprach, kann nach dem bisher Gesagten kaum überraschen.
[…]
Ende Mai 1868 schloss die Schule endgültig ihre Pforten.
[…]
Im Jahr zuvor, gleichsam in allerletzter Minute, hatte Schuldirektor Grebe mit Unterstützung der Finanzabteilung der preußischen Administration in Kurhessen und des neuen Oberpräsidenten v. Möller einen letzten vergeblichen Versuch unternommen, die Forstlehranstalt durch eine Standortverlegung nach Marburg zu retten20. Seine Initiative knüpfte an eine mit Unterbrechungen seit den 1830er Jahren geführte, letztlich ergebnislos gebliebene Diskussion an. Über die Frage, inwieweit es sinnvoll wäre, die Forstlehranstalt am Standort der Landesuniversität anzusiedeln oder vielleicht sogar mit der Universität zu verbinden, wie dies im benachbarten Großherzogtum Hessen 1825 vorexerziert worden war21, gingen die Meinungen in der kurhessischen Forstverwaltung, zwischen den zuständigen Ministerien der Finanzen und des Innern sowie im Landtag auseinander.
[…]
Am Ende aber blieb alles beim Alten. Die herangezogenen Gutachter konnten sich nicht einigen; im zuständigen Finanzministerium und im Oberforstkollegium überwogen die Bedenkenträger. Das für die Landesuniversität zuständige Innenressort war mit der Angelegenheit offenbar nicht befaßt; dem Gesamtstaatsministerium und dem Kurfürsten scheint ein entsprechendes Anliegen nie unterbreitet worden zu sein. Ob es Gehör gefunden hätte, darf angesichts der notorischen Entscheidungsschwäche des Regenten mit Fug und Recht bezweifelt werden. Die diesbezüglichen Anträge der Landtagsabgeordneten dürften die Verlegung eher behindert haben. Während die arg geschmähten Lehrer der Forstlehranstalt, die einem Umzug nach Marburg grundsätzlich durchaus positiv gegenüberstanden, und deren Vorgesetzte durch die in den Ausschüssen geäußerte Kritik am Ausbildungsniveau nachhaltig vergrätzt wurden22, reagierte der Kurfürst ohnehin allergisch auf alle Initiativen der Ständeversammlung. Wegen der jeweils kurze Zeit später erfolgenden Landtagsauflösungen kamen die Anträge nicht einmal zur Beratung im Plenum23.
[…]
So viel zur Ausbildungsstätte. Auch im Hinblick auf die Festschreibung der Ausbildungsgänge blieb die Bilanz letztlich unbefriedigend. Nach 1813 verbesserte sich zwar der Ausbildungsstand der Forst- und Jagdjunker, also des potentiellen Nachwuchses für die Spitzenpositionen, insofern, als der Aufenthalt an der kurfürstlichen Forstlehranstalt und der anschließende Universitätsbesuch allmählich zur Regel wurden. Von einer Normierung war man gleichwohl noch weit entfernt. Noch 1848 vertrat das Oberforstkolleg die Ansicht, daß besondere Anordnungen für die Ausbildung der höheren Forstbeamten nicht erforderlich seien, da die im Besitz der erforderlichen geistigen und finanziellen Mittel und über eine entsprechende Schulbildung verfügenden Kandidaten an sich schon auf die Nothwendigkeit des Besuches der Landes- oder einer anderen Universität, nachdem sie die Försterschule besucht und dort die Prüfung genügend bestanden haben, hingeführt werden24. Dabei blieb es bis zum Ende des Kurstaats.
Anmerkungen:
- Vgl. M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, Tübingen 51980, S. 128 ff., 551 ff.
- Vgl. B. Wunder, Geschichte der Bürokratie in Deutschland, Frankfurt 1986, S. 27-43; Ders., Privilegierung und Disziplinierung. Die Entstehung des Berufsbeamtentums in Bayern und Württemberg (1780-1825), München 1978; Ders., Die Reform der Beamtenschaft in den Rheinbundstaaten, in: E. Weis (Hrsg.), Reformen im rheinbündischen Deutschland, München 1984, S. 181-193.
- Vgl. u.a. den Bericht des Oberforstmeisters G. v. Lehenner (Marburg, 25. März 1786), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat, Nr. 13925.
- „Entwurf der Verrichtungen und Wissenschaften, so von einem Forst-Verwalter und Oberförster erfordert werden […]“ des Oberförsters J. Chr. Reichmeyer (Wehlheiden, 4. Dez. 1771), StA MR Best. 40a Hess. Kammer Rubr. 12 Nr. 86.
- „Postscriptum“ des Oberförsters J. Chr. Reichmeyer (Wehlheiden, 18. April 1773), StA MR Best. 40a Hess. Kammer Rubr. 12 Nr. 86.
- „Entwurf“ (wie Anm. 4).
- Promemoria des Oberförsters J. Chr. Reichmeyer (Kopie/Wehlheiden, 3. Sept. 1768), StA MR Best. 40a Hess. Kammer Rubr. 12 Nr. 86.
- Vgl. Bericht v. Witzlebens (wie Anm. 23); vgl. ferner Bonnemann, Forstlehranstalten (wie Anm. 10), S. 5.
- Vgl. Gutachtlicher Bericht Jung-Stillings (Marburg, 4. Februar 1797), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 13923.
- Vgl. Bericht v. Witzlebens (wie Anm. 23).
- Ebd.
- Vgl. Bericht v. Witzlebens an Landgraf Wilhelm IX. (Kassel, 18. Nov. 1798), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 13923. Zu dem am 17. Juni 1797 beginnenden ersten Lehrgang waren vier Unteroffiziere und 12 Gemeine des Jägerkorps abkommandiert worden. Vgl. Resolution des Geheimen Rats (Kassel, 11. April 1797), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 13923.
- Vgl. u. a. den Bericht v. Witzlebens an Landgraf Wilhelm IX. (Praes. Kassel, 18. Mai 1797), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 13923.
- Bericht v. Witzlebens an Landgraf Wilhelm IX. (Kassel, 8. April 1797), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 13923.
- Vgl. Bericht v. Witzlebens (wie Anm. 35).
- Vgl. Bericht v. Witzlebens an Landgraf Wilhelm IX. (Praes. Kassel, 15. Jan. 1798), StA MR Best. 5 Hess. Geheimer Rat Nr. 13923; Berichte des Direktors der Forstlehranstalt Hundeshagen an die Oberforstdirektion (Fulda, 6. März 1822 und 4. Februar 1823), StA MR Best. 54e Forstlehranstalt Melsungen Nr. 2.
- Vgl. Bericht des Direktors der Forstlehranstalt Hundeshagen an die Oberforstdirektion (Fulda, 6. März 1822), StA MR Best. 54e Forstlehranstalt Melsungen Nr. 2.
- Vgl. Bericht der Direktion der Forstlehranstalt (wie Anm. 40).
- Ebd.; vgl. ferner Bericht Grebes (wie Anm. 51) sowie Bonnemann, Forstlehranstalten (wie Anm. 10), S. 39 f.
- Vgl. Bericht Grebes (Melsungen, 16. Jan. 1867), StA MR Best. 54e Forstlehranstalt Melsungen Nr. 69; v. Möller an Finanzministerium (Kassel, 15. Februar 1867), StA MR Best. 41 Kurhess. Finanzministerium Nr. 7986.
- Vgl. Bekanntmachung über die Errichtung einer Forst-Lehranstalt auf der Landes-Universität Gießen (Darmstadt, 24. März 1825), in: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 18 vom 11. April 1825.
- Vgl. die Stellungnahmen der Lehrer zu den gegen die Anstalt erhobenen Vorwürfen und die in der Beilage zur Kasselschen Allgemeinen Zeitung Nr. 172b vom 23. Juni 1837 veröffentlichte ausführliche gemeinsame Entgegnung des Lehrerkollegiums (Melsungen, 12. April 1837), StA MR Best. 54e Forstlehranstalt Melsungen Nr. 5.
- Vgl. Anlage A: Stellungnahme des Ausschusses für Kultus und Unterricht zum Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über den Antrag des Abgeordneten Dr. Löbell (Kassel, 20. Februar 1865), StA MR Best. 41 Kurhess. Finanzministerium Nr. 8144.
- Bericht des Oberforstkollegs (wie Anm. 66).
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