1. Absolutismus in Hessen-Kassel
Im Westfälischen Frieden im Jahre 1648 [Dokument 1] wurde die endgültige Teilung der Landgrafschaft Hessen zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt sanktioniert [Dokument 2]. Die vordringlichste Sorge der energischen Regentinnen und Landgrafen von Hessen-Kassel in den folgenden Jahrhunderten galt dem Aufbau der durch den 30jährigen Krieg verwüsteten Landgrafschaft [Dokument 3]: Die Verwaltung wurde neu geordnet (1656), die Straßen gesichert (1651
u. 1661), das Postwesen organisiert (1662/63); vor allem versuchte Landgraf Wilhelm VI. die Wirtschaft durch Regulierung der Arbeitsverhältnisse, der Preise und der Währung (1653 u. 1662) wiederaufzurichten [Dokument 4, 5].
Genauso wichtig schien den Landgrafen der Wiederaufbau der reformierten Universität in Marburg 1653 und der lutherischen Universität in Rinteln in der Grafschaft Schaumburg, die 1647/48 zur Hälfte an Hessen-Kassel fiel. Auch die Stadt- und Lateinschulen gewannen relativ schnell ihre Bedeutung zurück [Dokument 6, 7]. Trotz der absolutistischen Bestrebungen der Landgrafen konnte die hessische Ritterschaft in einem Vertrag vom 2. Oktober 1655 bis zum Ende des Alten Reichs die verbürgte Mitbestimmung der Stände in Steuer-, Gerichts-, Militär-, Polizei- und Wirtschaftsangelegenheiten
bewahren.
So billigten auch die Landstände die berühmt-berüchtigten Truppenvermietungen. Der Ausbau des Heeres und die Subsidienverträge banden die hessischen Landgrafen, wie auch die Grafen von Waldeck, für fast ein Jahrhundert an Holland und England. Die Ausrüstung der Soldaten förderte auch die einheimische Wirtschaft [Dokument 8, 9, 10]. Die hohen Zahlungen der auswärtigen Mächte für die hessischen Truppen kamen nicht nur den Landesherren, sondern auch dem Lande zugute; die Landgrafen investierten ihren Anteil insbesondere in den Ausbau der Residenz (Schloßbau, Parkanlagen), in Kunst, Wissenschaft und Ökonomie [Dokument 11, 12]. Die Ansiedlung der Hugenotten (Hessische Freiheitskonzession vom 18. April 1685), die die hessischen Bauern und Handwerker nicht immer begrüßten, belebte zusätzlich die Wirtschaft und die Kultur [Dokument 13, 14].
Im Jahre 1736 gewann Hessen-Kassel - dem Erbvertrag aus dem Jahre 1643 entsprechend - mit der Grafschaft Hanau-Münzenberg ein Gebiet am Main hinzu, das im Sinne des Merkantilismus hochentwickelt war. Besonders die Landgrafen Karl (1677-1730) und Friedrich II. (1760-1785) waren bestrebt, durch Investitionsanreize ausländische Unternehmer ins Land zu ziehen, um die Produktion von Waren im Land zu fördern. Luxuswaren wurden mit hohen Zöllen versehen und der Erwerb solcher Güter den einfachen Bürgern verboten [Dokument 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21]. Die Zünfte wurden staatlicher Kontrolle unterstellt. Das erst ab 1816 zu Hessen gehörende Gebiet der Fürstabtei Fulda, ab 1752 Fürstbistum, entwickelte sich unter seinen ehrgeizigen Fürstbischöfen zu einem Juwel der Barockkunst [Dokument 23].
Auch in der Judenpolitik versuchten die Landgrafen - gemessen an anderen Staaten - das Ideal eines wohlgeordneten Policeystaats durchzusetzen [Dokument 24].
In der letzten Jahren vor der Französischen Revolution gab es in Hessen-Kassel Ansätze zum Aufgeklärten Absolutismus nach dem Vorbild Brandenburg-Preußens: Die hessischen Landesordnungen wurden gesammelt, ein Gesetz über die Erhaltung der Monumente und Altertümer erlassen [Dokument 25], das Wohlfahrtswesen, die Wirtschaft und die Justiz reformiert, ein Entbindungs- und Findelhaus und ein Krankenhaus, die Charité, in Kassel eingerichtet [Dokument 26].
Getrübt wird das durchaus positive Bild durch den Subsidienvertrag mit England, den Landgraf Friedrich II., wie andere Fürsten im Reich, im Jahre 1776 abschloß. Zur Erfüllung dieses Vertrags wurden hessische Landeskinder ausgehoben, Fremde unter dubiosen Methoden angeworben und nach Amerika geschickt [Dokument 27, 28]. Die hohen Zahlungen kamen nicht dem Fürsten allein, sondern anteilig auch dem Land zugute. Der Landgraf vertraute die enormen Summen
Frankfurter Bankhäusern an, so daß die Landgrafen von Hessen-Kassel die reichsten Fürsten ihrer Zeit wurden [Dokument 29]. Von den 17.000 Soldaten kehrten etwa 6.500 nicht zurück; die meisten von ihnen waren umgekommen, einigen war die Desertation gelungen. Den Empfang ihrer Briefe in der Heimat suchte man unmittelbar nach dem Pariser Vertrag (1784) zu unterbinden, nach dem Ausbruch der Französischen Revolution wurde das Verbot (1796) wiederholt [Dokument 30].
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