21. Die Verfassung entsteht: 5.3. Der Volksentscheid
Im ganzen waren die Veränderungen, die der Verfassungskompromiß zwischen SPD und CDU gegenüber dem vorhergehenden Entwurf der beiden Arbeiterparteien gebracht hatte, so geringfügig, daß auch die KPD ihre Wähler aufrief, bei dem kommenden Volksentscheid für die Verfassung zu stimmen.
Grundsätzliche Opposition gegen das Verfassungswerk übte dagegen die Liberaldemokratische Partei (LDP). Da die Partei zentralistisch, nicht föderalistisch eingestellt war, bestritt sie der Verfassungberatenden Versammlung in wichtigen Punkten das Recht, so weitreichende Bestimmungen auf Länderebene zu treffen; dies müsse einem künftigen zentralen Parlament vorbehalten bleiben. Das Argument der LDP, eine Vielzahl unterschiedlicher Länderregelungen könne die Entwicklung zur deutschen Einheit hemmen, fand in breiten Kreisen der Bevölkerung ebenso Anklang wie der Hinweis, Länderregierungen und -parlamente seien eine ebenso unnötige wie kostspielige Angelegenheit. Im Gegensatz auch zu der damaligen Haltung der hessischen CDU profilierte sich die LDP als eine streng marktwirtschaftliche Partei, wenn sie die Bestimmungen der Hessischen Verfassung über Wirtschaftslenkung, Sozialisierung und Mitbestimmung der Betriebsräte auch in personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten kritisierte. Etwas überraschend aber versuchte die liberale Partei sogar, sich gegenüber der CDU als christliche Partei zu profilieren, indem sie sich zur „christlichen Gemeinschaftsschule" bekannte, bei der auch in den „deutschen Fächern" der „geistig-sittliche Gehalt des Christentums betont" würde, während die CDU mit ihrem „Ja" zur Hessischen Verfassung eine bloße „Gemeinschaftsschule" als Regelschule mittrage, in der zwar von Staats wegen Religionsunterricht erteilt wurde, bei der aber eine christliche Prägung des übrigen Unterrichts nicht gegeben sei. Diese Argumente der LDP verfehlten ihre Wirkung insbesondere bei dem protestantischen Bürgertum nicht. So mußte sich die CDU im Wahlkampf gegen den Vorwurf zur Wehr setzen, eine „rote Verfassung" mitzutragen.
Der amerikanischen Militärregierung, der die Verfassung zur Genehmigung vorgelegt werden mußte, mißfiel neben einigen weniger wichtigen Artikeln vor allem der Artikel 4l, der sofort mit Inkrafttreten der Verfassung die Sozialisierung bestimmter Unternehmen vorsah. Vertreter der amerikanischen Militärregierung - offenbar deutschen Sozialisierungsbestrebungen abhold - bedrängten die Sprecher von SPD und CDU, diesen Artikel nur als Kann-Bestimmung zu formulieren. Doch Sozialdemokraten und Christdemokraten blieben unnachgiebig. In dieser Situation mochte die Militärregierung nicht gegen ihre eigenen demokratischen Prinzipien verstoßen, indem sie Art. 41 HV einfach verbot. Sie fand den salomonischen Ausweg, über Art. 41 HV eine gesonderte Volksabstimmung anzuordnen, die gleichzeitig mit der Volksabstimmung über die Verfassung stattfinden sollte.
Nach einem lebhaften „Wahlkampf" fanden am l. Dezember 1946 beide Volksentscheide statt. Dabei wurde die Hessische Verfassung mit 76,8%, der Artikel 4l mit 72% der gültigen Stimmen angenommen. Hessen hatte seine „rote" Verfassung erhalten.
Grundsätzliche Opposition gegen das Verfassungswerk übte dagegen die Liberaldemokratische Partei (LDP). Da die Partei zentralistisch, nicht föderalistisch eingestellt war, bestritt sie der Verfassungberatenden Versammlung in wichtigen Punkten das Recht, so weitreichende Bestimmungen auf Länderebene zu treffen; dies müsse einem künftigen zentralen Parlament vorbehalten bleiben. Das Argument der LDP, eine Vielzahl unterschiedlicher Länderregelungen könne die Entwicklung zur deutschen Einheit hemmen, fand in breiten Kreisen der Bevölkerung ebenso Anklang wie der Hinweis, Länderregierungen und -parlamente seien eine ebenso unnötige wie kostspielige Angelegenheit. Im Gegensatz auch zu der damaligen Haltung der hessischen CDU profilierte sich die LDP als eine streng marktwirtschaftliche Partei, wenn sie die Bestimmungen der Hessischen Verfassung über Wirtschaftslenkung, Sozialisierung und Mitbestimmung der Betriebsräte auch in personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten kritisierte. Etwas überraschend aber versuchte die liberale Partei sogar, sich gegenüber der CDU als christliche Partei zu profilieren, indem sie sich zur „christlichen Gemeinschaftsschule" bekannte, bei der auch in den „deutschen Fächern" der „geistig-sittliche Gehalt des Christentums betont" würde, während die CDU mit ihrem „Ja" zur Hessischen Verfassung eine bloße „Gemeinschaftsschule" als Regelschule mittrage, in der zwar von Staats wegen Religionsunterricht erteilt wurde, bei der aber eine christliche Prägung des übrigen Unterrichts nicht gegeben sei. Diese Argumente der LDP verfehlten ihre Wirkung insbesondere bei dem protestantischen Bürgertum nicht. So mußte sich die CDU im Wahlkampf gegen den Vorwurf zur Wehr setzen, eine „rote Verfassung" mitzutragen.
Der amerikanischen Militärregierung, der die Verfassung zur Genehmigung vorgelegt werden mußte, mißfiel neben einigen weniger wichtigen Artikeln vor allem der Artikel 4l, der sofort mit Inkrafttreten der Verfassung die Sozialisierung bestimmter Unternehmen vorsah. Vertreter der amerikanischen Militärregierung - offenbar deutschen Sozialisierungsbestrebungen abhold - bedrängten die Sprecher von SPD und CDU, diesen Artikel nur als Kann-Bestimmung zu formulieren. Doch Sozialdemokraten und Christdemokraten blieben unnachgiebig. In dieser Situation mochte die Militärregierung nicht gegen ihre eigenen demokratischen Prinzipien verstoßen, indem sie Art. 41 HV einfach verbot. Sie fand den salomonischen Ausweg, über Art. 41 HV eine gesonderte Volksabstimmung anzuordnen, die gleichzeitig mit der Volksabstimmung über die Verfassung stattfinden sollte.
Nach einem lebhaften „Wahlkampf" fanden am l. Dezember 1946 beide Volksentscheide statt. Dabei wurde die Hessische Verfassung mit 76,8%, der Artikel 4l mit 72% der gültigen Stimmen angenommen. Hessen hatte seine „rote" Verfassung erhalten.
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