17. Auf dem Wege der Demokratie: 4.5. Bildung von Parteien
Den entscheidenden Schritt zur Demokratisierung stellte die Zulassung politischer Parteien dar. Auch wenn die Gründung von Parteien bis zum September 1945 offiziell verboten blieb, sind doch gleich nach dem Einmarsch der Amerikaner an zahlreichen Orten ehemalige Parteifunktionäre der Weimarer Zeit zusammengetroffen und haben die ersten Weichen für den Wieder- oder Neuaufbau ihrer Parteiorganisationen gestellt. Diese Treffen fanden sozusagen „illegal" in Privatwohnungen statt und wurden, obwohl der amerikanische Geheimdienst offenbar über solche Treffen informiert war, von den örtlichen Militärbehörden geduldet. Zu diesen Gruppen stießen bald weitere Parteimitglieder, die aus KZ-Haft und Emigration zurückkehrten. Häufig wurden hier die gleichen Personen aktiv, die auch schon in den Antifa-Ausschüssen oder Bürgerräten mitarbeiteten.
Am 2. September 1945 endlich ließen die Amerikaner die Bildung von politischen Parteien offiziell zu. Bei der Militärregierung durften nun Lizenzen beantragt und nach deren Erteilung reguläre Organisationen aufgebaut werden - vorerst aber nur auf Orts- und Kreisebene. Wie bei den Gewerkschaften galt auch hier das amerikanische Prinzip für den Aufbau der Demokratie: „Von unten nach oben". Zunächst sollten sich die Parteien auf lokaler Ebene bewähren, bevor die Militärregierung landesweite Parteiorganisationen zuließ.
Bereits nach kurzer Zeit bildete sich, von wenigen lokalen Varianten abgesehen, das überall in der Nachkriegszeit charakteristische Vierparteiensystem heraus. Neben den Arbeiterparteien SPD und KPD entstanden als neue bürgerliche Parteien CDU und LDP.
Die SPD konnte sich von Anfang an auf zahlreiche Funktionäre und Mitglieder aus der Weimarer Zeit stützen, die teilweise auch während der NS-Diktatur Kontakte untereinander aufrechterhalten hatten, was den organisatorischen Wiederaufbau erheblich erleichterte. Da viele Sozialdemokraten Gegner und Opfer des NS-Regimes waren, genossen sie von Anfang an das besondere Vertrauen der Amerikaner und wurden häufig in leitende Verwaltungspositionen eingesetzt. Programmatisch knüpfte die SPD an ihre frühere Tradition an: Die politischen Ziele hießen Demokratie und Rechtsstaat, wobei das Bekenntnis zum Sozialismus unterstrichen wurde. Zielgruppe war aber nicht nur die Arbeiterschaft, sondern auch das liberale Bürgertum.
Die KPD konnte ebenfalls auf ihre antifaschistische Vergangenheit und ihre Widerstandstätigkeit während der NS-Zeit verweisen. Auch die amerikanische Militärregierung behandelte die KPD als gleichberechtigten Partner in der demokratischen Parteienlandschaft und trat für ihre Beteiligung an der Regierung Geiler und in Kommunalverwaltungen ein. Bei den Wahlen im Jahr 1946 konnte die hessische KPD unter der Führung von KZ-Häftlingen und Westemigranten wie Leo Bauer zunehmende Erfolge erzielen, zumal sie die Rolle einer demokratisch-parlamentarischen Partei einnahm.
Zu wirklichen Neugründungen kam es hingegen im bürgerlichen Lager. Der Wiederaufbau des Zentrums als konfessionell gebundener Partei erschien selbst katholischen Kreisen nicht mehr zeitgemäß. So entstand die CDU als christliche Sammlungspartei beider Konfessionen. Ganz unterschiedliche Interessengruppen fanden hier ihre politische Heimat: Neben Vertretern wirtschaftsliberaler Ziele gehörten ihr Anhänger ausgesprochen sozialer oder gar sozialistischer Vorstellungen an. In den ersten Nachkriegsjahren übte der „Frankfurter Kreis", dem neben katholischen Gewerkschaftern Intellektuelle wie Eugen Kogon und Walter Dirks angehörten, programmatisch großen Einfluß auf die Partei in Hessen aus: Die „Frankfurter Leitsätze" der CDU formulierten das Konzept eines „Sozialismus aus christlicher Verantwortung", das Nachdruck auf soziale Fragen legte und unter anderem für eine Mitverantwortung der Arbeitnehmer und die Sozialisierung von Grundstoffindustrien eintrat. Eine - verglichen mit anderen CDU-Landesverbänden - „linke" Haltung war in der Nachkriegszeit charakteristisch für die von Werner Hilpert geführte hessische CDU: Sie wollte den Abbau der Konfrontation zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft und suchte die konstruktive Zusammenarbeit mit der SPD statt ideologischer Grabenkämpfe.
Politisch „rechts" von der CDU etablierte sich eine Sammlungsbewegung ganz anderen Typs: die Liberalde-mokratische Partei, Vorläuferin der späteren FDP. Zwar fanden sich in der LDP auch Vertreter linksliberaler Vorstellungen, besonders im Frankfurter Raum, aber nach der Wahl des Hersfelders Martin Euler zum Vorsitzenden setzten sich im Laufe des Jahres 1946 nationalkonservative Strömungen durch, welche vor allem in den nordhessischen Gruppierungen stark vertreten waren. Die LDP kritisierte scharf die rigorose Entnazifizierung, was ihr Sympathien bei den Betroffenen einbrachte. Darüber hinaus erteilte sie jeder Form von Planwirtschaft und Sozialisierung eine scharfe Absage. Mit ihrem Programm erreichte sie besonders das konservative Bürgertum, was ihr in den Nachkriegsjahren erhebliche Wahlerfolge bescherte.
Damit entwickelte sich in Hessen eine Parteienlandschaft, die sich von der Bayerns und Württemberg-Badens deutlich unterschied: Von Beginn an war die SPD hinsichtlich ihrer Mitgliederzahlen und ihrer Wahlergebnisse 1946 die stärkste politische Kraft. Die verhältnismäßig „linke" hessische CDU kooperierte mit den Sozialdemokraten, während die LDP wirtschaftsliberale Standpunkte betonte und die Rolle eines Auffangbeckens für konservative Wähler einnahm.
Am 2. September 1945 endlich ließen die Amerikaner die Bildung von politischen Parteien offiziell zu. Bei der Militärregierung durften nun Lizenzen beantragt und nach deren Erteilung reguläre Organisationen aufgebaut werden - vorerst aber nur auf Orts- und Kreisebene. Wie bei den Gewerkschaften galt auch hier das amerikanische Prinzip für den Aufbau der Demokratie: „Von unten nach oben". Zunächst sollten sich die Parteien auf lokaler Ebene bewähren, bevor die Militärregierung landesweite Parteiorganisationen zuließ.
Bereits nach kurzer Zeit bildete sich, von wenigen lokalen Varianten abgesehen, das überall in der Nachkriegszeit charakteristische Vierparteiensystem heraus. Neben den Arbeiterparteien SPD und KPD entstanden als neue bürgerliche Parteien CDU und LDP.
Die SPD konnte sich von Anfang an auf zahlreiche Funktionäre und Mitglieder aus der Weimarer Zeit stützen, die teilweise auch während der NS-Diktatur Kontakte untereinander aufrechterhalten hatten, was den organisatorischen Wiederaufbau erheblich erleichterte. Da viele Sozialdemokraten Gegner und Opfer des NS-Regimes waren, genossen sie von Anfang an das besondere Vertrauen der Amerikaner und wurden häufig in leitende Verwaltungspositionen eingesetzt. Programmatisch knüpfte die SPD an ihre frühere Tradition an: Die politischen Ziele hießen Demokratie und Rechtsstaat, wobei das Bekenntnis zum Sozialismus unterstrichen wurde. Zielgruppe war aber nicht nur die Arbeiterschaft, sondern auch das liberale Bürgertum.
Die KPD konnte ebenfalls auf ihre antifaschistische Vergangenheit und ihre Widerstandstätigkeit während der NS-Zeit verweisen. Auch die amerikanische Militärregierung behandelte die KPD als gleichberechtigten Partner in der demokratischen Parteienlandschaft und trat für ihre Beteiligung an der Regierung Geiler und in Kommunalverwaltungen ein. Bei den Wahlen im Jahr 1946 konnte die hessische KPD unter der Führung von KZ-Häftlingen und Westemigranten wie Leo Bauer zunehmende Erfolge erzielen, zumal sie die Rolle einer demokratisch-parlamentarischen Partei einnahm.
Zu wirklichen Neugründungen kam es hingegen im bürgerlichen Lager. Der Wiederaufbau des Zentrums als konfessionell gebundener Partei erschien selbst katholischen Kreisen nicht mehr zeitgemäß. So entstand die CDU als christliche Sammlungspartei beider Konfessionen. Ganz unterschiedliche Interessengruppen fanden hier ihre politische Heimat: Neben Vertretern wirtschaftsliberaler Ziele gehörten ihr Anhänger ausgesprochen sozialer oder gar sozialistischer Vorstellungen an. In den ersten Nachkriegsjahren übte der „Frankfurter Kreis", dem neben katholischen Gewerkschaftern Intellektuelle wie Eugen Kogon und Walter Dirks angehörten, programmatisch großen Einfluß auf die Partei in Hessen aus: Die „Frankfurter Leitsätze" der CDU formulierten das Konzept eines „Sozialismus aus christlicher Verantwortung", das Nachdruck auf soziale Fragen legte und unter anderem für eine Mitverantwortung der Arbeitnehmer und die Sozialisierung von Grundstoffindustrien eintrat. Eine - verglichen mit anderen CDU-Landesverbänden - „linke" Haltung war in der Nachkriegszeit charakteristisch für die von Werner Hilpert geführte hessische CDU: Sie wollte den Abbau der Konfrontation zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft und suchte die konstruktive Zusammenarbeit mit der SPD statt ideologischer Grabenkämpfe.
Politisch „rechts" von der CDU etablierte sich eine Sammlungsbewegung ganz anderen Typs: die Liberalde-mokratische Partei, Vorläuferin der späteren FDP. Zwar fanden sich in der LDP auch Vertreter linksliberaler Vorstellungen, besonders im Frankfurter Raum, aber nach der Wahl des Hersfelders Martin Euler zum Vorsitzenden setzten sich im Laufe des Jahres 1946 nationalkonservative Strömungen durch, welche vor allem in den nordhessischen Gruppierungen stark vertreten waren. Die LDP kritisierte scharf die rigorose Entnazifizierung, was ihr Sympathien bei den Betroffenen einbrachte. Darüber hinaus erteilte sie jeder Form von Planwirtschaft und Sozialisierung eine scharfe Absage. Mit ihrem Programm erreichte sie besonders das konservative Bürgertum, was ihr in den Nachkriegsjahren erhebliche Wahlerfolge bescherte.
Damit entwickelte sich in Hessen eine Parteienlandschaft, die sich von der Bayerns und Württemberg-Badens deutlich unterschied: Von Beginn an war die SPD hinsichtlich ihrer Mitgliederzahlen und ihrer Wahlergebnisse 1946 die stärkste politische Kraft. Die verhältnismäßig „linke" hessische CDU kooperierte mit den Sozialdemokraten, während die LDP wirtschaftsliberale Standpunkte betonte und die Rolle eines Auffangbeckens für konservative Wähler einnahm.
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