15. Auf dem Wege der Demokratie: 4.3. Kulturelles Leben und Medien
Nirgendwo sonst war der geistige Aufbruch nach der Befreiung vom NS-Regime so spürbar wie im kulturellen Leben. Obwohl Mangel und Not besonders den städtischen Alltag der ersten Nachkriegsjahre beherrschten, kam schon unmittelbar nach dem Einmarsch der Amerikaner durch Eigeninitiative inmitten der Trümmer der Kulturbetrieb wieder in Gang. Da Deutsche und Amerikaner in der Befreiung der Kultur von ihrer nationalsozialistischen Instrumentalisierung ein gemeinsames Ziel verfolgten, entwickelte sich schon bald eine konstruktive Zusammenarbeit. Darüber hinaus förderten die Amerikaner die Öffnung des Kulturbetriebes für die westliche Welt, die den Deutschen für lange Zeit nicht zugänglich gewesen war.
Wie in keinem anderen gesellschaftlichen Bereich wurde im Theater dem Gefühl der Befreiung vom Nationalsozialismus und dem Wiederaufbauwillen lebhaft Ausdruck verliehen. In Wiesbaden und Kassel beispielsweise gründeten die Ensembles der ehemaligen Staatstheater „Notgemeinschaften", um den Theaterbetrieb angesichts noch fehlender öffentlicher Budgets und trotz zerstörter oder beschlagnahmter Spielstätten so schnell wie möglich wieder aufzunehmen. In Ruinen und Behelfsquartieren wurden notdürftig die ersten Bühnen eingerichtet. Auf dem Programm standen zunächst Bunte Abende, Gesangs- oder konzertante Veranstaltungen. Karten waren oft nur gegen „Sachleistungen" wie Briketts und Brennholz zum Beheizen der provisorischen Spielstätten zu erwerben. Dennoch fanden die Vorstellungen ein begeistertes Publikum, boten sie doch für ein paar Stunden eine willkommene Ablenkung von den Alltagssorgen.
Die Überwachung des Kultur- und Medienbereiches durch die amerikanische Militärregierung beschränkte sich in der Regel auf die Wiedereinsetzung und Lizenzierung politisch unbelasteter Persönlichkeiten in verantwortungsvolle Positionen der Kulturverwaltung und der Kultureinrichtungen. Zwar bedurften so gut wie alle Veranstaltungen und Veröffentlichungen einer Genehmigung der Militärregierung, doch suchte diese eine inhaltliche Einflußnahme auf die Entfaltung des kulturellen Lebens im allgemeinen zu vermeiden. Ausnahmen bildeten allerdings Bühnenstücke, in denen eine Diktatur gerechtfertigt wurde, wie etwa Shakespeares Julius Caesar, oder gar Widerstand gegen eine Besatzungsmacht, wie in Goethes Egmont oder Schillers Wilhelm Tell.
Ein erfolgreiches Beispiel für den kulturellen Wiederaufbau ist Darmstadt. Im August 1945 nahm die städtische Kulturverwaltung ihre Arbeit auf. Dichterlesungen und Vorträge waren die ersten Angebote an das Publikum. Im Oktober wurde bereits die erste Kunstausstellung Südwestdeutschlands veranstaltet, eine weitere im Dezember zeigte „Befreite Kunst". Das Landestheater eröffnete im Winter 1945/46. Die viel beachteten, von nun an jährlichen „Internationalen Ferienkurse für neue Musik" fanden erstmals im August 1946 statt.
Neben der „ernsten" Kultur brachten aber auch populäre Unterhaltungsangebote eine willkommene Ablenkung und Zerstreuung. In Frankfurt verzeichnete der Zoo schon ab Juni 1945 wieder steigende Besucherzahlen, die ersten Lichtspielhäuser waren hier im Juli 1945 wieder in Betrieb. Selbst öffentliche Sportveranstaltungen wie Fußballspiele gab es seit Sommer 1945 wieder, aber sogar diese bedurften zunächst der Genehmigung durch die Militärbehörden.
Das besondere Augenmerk der Amerikaner im Rahmen des Reeducation-Programms galt der Jugend. Sie war lernfähig, ihr sollten die Ziele der Demokratie und des internationalen Friedens vermittelt werden. Bereits im Januar 1946 gab es in allen 4l hessischen Kreisen sogenannte „Jugend-Komitees" der Militärverwaltungen. Als ein erster Höhepunkt wurde im Mai 1946 in Frankfurt der „Tag der jungen Generation" begangen, der einen demokratischen Entwurf für die Zukunft Deutschlands hervorbringen sollte. Deutsche Jugendgruppen und -verbände schlössen sich den Aktivitäten an. In allen größeren Militärstandorten der amerikanischen Streitkräfte wurden bald German Youth Activities (GYA) Offices eingerichtet, die Sport, kulturelle und Bildungsaktivitäten anboten, später auch Workshops aller Art, Bibliotheken, Dikussions-Clubs und Sommer-Camps.
Für den Bereich der Universitäten, die ihren Betrieb 1946 überwiegend in Provisorien wieder aufgenommen hatten, schien die Ausweitung der internationalen Beziehungen das geeignete Mittel, die NS-Erbschaft der geistigen Isolation endgültig zu überwinden. Höhepunkte waren die internationale Sommerschule im September 1946 in Marburg mit Vorlesungen und Gesprächsrunden sowie die gleichzeitigen international besetzten Diskussionsveranstaltungen in Frankfurt. Mit Unterstützung der Militärregierung wurden die ersten Institute für Amerikakunde an den Universitäten Marburg und Frankfurt eingerichtet.
In der Erwachsenenbildung gab es seit 1946 ein reichhaltiges Angebot an Abendkursen, Diskussionsrunden und Vorträgen. Deutsch-amerikanische Frauenklubs wurden organisiert, ebenso Jugendparlamente und Bürgerforen. Deutsch-amerikanische Austauschprogramme richteten sich in erster Linie an Funktionsträger aus allen politischkulturell relevanten Bereichen.
Erste amerikanische Bibliotheken entstanden zunächst versuchsweise als einfache Leseräume im Juli 1945 in Bad Homburg und dann im November 1945 in Frankfurt. Die Frankfurter „Amerika-Bücherei" wurde im März 1946 als deutsch-amerikanische Begegnungsstätte, als erstes sogenanntes „Amerikahaus" ausgebaut. Weitere Amerikahäuser folgten 1946 in Darmstadt, Kassel und Marburg, 1947 in Wiesbaden und 1948 in Fulda und Gießen. Die Amerikahäuser öffneten nicht nur mit ihren Büchereien, sondern auch mit Filmvorführungen vor allem der Jugend eine Welt, die ihnen während der NS-Diktatur vorenthalten worden war.
Die entscheidende Rolle in dem amerikanischen Konzept für die Erziehung der Deutschen zur Demokratie spielten allerdings Presse und Rundfunk. Auch wenn die Nachrichtenkontrolle keineswegs zu den wichtigsten Aufgaben der amerikanischen Besatzungspolitik gehörte, so zeigen dennoch die hier schon früh vorgenommenen Weichenstellungen, welch hohen Rang sie dem Medienbereich zumaß. Gerade die Medien hatten vor 1945 fast total im Dienst der NS-Propaganda gestanden. Die amerikanische Militärregierung verbot daher als erstes das Erscheinen aller deutschen Zeitungen. Die Lücke, die durch diesen „black-out" entstand, füllten zunächst amerikanische Heeresgruppenzeitungen, wie z. B. die „Frankfurter Presse" und die „Hessische Post" in Kassel, die neben politischen Nachrichten vor allem die Anweisungen der Militärregierung der deutschen Bevölkerung zur Kenntnis brachten.
Aber schon im Sommer 1945 begann die amerikanische Militärregierung mit dem Aufbau einer völlig neuen deutschen Presse. Herausgeber und Chefredakteure wurden sorgfältig ausgewählt; Lizenzen erhielten nur Persönlichkeiten, deren demokratische Gesinnung über jeden Zweifel erhaben war. Ziel der Amerikaner war es, eine Presse mit überparteilichem Charakter zu schaffen. Daher berief die Militärregierung stets mehrere Herausgeber, die verschiedenen Parteien angehörten oder nahestanden. Parteizeitun-een wurden dagegen nicht gestattet. Infolgedessen war es auch den Arbeiterparteien nicht möglich, eine eigene Parteipresse aufzubauen, wie sie vor 1933 bestanden hatte.
Als erste deutsche Zeitung erschien am 1. August 1945 die „Frankfurter Rundschau". Die Herausgeber Arno Rudert, Emil Carlebach (beide Kommunisten), Otto Großmann (den Kommunisten nahestehend), Paul Rodemann, Wilhelm Knothe, Hans Etzkorn (alle SPD) und Wilhelm Gerst (ehemals Zentrum) waren von der Militärregierung teils nach politischer Unbedenklichkeit, teils nach journalistischer Erfahrung ausgewählt worden. Die Amerikaner machten die strikte Trennung von objektivem Bericht und subjektivem Kommentar zur Bedingung; allerdings durfte keine Besatzungsmacht, auch nicht die russische, kritisiert werden. Die Frankfurter Rundschau erschien in 415000 Exemplaren in Frankfurt und Umgebung, berechnet waren je ein Exemplar für fünf Leser in einem festen Verteilungsgebiet. Der Papiermangel erlaubte zunächst lediglich zwei Ausgaben wöchentlich. Weitere Lizenzierungen folgten bald: Mitte 1946 gab es insgesamt 10 hessische Zeitungen in Kassel, Fulda, Marburg, Darmstadt, Gießen, Wetzlar, Wiesbaden und Frankfurt.
Der Rundfunk blieb länger in der Hand der Amerikaner. Sie richteten im Juni 1945 eine erste Sendeanlage in Bad Nauheim ein. Bis zu diesem Zeitpunkt sendeten lediglich BBC und ABSIE (American Broadcasting System in Europe) sowie Radio Luxemburg. „Radio Frankfurt", wie der Bad Nauheimer Sender genannt wurde, brachte neben Musik Regionalnachrichten, Sendungen für Ausländer und zu festgelegten Zeiten Ankündigungen der Militärregierung. Schon nach wenigen Wochen wurde das Angebot an Unterhaltungs- und Bildungssendungen erweitert. Aber erst die verstärkte Beteiligung von deutschen Sprechern und das Angebot meinungsbildender Sendungen, wie die Kommentarserie „Eigenheiten der Demokratie" mit Dolf Sternberger, verbesserten die Attraktivität des Radios als Informationsmedium für die deutschen Hörer. Starkes Interesse fanden beispielsweise auch die Berichte über die Nürnberger Prozesse.
Nachdem der Vorläufer des heutigen Hessischen Rundfunks im Februar 1946 von Bad Nauheim nach Frankfurt übergesiedelt war, wurde am 1. Juni Eberhard Beckmann von der amerikanischen Militärregierung offiziell zum Intendanten ernannt. Gleichzeitig drängten die Amerikaner auf eine künftige Selbstverwaltung des „Hessischen Rundfunks"; die Epoche des Staatsrundfunks aus der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus ging zu Ende.
Die Amerikaner zogen sich nun immer mehr aus den Kontrollfunktionen zurück, verzichteten aber nicht auf Nutzung in ihrem Sinne. Sendungen wie „Die Stimme Amerikas" blieben noch lange vom Geist und den Zielen der demokratischen Umerziehung geprägt.
Der Einfluß der amerikanischen Umerziehungsbemühungen auf das politische und kulturelle Leben in Deutschland läßt sich zwar nicht in Zahlen messen, sollte jedoch nicht unterschätzt werden. Sicher ist, daß das Reeducationprogramm die Wiederbegegnung mit der westlichen Kultur gefördert hat, und zweifellos trugen die amerikanischen Aktivitäten auch zu einem unverkrampften Umgang zwischen amerikanischen Besatzern und deutscher Bevölkerung bei.
Wie in keinem anderen gesellschaftlichen Bereich wurde im Theater dem Gefühl der Befreiung vom Nationalsozialismus und dem Wiederaufbauwillen lebhaft Ausdruck verliehen. In Wiesbaden und Kassel beispielsweise gründeten die Ensembles der ehemaligen Staatstheater „Notgemeinschaften", um den Theaterbetrieb angesichts noch fehlender öffentlicher Budgets und trotz zerstörter oder beschlagnahmter Spielstätten so schnell wie möglich wieder aufzunehmen. In Ruinen und Behelfsquartieren wurden notdürftig die ersten Bühnen eingerichtet. Auf dem Programm standen zunächst Bunte Abende, Gesangs- oder konzertante Veranstaltungen. Karten waren oft nur gegen „Sachleistungen" wie Briketts und Brennholz zum Beheizen der provisorischen Spielstätten zu erwerben. Dennoch fanden die Vorstellungen ein begeistertes Publikum, boten sie doch für ein paar Stunden eine willkommene Ablenkung von den Alltagssorgen.
Die Überwachung des Kultur- und Medienbereiches durch die amerikanische Militärregierung beschränkte sich in der Regel auf die Wiedereinsetzung und Lizenzierung politisch unbelasteter Persönlichkeiten in verantwortungsvolle Positionen der Kulturverwaltung und der Kultureinrichtungen. Zwar bedurften so gut wie alle Veranstaltungen und Veröffentlichungen einer Genehmigung der Militärregierung, doch suchte diese eine inhaltliche Einflußnahme auf die Entfaltung des kulturellen Lebens im allgemeinen zu vermeiden. Ausnahmen bildeten allerdings Bühnenstücke, in denen eine Diktatur gerechtfertigt wurde, wie etwa Shakespeares Julius Caesar, oder gar Widerstand gegen eine Besatzungsmacht, wie in Goethes Egmont oder Schillers Wilhelm Tell.
Ein erfolgreiches Beispiel für den kulturellen Wiederaufbau ist Darmstadt. Im August 1945 nahm die städtische Kulturverwaltung ihre Arbeit auf. Dichterlesungen und Vorträge waren die ersten Angebote an das Publikum. Im Oktober wurde bereits die erste Kunstausstellung Südwestdeutschlands veranstaltet, eine weitere im Dezember zeigte „Befreite Kunst". Das Landestheater eröffnete im Winter 1945/46. Die viel beachteten, von nun an jährlichen „Internationalen Ferienkurse für neue Musik" fanden erstmals im August 1946 statt.
Neben der „ernsten" Kultur brachten aber auch populäre Unterhaltungsangebote eine willkommene Ablenkung und Zerstreuung. In Frankfurt verzeichnete der Zoo schon ab Juni 1945 wieder steigende Besucherzahlen, die ersten Lichtspielhäuser waren hier im Juli 1945 wieder in Betrieb. Selbst öffentliche Sportveranstaltungen wie Fußballspiele gab es seit Sommer 1945 wieder, aber sogar diese bedurften zunächst der Genehmigung durch die Militärbehörden.
Das besondere Augenmerk der Amerikaner im Rahmen des Reeducation-Programms galt der Jugend. Sie war lernfähig, ihr sollten die Ziele der Demokratie und des internationalen Friedens vermittelt werden. Bereits im Januar 1946 gab es in allen 4l hessischen Kreisen sogenannte „Jugend-Komitees" der Militärverwaltungen. Als ein erster Höhepunkt wurde im Mai 1946 in Frankfurt der „Tag der jungen Generation" begangen, der einen demokratischen Entwurf für die Zukunft Deutschlands hervorbringen sollte. Deutsche Jugendgruppen und -verbände schlössen sich den Aktivitäten an. In allen größeren Militärstandorten der amerikanischen Streitkräfte wurden bald German Youth Activities (GYA) Offices eingerichtet, die Sport, kulturelle und Bildungsaktivitäten anboten, später auch Workshops aller Art, Bibliotheken, Dikussions-Clubs und Sommer-Camps.
Für den Bereich der Universitäten, die ihren Betrieb 1946 überwiegend in Provisorien wieder aufgenommen hatten, schien die Ausweitung der internationalen Beziehungen das geeignete Mittel, die NS-Erbschaft der geistigen Isolation endgültig zu überwinden. Höhepunkte waren die internationale Sommerschule im September 1946 in Marburg mit Vorlesungen und Gesprächsrunden sowie die gleichzeitigen international besetzten Diskussionsveranstaltungen in Frankfurt. Mit Unterstützung der Militärregierung wurden die ersten Institute für Amerikakunde an den Universitäten Marburg und Frankfurt eingerichtet.
In der Erwachsenenbildung gab es seit 1946 ein reichhaltiges Angebot an Abendkursen, Diskussionsrunden und Vorträgen. Deutsch-amerikanische Frauenklubs wurden organisiert, ebenso Jugendparlamente und Bürgerforen. Deutsch-amerikanische Austauschprogramme richteten sich in erster Linie an Funktionsträger aus allen politischkulturell relevanten Bereichen.
Erste amerikanische Bibliotheken entstanden zunächst versuchsweise als einfache Leseräume im Juli 1945 in Bad Homburg und dann im November 1945 in Frankfurt. Die Frankfurter „Amerika-Bücherei" wurde im März 1946 als deutsch-amerikanische Begegnungsstätte, als erstes sogenanntes „Amerikahaus" ausgebaut. Weitere Amerikahäuser folgten 1946 in Darmstadt, Kassel und Marburg, 1947 in Wiesbaden und 1948 in Fulda und Gießen. Die Amerikahäuser öffneten nicht nur mit ihren Büchereien, sondern auch mit Filmvorführungen vor allem der Jugend eine Welt, die ihnen während der NS-Diktatur vorenthalten worden war.
Die entscheidende Rolle in dem amerikanischen Konzept für die Erziehung der Deutschen zur Demokratie spielten allerdings Presse und Rundfunk. Auch wenn die Nachrichtenkontrolle keineswegs zu den wichtigsten Aufgaben der amerikanischen Besatzungspolitik gehörte, so zeigen dennoch die hier schon früh vorgenommenen Weichenstellungen, welch hohen Rang sie dem Medienbereich zumaß. Gerade die Medien hatten vor 1945 fast total im Dienst der NS-Propaganda gestanden. Die amerikanische Militärregierung verbot daher als erstes das Erscheinen aller deutschen Zeitungen. Die Lücke, die durch diesen „black-out" entstand, füllten zunächst amerikanische Heeresgruppenzeitungen, wie z. B. die „Frankfurter Presse" und die „Hessische Post" in Kassel, die neben politischen Nachrichten vor allem die Anweisungen der Militärregierung der deutschen Bevölkerung zur Kenntnis brachten.
Aber schon im Sommer 1945 begann die amerikanische Militärregierung mit dem Aufbau einer völlig neuen deutschen Presse. Herausgeber und Chefredakteure wurden sorgfältig ausgewählt; Lizenzen erhielten nur Persönlichkeiten, deren demokratische Gesinnung über jeden Zweifel erhaben war. Ziel der Amerikaner war es, eine Presse mit überparteilichem Charakter zu schaffen. Daher berief die Militärregierung stets mehrere Herausgeber, die verschiedenen Parteien angehörten oder nahestanden. Parteizeitun-een wurden dagegen nicht gestattet. Infolgedessen war es auch den Arbeiterparteien nicht möglich, eine eigene Parteipresse aufzubauen, wie sie vor 1933 bestanden hatte.
Als erste deutsche Zeitung erschien am 1. August 1945 die „Frankfurter Rundschau". Die Herausgeber Arno Rudert, Emil Carlebach (beide Kommunisten), Otto Großmann (den Kommunisten nahestehend), Paul Rodemann, Wilhelm Knothe, Hans Etzkorn (alle SPD) und Wilhelm Gerst (ehemals Zentrum) waren von der Militärregierung teils nach politischer Unbedenklichkeit, teils nach journalistischer Erfahrung ausgewählt worden. Die Amerikaner machten die strikte Trennung von objektivem Bericht und subjektivem Kommentar zur Bedingung; allerdings durfte keine Besatzungsmacht, auch nicht die russische, kritisiert werden. Die Frankfurter Rundschau erschien in 415000 Exemplaren in Frankfurt und Umgebung, berechnet waren je ein Exemplar für fünf Leser in einem festen Verteilungsgebiet. Der Papiermangel erlaubte zunächst lediglich zwei Ausgaben wöchentlich. Weitere Lizenzierungen folgten bald: Mitte 1946 gab es insgesamt 10 hessische Zeitungen in Kassel, Fulda, Marburg, Darmstadt, Gießen, Wetzlar, Wiesbaden und Frankfurt.
Der Rundfunk blieb länger in der Hand der Amerikaner. Sie richteten im Juni 1945 eine erste Sendeanlage in Bad Nauheim ein. Bis zu diesem Zeitpunkt sendeten lediglich BBC und ABSIE (American Broadcasting System in Europe) sowie Radio Luxemburg. „Radio Frankfurt", wie der Bad Nauheimer Sender genannt wurde, brachte neben Musik Regionalnachrichten, Sendungen für Ausländer und zu festgelegten Zeiten Ankündigungen der Militärregierung. Schon nach wenigen Wochen wurde das Angebot an Unterhaltungs- und Bildungssendungen erweitert. Aber erst die verstärkte Beteiligung von deutschen Sprechern und das Angebot meinungsbildender Sendungen, wie die Kommentarserie „Eigenheiten der Demokratie" mit Dolf Sternberger, verbesserten die Attraktivität des Radios als Informationsmedium für die deutschen Hörer. Starkes Interesse fanden beispielsweise auch die Berichte über die Nürnberger Prozesse.
Nachdem der Vorläufer des heutigen Hessischen Rundfunks im Februar 1946 von Bad Nauheim nach Frankfurt übergesiedelt war, wurde am 1. Juni Eberhard Beckmann von der amerikanischen Militärregierung offiziell zum Intendanten ernannt. Gleichzeitig drängten die Amerikaner auf eine künftige Selbstverwaltung des „Hessischen Rundfunks"; die Epoche des Staatsrundfunks aus der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus ging zu Ende.
Die Amerikaner zogen sich nun immer mehr aus den Kontrollfunktionen zurück, verzichteten aber nicht auf Nutzung in ihrem Sinne. Sendungen wie „Die Stimme Amerikas" blieben noch lange vom Geist und den Zielen der demokratischen Umerziehung geprägt.
Der Einfluß der amerikanischen Umerziehungsbemühungen auf das politische und kulturelle Leben in Deutschland läßt sich zwar nicht in Zahlen messen, sollte jedoch nicht unterschätzt werden. Sicher ist, daß das Reeducationprogramm die Wiederbegegnung mit der westlichen Kultur gefördert hat, und zweifellos trugen die amerikanischen Aktivitäten auch zu einem unverkrampften Umgang zwischen amerikanischen Besatzern und deutscher Bevölkerung bei.
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