5. Zusammenstehen in der Not: 2.1. Demokraten übernehmen Verantwortung
In zwölf Jahren Hitler-Diktatur waren politische Gegner und Andersdenkende bespitzelt, in Zuchthäusern oder Konzentrationslagern interniert worden. Die restlose politische Gleichschaltung war dennoch nicht gelungen. Trotz der brutalen Unterdrückung standen in der ersten Stunde nach dem Zusammenbruch demokratische Politiker bereit, den Neuanfang zu wagen.
In den Arbeitervierteln der Großstädte bildeten sich gleich nach der amerikanischen Besetzung spontan Antifaschistische Ausschüsse. Einige dieser Ausschüsse hatten ihre Ursprünge in konspirativen Kreisen der NS-Zeit und bereiteten schon vor Kriegsende erste Maßnahmen für den Wiederaufbau vor. Den „Antifa-Ausschüssen" gehörten ehemalige Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Zentrumsleute und vor allem Kommunisten an, die häufig dominierten. Sie sahen ihre erste Aufgabe darin, die öffentliche Ordnung und die Versorgung zu sichern. Darüber hinaus bemühten sie sich, ehemalige Nationalsozialisten zu Aufräumarbeiten zu verpflichten und NS-Funktionäre dingfest zu machen.
Doch die amerikanischen Ortskommandeure waren gemäß der Direktive JCS 1067 vom April 1945 angewiesen, politische Aktivitäten von deutscher Seite nicht zu fördern. Um die öffentliche Ordnung und die notwendigste Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, setzte die amerikanische Besatzungsmacht ihrerseits auf die Zusammenarbeit mit deutschen Stadt- und Gemeindeverwaltungen. Daher wurden die Antifa-Ausschüsse im Laufe des Frühjahrs häufig verboten, vor allem, sobald sich Konflikte mit der örtlichen Verwaltung ergaben.
Schon in den ersten Tagen nach ihrer Ankunft hatten die örtlichen Militärverwaltungseinheiten begonnen, in Städten und Kreisen neue Landräte, Bürgermeister und leitende Verwaltungsbeamte einzusetzen. Hier entstand für demokratische Politiker und Verwaltungsfachleute das erste wichtige Tätigkeitsfeld nach dem Krieg. Die politisch verantwortlichen Posten sollten vor allem Persönlichkeiten übertragen werden, die in Opposition zum NS-Regime gestanden hatten. In vielen Fällen waren es Sozialdemokraten, aber ebenso Persönlichkeiten aus dem konservativchristlichen Lager und Kommunisten. Häufig standen ihre Namen auf sogenannten „weißen Listen", die amerikanische Stäbe auf Grund von Mitteilungen von Emigranten und Geheimdiensten bereits vor der Besetzung Deutschlands zusammengestellt hatten. In anderen Fällen mußten sich die amerikanischen Ortskommandanten auf den Rat vertrauenswürdiger Ansprechpartner wie Pfarrer oder Verfolgte des NS-Regimes verlassen, um geeignete Demokraten oder wenigstens unbelastete Persönlichkeiten als Bürgermeister oder Behördenleiter zu finden.
Während die Amerikaner als Oberbürgermeister der Großstädte sowohl frühere Sozialdemokraten als auch bürgerliche Politiker aus der Zeit der Weimarer Republik beriefen, dominierten an der Spitze der besonders einflußreichen Regierungspräsidien sozialdemokratische Persönlichkeiten. Als Regierungspräsidenten in Kassel setzten die Amerikaner im Frühjahr 1945 den Sozialdemokraten Fritz Hoch ein. Die Darmstädter Regierung übernahm der sozialdemokratische Professor Dr. Ludwig Bergsträsser; er war in der Weimarer Zeit Mitglied des Reichstags, später Mitarbeiter des Reichsarchivs und Dozent an der Universität Frankfurt. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung entlassen, hatte er Kontakte mit Widerstandskreisen gehalten. In Wiesbaden ernannten die Amerikaner zunächst den parteilosen Dr. Hans Bredow zum Regierungspräsidenten, den die Nazis 1933 als Reichsrundfunkkommissar aus dem Amt gedrängt hatten, das er in der Weimarer Republik bekleidet hatte. Bredow wurde im August 1945 von seinem Stellvertreter, dem Sozialdemokraten Martin Nischalke abgelöst, der aufgrund seiner Parteizugehörigkeit im Jahr 1933 als Schulrat entlassen worden war.
Aufgabe der neuen deutschen Verwaltungsspitzen war es zunächst, die Verantwortung für die Versorgung der Bevölkerung zu übernehmen, die hierzu notwendigen Verwaltungsgeschäfte wieder in Gang zu setzen und erste Aufräumarbeiten zu organisieren. Selbstverständlich mußten sie die Anweisungen der Amerikaner befolgen und gegenüber der zivilen Bevölkerung durchsetzen. In der Praxis zeigte sich aber, daß die amerikanischen Stellen auf die Mitarbeit der Deutschen angewiesen waren, so daß sich vielerorts rasch ein Klima der Kooperation entwickelte.
Bald erklärten sich die Amerikaner auch damit einverstanden, daß den Bürgermeistern und Landräten beratende „Bürgerräte" mit unbelasteten Persönlichkeiten zur Seite traten. Anders als bei den Antifa-Ausschüssen dominierten hier neben Vertretern der Arbeiterparteien häufig bürgerliche Politiker und Honoratioren. Zum Teil hatten sich derartige Bürgerräte aus ehemaligen Kommunalpolitikern unmittelbar nach der Besetzung als Aufbau-, Bürger-, Ordnungsausschuß oder Staatspolitischer Ausschuß spontan gebildet.
Da es noch keine gewählten Stadtverordnetenversammlungen gab, stellten sie ein Bindeglied zwischen Stadtverwaltung und Bürgern dar und ergriffen häufig die Initiative, um auf die Tätigkeit der kommunalen Verwaltungen Einfluß zu nehmen. Die örtlichen Militärregierungen erhofften sich von ihnen eine breitere Akzeptanz ihrer z.T. unpopulären Maßnahmen bei der Zivilbevölkerung, besonders in den kritischen Bereichen der Wohnraumaufteilung, der Entnazifizierung und der Versorgung. Die halboffizielle Anerkennung der Bürgerräte erleichterte es den Besatzungsoffizieren, unmittelbar Einfluß auf sie auszuüben. Entsprach ihre Politik nicht den Vorstellungen der amerikanischen Verantwortlichen, so konnten sie personell verändert oder gar aufgelöst und neu eingerichtet werden, wie das etwa in Marburg, Butzbach oder Bensheim geschah. Nachdem die Amerikaner aber Vertrauen zu der Arbeit der Bürgerräte gewonnen hatten, räumten sie ihnen ab Juli 1945 einen offiziellen Status ein.
In den Arbeitervierteln der Großstädte bildeten sich gleich nach der amerikanischen Besetzung spontan Antifaschistische Ausschüsse. Einige dieser Ausschüsse hatten ihre Ursprünge in konspirativen Kreisen der NS-Zeit und bereiteten schon vor Kriegsende erste Maßnahmen für den Wiederaufbau vor. Den „Antifa-Ausschüssen" gehörten ehemalige Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Zentrumsleute und vor allem Kommunisten an, die häufig dominierten. Sie sahen ihre erste Aufgabe darin, die öffentliche Ordnung und die Versorgung zu sichern. Darüber hinaus bemühten sie sich, ehemalige Nationalsozialisten zu Aufräumarbeiten zu verpflichten und NS-Funktionäre dingfest zu machen.
Doch die amerikanischen Ortskommandeure waren gemäß der Direktive JCS 1067 vom April 1945 angewiesen, politische Aktivitäten von deutscher Seite nicht zu fördern. Um die öffentliche Ordnung und die notwendigste Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, setzte die amerikanische Besatzungsmacht ihrerseits auf die Zusammenarbeit mit deutschen Stadt- und Gemeindeverwaltungen. Daher wurden die Antifa-Ausschüsse im Laufe des Frühjahrs häufig verboten, vor allem, sobald sich Konflikte mit der örtlichen Verwaltung ergaben.
Schon in den ersten Tagen nach ihrer Ankunft hatten die örtlichen Militärverwaltungseinheiten begonnen, in Städten und Kreisen neue Landräte, Bürgermeister und leitende Verwaltungsbeamte einzusetzen. Hier entstand für demokratische Politiker und Verwaltungsfachleute das erste wichtige Tätigkeitsfeld nach dem Krieg. Die politisch verantwortlichen Posten sollten vor allem Persönlichkeiten übertragen werden, die in Opposition zum NS-Regime gestanden hatten. In vielen Fällen waren es Sozialdemokraten, aber ebenso Persönlichkeiten aus dem konservativchristlichen Lager und Kommunisten. Häufig standen ihre Namen auf sogenannten „weißen Listen", die amerikanische Stäbe auf Grund von Mitteilungen von Emigranten und Geheimdiensten bereits vor der Besetzung Deutschlands zusammengestellt hatten. In anderen Fällen mußten sich die amerikanischen Ortskommandanten auf den Rat vertrauenswürdiger Ansprechpartner wie Pfarrer oder Verfolgte des NS-Regimes verlassen, um geeignete Demokraten oder wenigstens unbelastete Persönlichkeiten als Bürgermeister oder Behördenleiter zu finden.
Während die Amerikaner als Oberbürgermeister der Großstädte sowohl frühere Sozialdemokraten als auch bürgerliche Politiker aus der Zeit der Weimarer Republik beriefen, dominierten an der Spitze der besonders einflußreichen Regierungspräsidien sozialdemokratische Persönlichkeiten. Als Regierungspräsidenten in Kassel setzten die Amerikaner im Frühjahr 1945 den Sozialdemokraten Fritz Hoch ein. Die Darmstädter Regierung übernahm der sozialdemokratische Professor Dr. Ludwig Bergsträsser; er war in der Weimarer Zeit Mitglied des Reichstags, später Mitarbeiter des Reichsarchivs und Dozent an der Universität Frankfurt. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung entlassen, hatte er Kontakte mit Widerstandskreisen gehalten. In Wiesbaden ernannten die Amerikaner zunächst den parteilosen Dr. Hans Bredow zum Regierungspräsidenten, den die Nazis 1933 als Reichsrundfunkkommissar aus dem Amt gedrängt hatten, das er in der Weimarer Republik bekleidet hatte. Bredow wurde im August 1945 von seinem Stellvertreter, dem Sozialdemokraten Martin Nischalke abgelöst, der aufgrund seiner Parteizugehörigkeit im Jahr 1933 als Schulrat entlassen worden war.
Aufgabe der neuen deutschen Verwaltungsspitzen war es zunächst, die Verantwortung für die Versorgung der Bevölkerung zu übernehmen, die hierzu notwendigen Verwaltungsgeschäfte wieder in Gang zu setzen und erste Aufräumarbeiten zu organisieren. Selbstverständlich mußten sie die Anweisungen der Amerikaner befolgen und gegenüber der zivilen Bevölkerung durchsetzen. In der Praxis zeigte sich aber, daß die amerikanischen Stellen auf die Mitarbeit der Deutschen angewiesen waren, so daß sich vielerorts rasch ein Klima der Kooperation entwickelte.
Bald erklärten sich die Amerikaner auch damit einverstanden, daß den Bürgermeistern und Landräten beratende „Bürgerräte" mit unbelasteten Persönlichkeiten zur Seite traten. Anders als bei den Antifa-Ausschüssen dominierten hier neben Vertretern der Arbeiterparteien häufig bürgerliche Politiker und Honoratioren. Zum Teil hatten sich derartige Bürgerräte aus ehemaligen Kommunalpolitikern unmittelbar nach der Besetzung als Aufbau-, Bürger-, Ordnungsausschuß oder Staatspolitischer Ausschuß spontan gebildet.
Da es noch keine gewählten Stadtverordnetenversammlungen gab, stellten sie ein Bindeglied zwischen Stadtverwaltung und Bürgern dar und ergriffen häufig die Initiative, um auf die Tätigkeit der kommunalen Verwaltungen Einfluß zu nehmen. Die örtlichen Militärregierungen erhofften sich von ihnen eine breitere Akzeptanz ihrer z.T. unpopulären Maßnahmen bei der Zivilbevölkerung, besonders in den kritischen Bereichen der Wohnraumaufteilung, der Entnazifizierung und der Versorgung. Die halboffizielle Anerkennung der Bürgerräte erleichterte es den Besatzungsoffizieren, unmittelbar Einfluß auf sie auszuüben. Entsprach ihre Politik nicht den Vorstellungen der amerikanischen Verantwortlichen, so konnten sie personell verändert oder gar aufgelöst und neu eingerichtet werden, wie das etwa in Marburg, Butzbach oder Bensheim geschah. Nachdem die Amerikaner aber Vertrauen zu der Arbeit der Bürgerräte gewonnen hatten, räumten sie ihnen ab Juli 1945 einen offiziellen Status ein.
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