7. Handwerker und Zünfte
Arbeitsaufträge:
- Arbeiten Sie heraus, welche Aufnahmebedingungen die Zunftmeister formulieren.
- Nennen Sie die Regeln, die die Zunftmitglieder zu beachten haben.
- Überlegen Sie, was die Regeln und Aufnahmebedingungen für die Gemeinschaft zu bedeuten haben.
- Beschreiben Sie, welche Aufgaben die Zunft übernimmt.
- Die Wollenweber geben sich selbst eine Zunftordnung, nicht der Landgraf. Bewerten Sie dieses Vorgehen.
- Recherchieren Sie, welche mittelalterlichen Zünfte es in Marburg noch gegeben hat. Ein Blick in den Stadtplan kann Ihnen dabei helfen.
Erläuterungen:
Den weitaus größten Teil der Gesamtbevölkerung in Marburg bildeten die Handwerker. Viele von mussten zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes aber noch eine kleine Landwirtschaft unterhalten, da sie allein von ihrer handwerklichen Arbeit nicht leben konnten. Die Handwerksmeister waren in sogenannten Zünften zusammengeschlossen; für das Jahr 1414 sind zwölf davon für Marburg verzeichnet.
Die Wollenweber sind die wichtigste Zunft für das Marburger Wirtschaftsleben. Aus der Einleitung lässt erschließen, dass die meisten von ihnen in Weidenhausen, der Marburger Vorstadt, lebten. Sie stellen Tuch her, dessen Verbreitung sich bis nach Basel, München, Wien und Budapest sowie Krakau verfolgen lässt. Zweimal im Jahr wurden die Waren auf der Messe in Frankfurt – Fastenmesse und Herbstmesse – verkauft.
Die Tuchherstellung bestand aus mehreren Arbeitsgängen: So musste die rohe Wolle zuerst gewaschen und geschlagen, dann gekämmt und gesponnen werden. Das so entstandene Garn wurde zu einem Tuch verwebt. Im Anschluss daran wurde das Tuch gewaschen und gewalkt (verfilzt).
Aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsgänge waren in der Zunft mehrere Handwerkszweige vereinigt: Weber, Wollschläger, Kämmerinnen und Spinnerinnen, Färber und Walker.
Neben dem in der Quelle erwähnten Zunfthaus errichteten die Wollenweber 1560 ein zweites, noch erhaltenes Zunfthaus, was auf ein gewisses Vermögen hinweist. Das erste wurde 1891 jedoch beim Neubau der Weidenhäuser Brücke abgerissen. Ihre Waren verkauften die Zunftmitglieder in der unteren Etage des 1526 errichteten Rathauses.
Ihr Selbstbewusstsein, bedingt durch ihren Erfolg, drückten die Zunftmeister im Jahr 1365 damit aus, dass sie keine Bestätigung des Landgrafen für ihre Artikel vonnöten hielten.
Die Zunft war auch eine Gemeinschaft, die ihren Mitgliedern eine gewisse Lebenssicherheit bot – dem Artikel 3 ist zu entnehmen, dass in Not geratenen Handwerkern, also Berufsunfähigen, auch Alten und Witwen, eine materielle Absicherung zur Verfügung stand, für die, wie bei einer Art Versicherung, alle Mitglieder aufkamen. Auch die Kosten für ein Begräbnis übernahm die Zunft.
Die Artikel geben auch einen Eindruck über das Ausbildungsverhältnis zwischen Lehrling und Meister: Lehrlinge sich sollten neben dem Erlernen von handwerklichen Fähigkeiten ebenso ein „sittliches und soziales“ Verhalten aneignen. Die Lehrzeit von drei bis vier Jahren verbrachte der Lehrling in der Regel im Haus seines Lehrherren, im Anschluss daran begab er sich auf Wanderschaft, um bei anderen Meistern zu lernen. In den Zunftstuben wurden gemeinsame Feste gefeiert, wodurch alle Mitglieder einer Zunft das Gefühl von Zusammengehörigkeit entwickeln sollten.
Da die Zahl der Meister in einer Stadt begrenzt war, blieb oft nur die Möglichkeit, die Witwe eines Meisters zu heiraten, wie es auch in Artikel 2 heißt. Den Zünften kommt also in den Städten eine wirtschaftliche, gesellschaftliche und karitative Bedeutung zu.
Die Zünfte entschieden, wie viele Meister, Gesellen und Lehrlinge in einem Gewerbe arbeiten durften, so sollte gewährleistet sein, dass alle Mitglieder einen gleichmäßigen Wohlstand erhielten – die Frage, ob dieses Vorhaben in der Praxis immer Erfolg hatte, kann nur ungenau beantwortet werden. Ein Teil der Wollweberfamilien lebte vermutlich in recht bescheidenen Verhältnissen (S. 194 MG). Um dieses Ziel zu erreichen, betrieben sie gemeinsame Walkmühlen ab dem 15. Jahrhundert und Färbehäuser, zudem mussten sie einheitliche Verkaufspreise, Arbeitszeiten und Löhne festsetzen und überwachen. Auf diese Weise wurde jegliche Konkurrenz nach Innen, aber auch nach Außen unterbunden.
Man vermutet, dass ca. 10-20 % der Bevölkerung Marburgs am Gewerbe der Wollweber beteiligt war.
In der Stadtrechtsurkunde von 1311 wird das Verhältnis von Wollwebern und Tuchhändlern zueinander definiert. Wollwebern wird das „Schneiden“, der Verkauf ihrer hergestellten Tücher in kleinen Stücken, untersagt, während die Tuchhändler Tuch nicht selbstständig produzieren oder die Produktion in Auftrag geben dürfen. Hintergrund dieser Regelung war die Schaffung einer klaren Abgrenzung beider wirtschaftlicher Bereiche zueinander, die im Vorfeld offensichtlich des Öfteren miteinander vermischt worden waren. So sollten Streitigkeiten innerhalb der Stadt vermieden werden; auch galt es, die wirtschaftliche Existenz beider Gruppen zu sichern, da sie ein notwendiges Steuereinkommen für die Stadt darstellen.
Zur weiteren Anschauung kann der Zunftbrief der Marburger Lohgerber dienen.
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.