5. Religiöse Minderheiten: Der Umgang mit Juden in Marburg
Arbeitsaufträge:
- Arbeiten Sie heraus, welcher Arbeit die Juden nachgehen dürfen. Welchen Bestimmungen unterliegen sie dabei? Recherchieren Sie, welche Berufe sie nicht ausüben durften.
- Beurteilen Sie die Bedeutung dieser „Berufswahl“ für ihre Stellung in der Stadt.
- Erläutern Sie die Einstellung gegenüber den Juden, die im siebten und achten Artikel von Philipps Ordnung deutlich wird. Wodurch bestimmte er das religiöse Leben der Juden?
- Erklären Sie, worum es sich beim sog. "Schutzpfennig" (14. Artikel) handelt.
- Recherchieren Sie, wie viele Mitglieder die Jüdische Gemeinde Marburgs heute hat und wo sich ihre Synagoge befindet.
Erläuterungen:
Jüdische Einwohner hat es in der Stadt Marburg schon seit dem 13. Jh. gegeben, wie die Ausgrabung der mittelalterlichen Synagoge auf dem kleinen Platz am Schlosssteig beweist.
Erste schriftliche Nachweise liefert ein Kaufvertrag aus dem Jahr 1317, in dem die "Judenschule" in der damaligen Judengasse erwähnt wird. Das jüdische Gotteshaus, das auch als Versammlungsraum und Schule diente, da jüdische Kinder keine christlichen Schulen besuchen durften, wurde später abgebrochen. Der Grund dafür ist die vermutlich die Vertreibung der jüdischen Gemeinde aufgrund des Vorwurfs, am Ausbruch der von 1347-51 dauernden Pest mitschuldig gewesen zu sein. Steine der abgebrochenen Synagoge wurden 1452 zum Bau einer Mauer für die Kilianskapelle verwendet.
Wo genau Juden in Marburg wohnten, ist bis heute ungeklärt. Man geht jedoch davon aus, dass sie über das Stadtgebiet verteilt lebten und nicht in einem Getto angesiedelt waren. Die Gegend, in der die Synagoge stand - am Randgebiet der frühesten Bebauung - muss aber als "üble" Wohngegend betrachtet werden, lief doch eine offene Abflussrinne vom Schlossberg durch die Judengasse und das "Dreckloch", die Verbindungstreppe zwischen Wettergasse und Pilgrimstein, in die Lahn.
Wie groß die Anzahl der jüdischen Bürger tatsächlich war, ist ungewiss; Anfang des 14. Jahrhunderts überstieg sie jedoch kaum die Zahl von 7 Familien (ca. 30-40 Personen). Zwei Quellen aus der Zeit geben Aufschluss über eine ihre Tätigkeiten: den Handel mit Geld. Die Aufzeichnung aus dem Jahr 1335 zeigt, dass mehrere Juden aus der Stadt dem Landgrafen zu einer größeren Summe Geldes verholfen haben müssen, da sie dieses hier zurückerhalten. Aber auch als private Geldvermittler sind sie tätig geworden, wie die Quelle aus dem Jahr 1348 nachweist.
Die Familien hatten einen eigenen Friedhof - der entsprechend der jüdischen Vorschrift außerhalb der Stadtmauern lag (heute Georg-Voigt-Straße/Alter Kirchhainer Weg). Für die Judenschule musste die Gemeinde Abgaben zahlen.
Trotz der Vorurteile der Bürger scheinen sich im 16. Jahrhundert aber wieder einige Juden in Marburg angesiedelt zu haben; dies zeigt zumindest der Beschwerdeartikel 26. aus dem Jahr 1525. Philipp selbst hatte ein Jahr zuvor bereits ein Gesetz erlassen, in welchem er die Juden aus Marburg ausweisen wollte – Hintergrund dieser Anweisung waren neben religiösen Überlegungen im Zuge der Reformation sicherlich auch finanzielle, da die Verordnung wenig streng umgesetzt wurde und z.T. durch teurere Schutzgeldbriefe umgangen werden konnte. Philipp ändert im Laufe der nächsten Jahre seine Ansichten jedoch und fordert die Stadt auf, wieder einzelne Juden zuzulassen. Diese Praxis bedeutete in der Konsequenz auch, dass das Entstehen einer neuen jüdischen Gemeinde verhindert wurde.
In diesem Zusammenhang erließ der Landgraf durch die sog. "Judenordnung", das Leben der Juden in seiner Stadt zu regeln und diese zu "schützen".
Die Regeln bedeuteten jedoch große Einschränkungen: So verlangte er, wie in Artikel 1 zu sehen, Mitsprache bei der inhaltlichen Verbreitung der Talmudischen Lehre und beschränkte den Bau von Synagogen (Artikel 2).
Zudem legt er den Juden einen "Schutzpfennig" auf, den sie an ihn zu bezahlen hatten, damit er ihnen im "Notfall" Schutz bieten konnte. Nur sog. "Schutzjuden" erhielten die Berechtigung, in Marburg zu leben.
In der Quelle nicht erwähnt: Juden ist der Besitz von Grund und Boden verboten, sodass sie keine Landwirtschaft betreiben können. Auch als Handwerker konnten sie nicht arbeiten, da ihnen der Zutritt zu einer Zunft verwehrt war. So blieben Handel und kleinere Gewerbe als Tätigkeitsfelder, u.a. Vieh- oder auch Geldhandel, der jedoch streng überwacht wurde.
Trotz der Vorurteile der Bürger scheinen sich im 16. Jahrhundert aber wieder einige Juden in Marburg angesiedelt zu haben; dies zeigt zumindest der Beschwerdeartikel 26. aus dem Jahr 1525 und die Beschlüsse des Rates von 1540/41, in denen die Stadt festlegt, dass die Juden ihren Pflichten in der Stadt nachzukommen hatten; ihre Rechte aber wurden nur bedingt gewahrt: Die beiden in Marburg ansässigen Juden Liebmann und Gottschalk wollten 1540 nämlich die Stadt verlassen, da sie durch die Judenordnung Philipps und die Überwachung der Stadt ihre Rechte immer weiter beschnitten sah. Denn sie durften immer noch weder ein Stück Land noch ein Haus besitzen oder einer bürgerlichen Arbeit nachgehen; als Liebmann eine Weinstube in der Stadt eröffnen wollte, untersagte sie ihm mit dem Hinweis auf seine Person dieses Vorhaben. Daher scheinen beide mit Geld gehandelt zu haben; denn der Rat entscheidet nun, dass sie auf ihren Zins zu warten haben, bis ihnen die Bürger, denen sie Geld geliehen hatten, dieses zurückzahlen können. Neben dem sog. Schutzpfennig an den Landgrafen mussten sie zudem auch jährlich 8 Gulden an die Stadt bezahlen.
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