34. 4. Letzte Deportation: Theresienstadt 6. September 1942
Nach dem Ausfall des für den 3. September 1942 geplanten Wiener Theresienstadt-Transports mit der vorgesehenen Zugnummer »Da 510« fuhr der nächste Sonderzug unter der Zugnummer »Da 511« mit dem Ziel Theresienstadt erst am 7. September 1942 von Kassel ab. Das Sammellager für die in Kassel aus zahlreichen Orten eintreffenden älteren Juden aus dem Bezirk Kassel wurde wieder in der Turnhalle der Bürgerschulen an der Schillerstraße eingerichtet, die unweit des Hauptbahnhofs Kassel gelegen war.
Insgesamt befanden sich 755 Personen aus dem Regierungsbezirk Kassel in diesem Transport. Aus der Stadt Kassel selbst wurden 323 Bewohner der Altersheime Mombachstraße und Große Rosenstraße deportiert. Hinzu kamen Juden aus Fulda (73), Hanau (21) und Marburg (44) sowie aus den Landkreisen Eschwege (53), Frankenberg (21), Fritzlar-Homberg (19), Fulda (7), Gelnhausen (3), Hanau (57), Hersfeld (2), Hünfeld (22), Marburg (34), Melsungen (12), Rotenburg (13), Schlüchtern (14), Schmalkalden in Thüringen (8), Witzenhausen (15), Waldeck (1) und Ziegenhain (13).1 Für diese Transporte waren deshalb von der Staatspolizeistelle Kassel minutiös die Abfahrtszeiten in einer großen Zahl bestellter Sonderwagen oder reservierter Abteile aus 20 Ortschaften im nordhessischen Raum für den 5. September und aus weiteren 28 Ortschaften für den 6. September 1942 (Sonnabend und Sonntag) festgelegt worden. Die einzelnen Wohnsitze der deportierten älteren Juden aus dem Gebiet zwischen Hanau, Schlüchtern, Fulda, Hünfeld, Eschwege, Frankenberg (Eder), Marburg, Bebra, Melsungen, Fritzlar, Treysa und aus dem thüringischen Schmalkalden können hier nicht vollständig aufgeführt werden. Die insgesamt 48 Städte und Gemeinden umfassende Aufstellung war mit dem Hinweis versehen: »Diese Fahrpläne sind unbedingt verbindlich. Für genaue und pünktliche Einhaltung derselben bitte ich daher unter allen Umständen Sorge zu tragen. Den einzelnen Judentransporte sind je nach Notwendigkeit mindestens 1 oder mehrere Polizeibeamte als Begleitkommandos von den Abgangsbahnhöfen bis nach Kassel mitzugeben. Zweckmäßig ist fernerhin die Einsetzung einer jüdisch Transportleitung mit einer entsprechenden Anzahl jüdischer Ordner. Ich bitte, mit den zuständigen Dienststellen der Reichsbahn und den weiteren an der Juden-Evakuierung beteiligten Behörden unverzüglich in Verbindung zu treten.«2
Der Laufweg des Sonderzuges »Da 511« mit dem dritten »Judentransport« aus Kassel führte am 7. September 1942 über Bebra, Erfurt und Weimar zunächst nach Chemnitz. In der zuletzt genannten Stadt waren weitere 63 bis 90 Juden aus dem Südwesten Sachsens mit Plauen und Zwickau sowie Einzelpersonen aus Oelsnitz im Erzgebirge und aus Schmalkalden aufzunehmen.3 Eine derartige Verbindung der Gestapo-Bezirke Kassel und Chemnitz hatte bereits am 30. Mai 1942 bei dem Sonderzug »Da 57« zur Deportation von jüngeren Juden nach Lublin und Sobibor im Generalgouvernement bestanden. In Theresienstadt ist der Zug »Da 511« am nächsten Tag eingetroffen und als Transport »XV/l« verzeichnet worden. Es blieb der einzige »große« Transport von Kassel nach Theresienstadt. Daraus wurden 207 Personen schon im September und Oktober 1942 weiter nach Treblinka deportiert. Im Frühjahr 1943 überstellte man 87 und im Laufe des Jahres 1944 weitere 157 Insassen dieses Transportes nach Auschwitz. Nur 70 erlebten die Befreiung von Theresienstadt.
1 Vgl. Pfeifer und Kingreen, Hanauer Juden, S. 129; vgl. Kingreen, Verschleppung der Juden aus den Dörfern und Städten des Regierungsbezirks Kassel S. 232-236. Für Fulda vgl. Gerhard Renner, Joachim Schulz und Rudolf Zibuschka (Hrsg.), »... werden in Kürze anderweit untergebracht ... «. Das Schicksal der Fuldaer Juden im Nationalsozialismus, Fulda 1990, S. 140-145; zu Marburg vgl. Schreiben Landrat des Kreises Marburg/Lahn, an die Bürgermeister usw., betr. Evakuierung der dort wohnenden Juden, Az. Jd., vom 28. August 1942, gez. unleserlich. Hessisches Staatsarchiv Marburg. Faksimilierter Abdruck bei Rehme und Haase, Rumpf und Stumpf, Dokument Nr. 78, S. 169-170.
2 Staatspolizeistelle Kassel, an die Landräte usw., betr. Evakuierung von Juden nach Theresienstadt, Az. HB 4 - 5400/42 -, vom 28. August 1942, gez. Dr. Lüdecke. Staatsarchiv Marburg, 180/4380 LR Marburg. Faksimilierter Abdruck bei Kammler, Volksgemeinschaft und Volksfeinde, S. 269; desgl. bei Rehme und Haase, Rumpf und Stumpf, Dokument Nr. 77, S. 166-168; desgl. bei Helga Krohn und Helmut Usdörfer, Juden in Bergen-Enkheim (Reihe Juden in Frankfurter Vororten, Frankfurt am Main 1990, S. 64-68.
3 Vgl. Nitsche, Vertreibung und Ermordung der Chemnitzer Juden, S. 157-158.
Text nach: Gottwaldt / Schulle, Die "Judendeportationen" aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005, S. 321-323
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