Radestraße, Stresemannstraße, Hannah-Arend-Straße… Ob als Bestandteil einer Adresse oder für zufällige Passanten, Straßennamen begegnen uns alltäglich.
Tragen Sie Namen von bekannten Personen oder geschichtlichen Ereignissen, sind sie ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur, denn mit der Benennung einer Straße oder eines Platzes nach diesen Personen oder Ereignissen erfolgt deren öffentliche Ehrung. In ihnen spiegelt sich das Selbstverständnis der Menschen einer Stadt oder Gemeinde.
Werden Straßen oder Plätze umbenannt, zeigt sich darin ein Wandel der Mentalitäten und der Erinnerungspolitik. Wessen Name aus dem ehrenden Gedenken entfernt wird, ist auch in Marburg, wie in anderen Städten immer wieder Gegenstand von Diskussionen.
Spätestens seit dem Untergang des NS-Regimes 1945 sah sich Marburg konfrontiert mit der Frage, wie man mit „problematischen“ Straßennamen umgehen sollte. Die amerikanischen Besatzer benannten in den ersten Monaten nach dem Zweiten Weltkrieg viele Straßen und Plätze um. So wurde etwa aus dem „Adolf-Hitler-Platz“ rasch der Friedrichsplatz.
Aktuell steht die „Bismarckstraße“ im Südviertel in der Diskussion. Sollte man sie nicht umbenennen, wenn man die antidemokratische Innenpolitik des „Eisernen Kanzlers“ gegenüber Sozialdemokraten und Katholiken bedenkt oder die von ihm orchestrierte Reichsgründung 1871 mit „Blut und Eisen“? Macht man mit einer solchen Umbenennung Geschichte unsichtbar, oder ist sie gar moralisches Gebot?
An den teils hitzigen Debatten sieht man die Relevanz von Straßennamen für die öffentliche Erinnerungskultur. In den hier gesammelten Beiträgen haben Schülerinnen und Schüler des Grundkurses Geschichte in der Jahrgangsstufe 12 des Gymnasium Philippinum im Frühling 2022 die Geschichten vieler Straßen- und Platznamen recherchiert. Teilweise beziehen sie auch selbst Position. Ihre Beiträge zeigen, dass manche Straßen mehrere Male in der Geschichte ihren Namen wechselten.
Passanten finden nun an zahlreichen Straßenschildern im Stadtwald, in der Innenstadt und in der Nähe des Südbahnhofs Hinweisschilder mit QR-Codes, über die man auf diese Seiten gelangt. Marburg hat eine 800 Jahre alte Geschichte. Die Geschichten hinter den Straßennamen der Stadt beleuchten einen spannenden Ausschnitt davon.
Sarah Luckemeyer
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.