LUTHER und EUROPA. Wege der Reformation und der fürstliche Reformator Philipp von Hessen
Tafelausstellung des Hessischen Staatsarchivs Marburg, kuratiert von Justa Carrasco und Reinhard Neebe
Thematische Einführung in die Ausstellung
Die Reformation ist ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung - und was von ihr ausging ein Ereignis nicht nur von nationaler, sondern von europäischer, ja weltweiter Relevanz. So heißt es einleitend in den "Perspektiven für das Reformationsjubiläum 2017" des Wissenschaftlichen Beirats der EKD. In bemerkenswerten Kontrast dazu steht, dass der Fokus der Luther-Dekade bislang vor allem auf Wittenberg und den engeren Lebens- und Erfahrungshorizont des Reformators gerichtet wurde, während die vielgestaltige reformatorische Bewegung in ganz Europa noch kaum in den Blick genommen worden ist.
Die vorliegende Ausstellung Luther und Europa versucht, die Perspektive zu erweitern und nach den europäischen Dimensionen der Reformation und ihrer Hauptakteure zu fragen. Es geht ihr zunächst um den historischen Ausgangspunkt der Reformation, ihre Auswirkungen auf die Menschen und ihren Glauben, die reformatorischen Bekenntnisse und ihre weitere Entwicklung im politisch-historischen Rahmen. Mit Blick auf die "Anderen" wird die Frage gestellt, inwieweit die von Luther postulierte Freiheit eines Christenmenschen mit dem, was wir heute unter Glaubens- und Gewissensfreiheit verstehen, in Zusammenhang zu bringen ist.
Aus europäischer Sicht zeigt sich, dass neben Wittenberg auch andere Reformationszentren von Bedeutung sind, ohne die die Ausbreitung des neuen Glaubens in Europa und darüber hinaus nicht denkbar gewesen wäre: Diese Zentren sind insbesondere Zürich und Genf mit den Schweizer Reformatoren Zwingli und Calvin.
Vor dem Hintergrund der in unterschiedliche Glaubensrichtungen "gespaltenen Reformation" rückt zugleich als weiteres Kernland der Reformation die Landgrafschaft Hessen in den Fokus: Der fürstliche Reformator Landgraf Philipp von Hessen führt nicht nur als einer der ersten den neuen evangelischen Glauben in seinem Lande ein, sondern agiert - weit über das Marburger Religionsgespräch von 1529 hinaus - als europäischer Mittler und zentraler "European Player" im Reformationszeitalter. Außenpolitisch handelt der hessische Landgraf im Netzwerk seiner Korrespondenzen und Begegnungen mit den wichtigsten europäischen Herrschern und den führenden Reformatoren seiner Zeit. Wie kein anderer versucht Philipp von Hessen, die Spaltung der europäischen Reformationsbewegung zu überwinden und ihre Verbreitung in ganz Europa zu unterstützen. Manche seiner europäischen Visionen bleiben freilich Utopie.
In einem weiteren zentralen Ausstellungsteil wird danach gefragt, wie und unter welchen Bedingungen sich Reformation in den verschiedenen Regionen Europas ausgebreitet hat - wo sie Erfolg hatte oder auch letztlich gescheitert ist. Einzelne Thementafeln zu den unterschiedlichen Entwicklungen in Nordost- und Südosteuropa, England, Schottland und Skandinavien, Frankreich, Spanien und den Niederlanden sollen zu einem Vergleich und der Frage nach den jeweiligen Ursachen anregen.
Am Schluss der Ausstellung steht ein Ausblick auf den Augsburger Religionsfrieden und das Konfessionelle Zeitalter: Mit Augsburg 1555 endet das Reformationszeitalter in Deutschland. Die Koexistenz von zwei Konfessionen ist damit anerkannt, aber das Ziel der konfessionellen Toleranz noch nicht erreicht.
Didaktisches Konzept der erweiterten Online-Version bei DigAM
Die vorliegende Online-Version der Ausstellung "Luther und Europa" präsentiert die Kerninhalte der Tafeln sowie weiterführende Texte und Materialien des Begleitbuches (s.u.) - stellt darüber hinaus aber umfängliche vertiefende Quellen und Dokumente bereit: Was auf den Tafeln und auch im Ausstellungskatalog nur kurz angerissen werden kann, wird in der Internetfassung bei DigAM ausführlich dokumentiert: Zahlreiche Schlüsseldokumente der Darstellung/Präsentation werden vollständig wiedergegeben - und wo möglich, sowohl als Originaldigitalisat als auch in transkribierter Form.
Dazu gehören z.B. die vollständige Abbildung des Protokolls des Marburger Religionsgesprächs 1529, die ungekürzte Wiedergabe der Juden- und Türkenschriften Martin Luthers oder auch seiner reformatorischen Hauptschriften. Dem thematischen Fokus der Ausstellung folgend, werden ferner wichtige Materialien zum Wirken des fürstlichen Reformators Landgraf Philipp von Hessen online präsentiert - und zugleich der gesamteuropäische Kontext der Reformationsgeschichte in zentralen, gleichwohl oft nach wie vor abgelegenen Quellen ausgeleuchtet.
Zahlreiche dieser Materialien, die in unmittelbarem Kontext mit den im Katalog oder auf den Tafeln angesprochenen Ereignissen stehen, werden in der vorliegenden DigAM-Ausstellung erstmals online zugänglich gemacht. Mit diesem Angebot eröffnet sich die Möglichkeit zur vertiefenden Erschließung der verschiedenen Themenkomplexe des Reformationsgeschehens - nicht zuletzt als Grundlage eigenständiger Urteilsbildung und Bewertung.
Für Schule und Unterricht bietet sich eine arbeitsteiligen Vorgehensweise sowohl in Einzel- als auch Gruppenarbeit an, die dem DigAM zugrunde liegenden wissenschaftspropädeutischen Ansatz folgt. Unterrichtsbegleitendes Material als vierte Säule - neben der Tafelausstellung, dem gedruckten Ausstellungskatalog sowie der vorliegenden Internetpräsentration bei DigAM - erschließt einen weiteren, explizit auf Schülerinnen und Schüler ausgerichteten didaktischen Zugang: Die Arbeitsblätter für Schule und Unterricht (s.u.) liegen als spezifisches Lernangebot für den Schulunterricht seit 2016/17 vor.
Begleitbuch zur Ausstellung
Justa Carrasco und Reinhard Neebe, Luther und Europa. Wege der Reformation und der fürstliche Reformator Philipp von Hessen. Schriften des Hessischen Staatsarchivs Marburg Bd. 30, Marburg 2015 (Nachdruck 2016)
Arbeitsblätter
Justa Carrasco und Reinhard Neebe, Luther und Europa. Arbeitsblätter für Schule und Unterricht. Schriften des Hessischen Staatsarchivs Marburg Bd. 33, Marburg 2016
Beide Publikationen sind über das Hessische Staatsarchiv Marburg oder auch im Buchhandel erhältlich
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.