Marburg 1945/46
Ausgewählte Quellen zur Situation in Marburg
nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes 1945/46
Herausgegeben von Hans-Joachim Kraschewski,
Lorenz Rothe, Fried Eckart Seier
Digitale Version erstellt von Reinhard Neebe unter Mitarbeit von Frithjof Klös
In seinem Buch "Eine deutsche Stadt unter amerikanischer Besatzung" hat der amerikanische Historiker John Gimbel eine detaillierte Untersuchung über die Situation in Deutschland 1945/46 am Beispiel Marburgs vorgelegt. Umfangreich eruiertes Quellenmaterial bildet auch die Grundlage für den Aufsatz desselben Autors, "Marburg nach dem Zusammenbruch 1945".[i]
In beiden Arbeiten verzichtet der Verfasser auf die Wiedergabe von Zeugnissen und Dokumenten, die er einer sorgfältigen Analyse unterzogen hat. Das Buch nennt in einem Anhang die Fundstellen der einschlägigen Materialien, in dem Aufsatz fehlt ein solcher Hinweis. Deshalb scheint es in diesem Zusammenhang sinnvoll, ergänzend eine Quellenauswahl vorzulegen.
Die hier abgedruckte Sammlung erfolgt unter doppeltem Gesichtspunkt: Einmal dient sie der Anschaulichkeit durch Vermittlung historischer Details und Probleme, andererseits der lokalen und zeitlichen Differenzierung dessen, was bei John Gimbel zur Marburger Situation 1945/46 bereits ausgeführt ist. Denn Gimbels Sicht der Ereignisse ist - wie jede geschichtliche Darstellung - standortgebunden und abhängig auch von der zeitlichen Nähe zu den Vorgängen, die er z. T. selbst erlebt hat. Zeitliche Distanz und kritisch reflektierter Standpunkt können aber veränderte Anschauungen und neue Blickwinkel der Analyse ermöglichen. Dazu beizutragen, war unser Hauptanliegen.
Die Quellen, die wir auswählten, berücksichtigen die Geschichte der politischen Institutionen, Strukturen und Entscheidungen. Es geht uns um die lokale politische Geschichte der Jahre 1945/46 auf ihrer institutionellen Grundlage, nicht in deren Totalität, sondern in einem Ausschnitt der historischen Ereignisse. Insofern haben wir die Auswahl in drei Abschnitte eingeteilt, obwohl es für das 1. Kapitel (Staatspolitischer Ausschuß) Gliederungskriterien gegeben hätte. Das wäre aber zu Lasten der Absicht gegangen, Tätigkeit und Wirksamkeit dieses Organs in einer gewissen Breite und Vielfalt darzustellen.
Die im 2. Kapitel (Entnazifizierung) vorgelegten Zeugnisse sollen die enge Verflechtung von politischer Struktur und Entscheidung verdeutlichen, d. h. von amerikanischem Faschismusbild und Maßnahmen gegenüber der deutschen Bevölkerung. Dies läßt sich insofern anhand der personellen Entnazifizierung darstellen, als die USA glaubten, mit diesem Programm die nach Auflösung der nationalsozialistischen und militärischen Organisationen noch vorhandenen Elemente des deutschen Nationalsozialismus zu vernichten.[ii]
Die gleiche Absicht - Darstellung der Praxis amerikanischer Besatzungspolitik - verfolgt auch das 3. Kapitel (Materielle Probleme), in dem einige Probleme des Alltags von 1945/46 in ihrer Unmittelbarkeit gezeigt werden sollen. Solche Bezüge, wie sie hier einige wenige willkürliche Beispiele verdeutlichen, ließen sich beliebig erweitern. Es kam uns jedoch auf den einführenden und exemplarischen Charakter dieser Hinweise an.
Bei der Auswahl der Quellen haben wir genaue und möglichst umfassende Texte bevorzugt, auch wenn diese trocken und spröde in ihrer Darbietung sind. Andererseits sollen die Texte lesbar sein, auch wenn dadurch eine gewisse Einbuße an Detailinformation oder Allgemeingültigkeit hinzunehmen ist.
Die ausgewählten Dokumente berücksichtigen vor allem die deutsche Situation, sei es als Reaktion auf Entscheidungen der Besatzungsmacht, sei es als Initiative zu demokratischer Neugestaltung. Amerikanische Quellen bleiben weitgehend unberücksichtigt, zumal das gesamte Material der einzelnen Detachements ab 1952 in die USA verbracht wurde,[iii] wo Gimbel Ende der Fünfziger Jahre einen Teil bearbeiten konnte.
Die Quellen stammen hauptsächlich aus dem Magistratsarchiv Marburg (Rathaus), aus Privatbesitz (Bauer-Papiere, Sammlung Krusch) und aus dem Hessischen Staatsarchiv Marburg (u. a. der Nachlaß Jakob Römer). Nicht mehr aufzufinden waren folgende bei Gimbel angeführten Unterlagen: der Nachlaß von Schulrat Ludwig Mütze (von ihm selbst - lt. Aussage seiner Ehefrau - vor seinem Tod vernichtet) und die Hartshorne-Papers (im hiesigen Amerikahaus nicht mehr vorhanden, lt. Auskunft von Archivrätin Dr. Krüger-Löwenstein ebenfalls in die USA verbracht). Für freundliche Hilfe bei der Sucharbeit danken wir Erhart Dettmering (Magistrat der Stadt Marburg) sowie Hermann Bauer.
[i] John GIMBEL: A German Community under American Occupation. Marburg 1945-1952, Stanford (Cal.) 1961; dt. Ausgabe: Eine deutsche Stadt unter amerikanischer Besatzung. Marburg 1945-1952, Köln/Berlin 1964; DERS., Marburg nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes, in: Marburger Geschichte, hg. von Erhart Dettmering u.Rudolf Grenz, Marburg 1980, S. 655-676
[ii] Vgl. dazu J. FÜRSTENAU, Entnazifizierung, Neuwied 1969, S. 73 ff.
[iii] Vgl. hierzu J. J. HASTINGS, Die Akten des Office of Miltary Government for Germany (NS), in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 24 (1976), S. 75.
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.