4. Urteilsfindung - Umsetzung und Folgen
Die entscheidende Voraussetzung für eine Verurteilung war das Geständnis. Lediglich in gut einem Fünftel der Fälle in Oberhessen wurde für die Erlangung eines Geständnisses die Folter angewendet: ein Drittel der Verhörten verweigerten während der peinlichen Befragung ein Geständnis. Bei schwierigen Fällen von Hexerei wurden zusätzlich zu der Zeugenbefragung und dem Geständnis Gutachten der juristischen Fakultäten von Universitäten eingeholt. Die Grundlage hierfür boten Artikel 219 der »Carolina« und der identische Artikel 50 der hessischen Halsgerichtsordnung. Dazu erhielten die Juristen Akteneinsicht und mussten jeden Fall einzeln bewerten. Damit war ein zusätzliches Kontrollinstrument für einen rechtskonformen Verfahrensablauf geschaffen worden, das in Oberhessen konsequent bei allen Strafverfahren eingehalten wurde. Der Großteil der juristischen Gutachten kam von der Marburger Universität, bisweilen wurden aber auch auswärtige juristische Fakultäten in Anspruch genommen, was dennoch nicht auf ein Misstrauen gegenüber den Marburger Juristen zurück zu führen ist. Diese genossen nämlich einen angesehenen Ruf im Reich, denn sie arbeiteten gewissenhaft und begründeten ihre Urteile detailliert, was nicht bei allen Universitäten der Fall war. Oft empfahlen die Gutachten die Anwendung der Folter, um ein bisher nicht erlangtes Geständnis doch noch zu erhalten.
Bevor jedoch die Folter angewandt wurde, erfolgte zunächst eine Hexenprobe, die Suche nach einem Teufelsmal oder die gängigere Methode, die Wasserprobe. Dabei wurden die Verdächtigen an Händen und Füßen gefesselt und an ein Seil gebunden, an dem sie ins Wasser gelassen wurden. Schwamm die verdächtige Person oben, galt sie als Hexe, da sie für den Hexenflug ein leichtes Gewicht brauchte und das Wasser als reines Element sie nicht aufnahm. Versank die Person jedoch im Wasser, galt dies als Unschuldsbeweis, und sie wurde wieder herausgeholt. Während in Niederhessen und Waldeck die Wasserprobe gängiges Indiz für die Überführung von Hexen war, ist sie in Oberhessen nicht nachzuweisen, auch wenn einige Angeklagte oder auch Amtskläger darum ersuchten.
Kam es zu einem Geständnis und einem daraus folgenden Urteil, wurde dem Landesherrn das Todesurteil samt der Prozessakte zur Überprüfung zugeschickt. Erst nach der landesherrlichen Bestätigung konnte das Urteil vollstreckt werden. Nun folgte der endliche Rechtstag, auf dem das Urteil verkündet und die Urgicht, das Geständnis der der Hexerei bezichtigten Person, öffentlich vorgetragen wurde. Das Urteil, auf Hexerei stand der Feuertod, wurde sodann vollstreckt. Oft wurde den Verurteilten vom Landesherrn die Gnade der Hinrichtung mit dem Schwert zuteil und nur der Leichnam verbrannt. Während im 16. Jahrhundert hessische Landesherren durchaus noch zur Mäßigung in der Hexenverfolgung mahnten, ist das 17. Jahrhundert von verstärkten Verfolgungen gekennzeichnet, und erst am Ende dieses Zeitalters mahnten die Landesherren unter anderen Vorzeichen zur Zurückhaltung mit Blick auf Folter wie Todesurteile.
Die Todesstrafe war die drastischste Form der Bestrafung, daneben gab es andere: Wurde bei fehlendem Geständnis der Hexerei nur die Zauberei nachgewiesen, erfolgte in der Regel ein Landesverweis. Auch wenn Hexen den Prozess überlebten, hatten sie unter schweren Folgen zu leiden, denn durch die Folter wurden sie körperlich dauerhaft geschädigt. Hinzu kam Ehrlosigkeit aufgrund des Kontakts mit dem Scharfrichter, was einem Ausschluss aus der Gemeinschaft und sozialer Isolation gleichkam. Die ausgewiesenen Personen mussten sich oft bitterarm und körperlich versehrt in der Fremde zurechtfinden, erfuhren also einen tiefgreifenden sozialen Abstieg.
Die Hinterbliebenen der Hingerichteten litten nicht nur unter dem Verlust des Familienmitgliedes, sondern auch unter der Begleichung der angefallenen Gerichtskosten, die zu Lasten der nachgelassenen Verwandten gingen. Die hierdurch entstandenen Schulden belasteten diese oft noch Jahre nach der Hinrichtung.
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