3. "Ich bin keine Zaubersche" - Hexerei vor Gericht
Am Anfang eines jeden Prozesses wegen Zauberei stand ein Gerücht, das den weltlichen Behörden als Verdacht von Hexerei angezeigt wurde. Nun waren sie rechtlich dazu verpflichtet, den Fall zu untersuchen (lat. inquirire). Lag kein hinreichender Verdacht vor, wurde man nicht aktiv, war er hinreichend, wurde ein Prozess eröffnet. Nach der »Carolina« konnten eine Straftat entweder zwei »gute Zeugen« beweisen, oder der oder die Angeklagte gestand die Tat. Da es für Hexerei keine »rechtschaffenen« Augenzeugen geben konnte, weil nur Mitglieder der Hexensekte selbst beim Hexensabbat andere Hexen gesehen haben konnten, wurde dem Geständnis großes Gewicht beigemessen. Alle wegen Zauberei oder Hexerei Verurteilten hatten ihre Taten gestanden. Die Geständnisse wurden durch Verhöre und Befragungen herbeigeführt, meist durch die Anwendung des »peinlichen Verhörs«, also der Tortur oder Folter, welches ein gängiges Mittel der Beweisfindung in Kriminalprozessen der Frühen Neuzeit war.
Nach der Verhaftung einer der Zauberei verdächtigten Person wurde diese zunächst »auff’s Schloss« ins Gefängnis gebracht, das sich in dem heute als »Hexenturm« bekannten ehemaligen Verteidigungsturm befand. Anschließend wurde sie verhört sowie mehrere Zeugen befragt, um den angezeigten Verdacht zu erhärten. Alle Aussagen wurden genau durch den Gerichtsschreiber protokolliert. Wo die Verhöre in Marburg stattfanden, ist nicht ganz klar, zeitweilig wurden sie im kleinen Sitzungssaal des Rathauses geführt. An dem Prozess am peinlichen Halsgericht waren neben den Richtern, Schöffen und Gerichtsschreibern auch der »Fiskal« als der peinliche Amtsankläger und der »Defensor« als Verteidiger beteiligt. Auch der später das Urteil ausführende Scharfrichter war bei den Befragungen dabei, wendete bei der peinlichen Befragung die Folter an und führte die Hexenprobe durch, die Suche nach einem Hexenmal. Dabei spürte er ein körperliches Zeichen auf, in das er mit einer Nadel hineinstach. Floss kein Blut, war dies der Beweis für ein »stigma diabolicum«, ein Teufelsmal, das in der Realität meist eine Warze oder ein Muttermal war. Weitere Kennzeichen, an denen Hexen erkannt werden konnten, waren Tränen losigkeit bei der Folter oder fehlende Haare unter den Achseln. Nur selten wurden die Angeklagten durch ein negatives Ergebnis der Hexenprobe von der Folter verschont. Führte die Hexenprobe zu einem positiven Ergebnis und befürworteten die juristischen Gutachten die Folter, wurde diese angewendet. Eine weitere Methode, die bisweilen genutzt wurde, um Hexen zu überführen, war das sogenannte Sackschlagen. Dabei schlug ein Hexenmeister auf einen leeren Sack, wodurch der Hexe Schmerzen und blaue Flecke zugefügt werden sollten. Allerdings stand diese Art der Hexenprobe unter Strafe, da Aussagen von Zauberern nicht zu gelassen waren. Dennoch wurden sie aufgrund des Ausnahmeverfahrens, das ein Hexenprozess darstellte, immer wieder durchgeführt. Eine verdächtige Person konnte durch lautes Vorbeten des Vaterunsers während der Folter die Unschuld beweisen. Die Hexenprobe war lediglich ein Indiz und nicht ein juristisch zwingend erforderliches Element des Verhörs, das gar nicht oder erst während der Folter angewendet wurde.
Bei der peinlichen Befragung mithilfe der Folter wurden die Gliedmaßen gequetscht. Sie begann mit den Daumenschrauben, auf die der spanische Stiefel folgte. Durch diese Beinschraube drang eine Spitze in die Wade, während gleichzeitig von vorne das Schienbein zerdrückt wurde. Bewirkten diese Torturen noch kein Geständnis, wurden die Hände auf den Rücken gebunden und über einen Strick bis zur Decke gezogen, hierbei wurden in der Regel die Gelenke ausgerenkt. Beim sogenannten »Schnellen« wurde das Seil losgelassen und kurz bevor die gefolterte Person den Boden berührte, wieder angezogen. Durch an die Füße gehängte Gewichte konnten die Schmerzen noch verstärkt werden. Schläge mit einer Rute waren eine vergleichsweise harmlose Form der Gewalt. Streckbank und Wasserprobe waren weitere Foltermethoden, die aber regional unterschiedlich Anwendung fanden. Im Allgemeinen wurde die Folter im hessischen Raum nicht regelmäßig, sondern als extremstes Mittel der Wahrheitsfindung eingesetzt. Sie sollte nur einmal angewendet werden und offiziell nur eine Stunde dauern, in der Praxis konnte sie aber durchaus länger zugefügt werden.
Wurde kein Geständnis erzielt, setzte man die Folter eine längere Zeit, mitunter einige Tage bis Wochen aus, womit das Gebot, nur einmal zu foltern, scheinbar eingehalten, aber faktisch umgangen wurde. Die Glaubwürdigkeit der während der Folter erwirkten Geständnisse kritisierten schon zeitgenössische Juristen. So sagten viele derart Gequälte aus, sie hätten nur gestanden, um den unerträglichen Schmerzen der Folter zu entgehen.
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