16. Die Züricher und Genfer Reformation: Zwingli, Bullinger und Calvin
Tafel 16: Die Züricher und Genfer Reformation: Zwingli, Bullinger und Calvin
Wittenberg ist nicht der alleinige und früheste Ausgangspunkt der Reformation, sondern daneben hat es andere, davon unabhängige Zentren gegeben. Dazu gehört insbesondere Zürich in der Schweizer Eidgenossenschaft. Während Wittenberg das Modell einer vom Landesherren bestimmten Fürstenreformation ist, steht Zürich für eine autonome städtische Reformation, getragen von einem wirtschaftlich und politisch leistungsfähigen Bürgertum. Zentralfigur der Schweizer Reformation ist der vom Humanismus geprägte Huldrych Zwingli (1484-1531), der Erasmus persönlich begegnet und von diesem maßgeblich beeinflusst ist. Zwingli hat stets betont, dass er unabhängig von Luther und schon vor ihm zum Evangelium gekommen sei: Ich habe das Evangelium Christi im Jahre 1516 zu predigen angefangen, ehe in unserer Gegend noch irgend jemand von Luthers Namen gewusst hat. 1519 wird Zwingli Leutpriester am Großmünster in Zürich und leitet dort 1522 die Reformation ein, die sich auch in Bern, Basel, St. Gallen und anderen Städten schnell ausbreitet und mit der Säkularisation der Klöster und der Abschaffung der Messe 1525 abgeschlossen ist.
Luther ist für Zwingli zunächst ein trefflicher Streiter Gottes, im Kampf gegen das römische Papsttum von niemandem übertroffen. In der Abendmahlslehre kommt es aber schon früh zum Konflikt zwischen den Schweizer Reformatoren und dem Luthertum, den auch Philipp von Hessen 1529 beim Marburger Religionsgespräch und verschiedenen späteren Vermittlungsversuchen nicht überbrücken kann. Mit dem Nachfolger Zwinglis, dem in Deutschland zu Unrecht vergessenen Heinrich Bullinger (1504-1575), verbindet Philipp eine lebenslange intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Bullinger ist für den hessischen Landgrafen die zentrale Vermittlungsinstanz zwischen den Anhängern der Augsburgischen Konfession und den Reformierten in der Schweiz und anderen Teilen Europas. Ihr intensiv geführter Briefwechsel erweist, dass in allen Fragen einer übergreifenden europäischen Unionspolitik nicht Luther und die Wittenberger, sondern Bullinger der erste Ansprechpartner Philipps ist.
Nach dem Tode Zwinglis (1531) wird Genf mit Johannes Calvin (1509-1564) bald zu einem neuen Mittelpunkt der reformierten Lehre - mit Ausstrahlung seiner Prädestinationslehre vor allem nach Westeuropa und schließlich auch Nordamerika (Puritaner). Ein Auseinandergehen der Schweizer und der calvinistischen Reformation wird durch eine Einigungsformel in der Abendmahlsfrage, die Bullinger und Calvin 1549 im Consensus Tigurinus finden, verhindert. Bullingers Confessio Helvetica posterior (1561/66) beeinflusst die Reformation im europäischen Maßstab nachhaltig - kann aber nicht, wie von diesem eigentlich beabsichtigt, auch eine Brücke zu den Evangelischen in Deutschland bauen. Am Ende des Reformationszeitalters zeigt sich, dass die Spaltung zwischen Lutheranern und Reformierten zu zwei protestantischen Konfessionen geführt hat.
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