3. Luther und seine Vorläufer
Tafel 3: Luther und seine Vorläufer
In der beginnenden Neuzeit sind die Missstände in der Kirche vielfach. Päpste, die wie weltliche Fürsten auftreten und handeln, kirchliche Würdenträger und Bischöfe, die Reichtümer und Ämter anhäufen, dazu die ungenügende Ausbildung des niederen Klerus. Angesichts der allgemeinen Endzeitstimmung um 1500 trägt all dies nachhaltig zur Diskreditierung der päpstlichen Autorität wie des priesterlichen Amtes bei.
Die Kritiker dieser Zeit haben jedoch eine Vielzahl an Vorläufern. Zuletzt hat Girolamo Savoranola (1452-1498) als wortmächtiger Bußprediger in Italien den ausschweifenden Lebensstil der herrschenden Schichten, aber vor allem denjenigen der Päpste und kirchlichen Würdenträger scharf kritisiert und damit soziale Unruhen bewirkt. 1498 wird er hingerichtet.
Schon im 14. Jahrhundert hat der schottische Theologe John Wyclif (1330-1384) als einzige religiöse Autorität die Bibel und nicht das Papsttum anerkannt. Als Konsequenz lehnt er die Sakramente und die kirchliche Hierarchie ab. Wenig später predigt Jan Hus (1369-1415), dass Priester, die sich im Zustand der Todsünde befinden, ohne moralische Autorität sind; dieser Vorwurf zielt durchaus auf den hohen und höheren Klerus. Hus hebt Jesus Christus, nicht den Papst, als Haupt der Kirche hervor und fordert für die Gläubigen die Kommunion in beiderlei Gestalt ein (Brot und Wein), die bisher dem Klerus vorbehalten war. In diesem Zusammenhang entwickelt sich der Gedanke, dass Laien oft besser als Geistliche seien. Wilhelm von Occam (1280/28-1349) hat bereits ein Jahrhundert vorher eine ähnliche Ansicht vertreten, indem er geistliche Rechte für Laien einfordert.
Martin Luther reiht sich in diese Tradition ein, als er beim Leipziger Disput im Juni 1519 die Hinrichtung von Jan Hus, der auf dem Konstanzer Konzil verurteilt worden war, für unrechtmäßig erklärt und bekräftigt: Ein einzelner Christ, sei er Priester oder nicht, könne gegen ein Konzil Recht behalten, wenn er von Gott erleuchtet sei. Im Anschluss an den Leipziger Disput und die dortige Verteidigung von Hus – als dessen auserwählten Nachfolger er sich später sieht - findet Luther im 1. Petrus-Brief eine Rechtfertigung seiner Denkweise: das Priestertum aller Getauften.
Martin Luther nimmt verschiedene Reform-Ideen auf, vereint spätmittelalterliche Vorstellungen mit humanistischen. Er teilt die mittelalterliche Endzeiterwartung und versucht in seiner Schrift Supputatio annorum mundi (Berechnung der Weltzeit, 1541), den Heilsplan Gottes noch ganz in der Tradition der mittelalterlichen christlichen Universalgeschichte zu entschlüsseln. Andererseits folgt er dem humanistischen Beispiel von Erasmus und Reuchlin und sieht die Notwendigkeit, die Urtexte für eine Bibelübersetzung ins Deutsche heranzuziehen.
siehe hierzu jetzt auch:
Eine verblüffende Entdeckung: Reformatoren vor Luther: John Wyclif, Petrus Valdes, Jan Hus
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