5. 180 Marburg 3935: Flucht des wegen Rassenschande verfolgten Juden Moritz Levi zu Lohra nach Amsterdam
Die Akte "180 Maburg 3935: Flucht des wegen Rassenschande verfolgten Juden Moritz Levi zu Lohra nach Amsterdam, 1935 - 1936" umfasst 27 Dokumente. Von diesen liegt die große Mehrheit digitalisiert vor.
Im Grunde handelt es sich um 2 Fälle: Am 13.08.1935 stellt der judische Kaufmann Isidor Levi im Auftrag seiner Mutter Ietschen Levi Anzeige wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch. Es kam zu mehreren Zerstörungen an jüdischen Häusern in Lohra. Als Täter konnten u.a. Iost Althaus und Walter Muth identifiziert werden. Im Zuge dieses Vorfalls wurde der Jude Moritz Levi von den Tätern aufgefordert, mit ihnen zu gehen. Am folgenden Tag ist er noch nicht wieder aufgetaucht. Das Urteil wird am 15.11.1935 gefällt und beinhaltet Freisprüche und Gefängnisstrafen.
In diesem Kontext steht die Hauptangelegenheit, die auch titelgebend für die Akte war: Laut den Angaben der Zeugin Anna Leimbach, seit 1930 verheiratet mit dem Schlosser Georg Meurer aus Lohra, hatte sie im Herbst 1933 Geschlechtsverkehr mit Moritz Levi. Gleichfalls sagt Meurer aus, dass Levi auch mit anderen Frauen Sex hatte. Der Übergriff auf das Haus der Levis im September steht in engem Zusammenhang mit dem öffentlich bekannten "rassenschänderische[n] Verhalten des Juden Schneider Moritz Levi". Anna Meurer wird aufgrund der zurückliegenden geschlechtlichen Beziehung auf das Schärfste verwarnt und belehrt.
Die weiteren Schriftstücke befassen sich mit dem Tatbestand, dass sich Moritz Levi ohne gültige Ausweispapiere nach Holland abgesetzt hatte und sich somit dem Strafverfahren wegen Rassenschande entzogen habe. Der Titel der Akte spricht von Flucht. Auf der Rückseite von Dokument 23 heißt es jedoch "[...] Moritz Levi, der im vorigen Jahr nach Amsterdam ausgewandert ist." Informationen über den weiteren Verlauf der Angelegenheit sind nicht bekannt. Levi plante nach Südamerika auszuwandern. Das Dokument 25, verfasst vom Marburger Landrat, spricht nur davon, dass sich solche illegalen Grenzüberschreitungen - respektive Flucht im Fall Levi - in Zukunt nicht wiederholen sollen.
Der Fall Levi steht im Kontext zu den Nürnberger Gesetzen vom 15. September 1935, insbesondere dem Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre ("Blutschutzgesetzes", RGBl. I S. 1146). Der Tatbestand der "Rassenschande" gegen Levi liegt also ca. 2 Jahre vor der Verkündung des sog. "Blutschutzgesetzes".
Bearbeiten von Christian Siekmann
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