75. 165 Nr. 3982, Bd. 15
Titelbild: Auszug aus Blatt 137
Dieser Ausstellungsraum enthält eine Auswahl an Dokumenten aus dem 15. Band des Bestandes 165, Nr. 3982. Die Akte enthält über 660 Dokumente und trägt den Titel: "Sonderakte betreffend Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, sowie den öffentlichen Sicherheitsdienst". Sie umfasst den Zeitraum von Anfang September 1935 bis Ende Oktober 1936.
Die Akte enthält größtenteils Schilderungen von Übergriffen, Erpressungen, Zerstörungen, Boykott-Maßnahmen etc. gegen die jüdischen Bewohner in und um Marburg. Es liegen Korrespondenzen zwischen Gendarmerie, Oberstaatsanwaltschaft, NSDAP, Gestapo, Regierungspräsidenten, Landräten und dem Preußischen Minister des Innern vor. Auch sind Schreiben von Privatleuten aufgenommen, wie das des Freiherrn von Köckritz. Es handelt sich meist um (Einzel-)Aktionen durch Mitglieder der SA gegen ihre jüdischen Mitbürger. Ferner werden auch zahlreiche antisemitisch motivierte Aktionen durch Angehörige der Hitler Jugend erwähnt. Auch werden Übergriffe seitens Privatleuten dokumentiert, wie der Fall des Lehrers Deisenroth. Neben direkten Übergriffen gegenüber der jüdischen Bevölkerung liegt auch ein Fall gegen den "deutschen Volksgenossen" Heinrich Staaf vor, der nach einem Einkauf bei einem jüdischen Händler als "Judenknecht" durch die Straßen Schlüchterns getrieben wird. Zahlreiche Fälle stehen im Kontext zu den Nürnberger Gesetzen (Spangenberg, Gendarmeriehauptwachtmeister Höpf).
Die Reaktionen der Bevölkerung auf Übergriffe der SA etc. sind unterschiedlich. Der Fall "Holzversteigerung in Heubach" spricht von einer antisemitischen Bevölkerung, während die Einwohner Meimbressens den Aktionen missbilligend gegenüberstehen.
Auch im Hinblick auf die Verfolgung und Ermittlungen ergeben sich Unterschiede. So fordert der Landrat Wolfhagens eine Bestrafung mit Symbolcharakter, damit Übergriffe gegen Juden aufhören sollen.
Der Überfall auf den jüdischen Schuhwarenhändler Josef Spinat zeigt, dass sich zuweilen auch das Ausland, in diesem Falle die polnische Regierung, auf den Prozess der Strafangelegenheiten Einfluss zu nehmen versucht.
Bearbeitet von Christian Siekmann
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