16. Andeutungen über den Grad der Gefahr, über die Ursachen, und über die Mittel zu einer gründlichen Hebung des revolutionären Uebels. (§ 16)
§. 16.
Uiberblickt man das traurige Gemälde der seit 25 Jahren in Deutschland stattgehabten revolutionären Bewegungen, so wird kein Gutgesinnter eines schmerzlichen Gefühles sich erwehren können, daß ein dem deutschen National- Charakter so fremdes Uibel in diesem Lande sich so weit zu verbreiten und eine Reihe von Empfindungen hervorzurufen vermochte, welche die ernstesten Besorgnisse erregen mußten. Besonders sind es die, auf die französische Julirevolution gefolgten vier Jahre, welche in dieser Beziehung ganz vorzugsweise sich auszeichnen. Systematische Vergiftung der öffentlichen Meinung durch die Presse, planmäßige Aufreitzung des Volkes gegen seine Regenten und deren Organe durch Versam[m]lungen, Emissäre und geheime Vereine, Schwächung des Ansehens und der Wirksamkeit der Regierungen durch übelgesinnte Ständemitglieder und Beamten, Verwicklung der unerfahrene, durch schlechte Lectüre und übelverstandenen Patriotismus aufgeregten Jugend in hochverrätherische Unternehmungen, erfolgreiche Bearbeitung von Soldaten und Handwerkern für revolutionäre Zwecke, staatsverrätherische Verbindungen mit auswärtigen Revolutionären, Verschwörungen und blutige Aufstände, - dies sind, unserer aktenmäßigen Darstellung zufolge, die erwiesenen Thatsachen, welche die Geschäfte jenes Zeitraums schänden und keinen Zweifel übrig lassen, daß auch in Deutschland eine Parthei existire, die in Verbindung mit Gleichgesinnten im Auslande ohne Unterlaß auf den gewaltsamen Umsturz der bestehenden Regierungen und Verfassungen hinarbeitet. Indessen herrschen über den Grad der Gefahr, womit jenes Uibel die bestehende Ordnung der Dinge bedroht, auch unter solchen, welche die angeführten Thatsachen nicht abzuläugnen suchen, sehr verschiedene Ansichten. Von der einen Seite wird behauptet, daß die einzig durch bekannte Ereignisse in den Nachbarstaaten erzeugten Aufregung der Gemüther in Deutschland mit der Rückkehr und Befestigung der Ruhe in jenen Staaten sich von selbst verlieren werde, daß die Massen noch nicht ergriffen seien, die Parthei der Meuterer daher gering an Zahl und aus Menschen ohne Einfluß <und persönlichen Ansehen> bestehend, gegen die ungeheure Mehrzahl der Gutgesinnten und gegen die, den vereinten Bundesregierungen zu Gebot stehenden großen Mittel nichts vermögen, daß eben darum seither alle ihre tollkühnen Plans und Unternehmungen gleich im Beginnen gescheitert seien, daß auch die Wirksamkeit der böswilligen Presse nicht so hoch anzuschlagen sei, indem aus dem Kampfe der Meinungen die Mehrheit siegreich hervorgehen werde, und einem Volke, das sich glücklich fühle, durch Zeitungsartikel und Flugschriften keine gegentheilige Uiberzeugung beigebracht werden könne, daß demnach eine wirkliche Gefahr für die bestehende Ordnung in Deutschland nicht vorhanden sei, und daß jedenfalls die öffentliche Ruhe durch Beweise von Vertrauen und versöhnender Milde sicherer werde befestigt werden, als durch Maßregeln der Strenge, welche nur Unzufriedenheit Erbitterung erzeugen würden. - Diese Ansicht findet umso mehr Eingang, je mehr sie den herrschenden Wünschen und Neigungen schmeichelt, und je bequemer es ist, durch oberflächliche Urtheile dieser Art sich der unangenehmen Mühe, das Uibel bis zur Wurzel zu verfolgen, zu überheben und beruhigt über die Sicherheit von Morgen, den Blick vor der ferneren Zukunft zu verschließen. Andererseits hört man nicht selten die trostlose Meinung äußern, daß der demokratische Geist, welcher das monarchische Prinzip bekämpft, unter den Völkern schon zu weit um sich gegriffen habe, als daß solchen noch mit Erfolg widerstanden werden könne, daß es eben so gefährlich als vergeblich seyn würde, in das unaufhaltsam vorwärts rollende Rad der Zeit zu greifen, und daß daher nichts übrig bleibe, als durch zeitgemäße Concessionen den Sturm zu beschwören und gewaltsamen Ausbrüchen zuvorzukom[m]en. Weder diese noch jene Ansicht stim[m]t, unseres Erachtens, mit der Mehrheit überein. Unläugbar hat der demokratische Geist in den lezten Decanien in Deutschland große Fortschritte gemacht. Er hat sich der Literatur, der Doctrine und der Jugend bemächtigt, unter dem Volke eine Masse von republikanischen Ideen verbreitet, und ist selbst in die Gesetzgebung und in die öffentliche Verwaltung gedrungen. Mit jedem Tage gewinnt er neuen Boden, und die Geschichte lehrt, daß, wo der Wahn, daß der bestehende Zustand geändert werden müsse, in den Gemüthern sich einmal festgesetzt hat, es nur eines äußeren Anlasses und begünstigender Umstände, welche im Laufe der Zeit nicht auszubleiben pflegen, bedarf, um Versuche der Ausführung herbeizuführen. Hiernächst kom[m]t in Betracht, daß die gerichtlichen Untersuchungen, deren allerdings große und wichtige Ergebnisse in dem vorstehenden Aufsatze vorgetragen sind, bis jetzt nicht den ganzen Umfang des, gegen den Bestand des deutschen Bundes gerichteten Complottes zu ermitteln vermochten, daß vielmehr allen Umständen nach ähnliche Umtriebe und Complotte, wie solche in Frankfurt, Hessen und Württemberg erwiesen worden, auch in mehreren anderen deutschen Bundesstaaten stattgefunden haben, und daß gerade die gefährlichste Classe der Revolutionäre, diejenige, welche sich bei dem Anscheine eines Erfolges an die Spitze der Aufrührer gestellt haben würde, theils durch die Flucht, theils auf andere Weise dem Arme der Gerechtigkeit größtentheils sich zu entziehen gewußt hat. Nim[m]t man aber auch an, daß den Anstiftern jenes Complottes vorerst keine größeren Mittel zu Gebot gestanden, als die, welche die geständigen Theilnehmer desselben bis jetzt angegeben haben, und vergleicht man hiermit die Geschichte der Revolutionen anderer Staaten; so wird sich nicht widersprechen lassen, daß oft mit geringere Mitteln erfolgreiche Empörungen begonnen und vollführt worden sind. Ein Volksaufstand ist wie eine Lawine, aus unbedeutendem Anfange kann er schnell riesengroß erwachsen, und wo heute noch die Einschreitung einer Polizeibehörde zu seiner Dämpfung hinreicht, wird morgen vielleicht ein Heer dazu erforderlich seyn. Häufig ist es nur ein Zufall, der über das Gelingen oder Mißlingen einer revolutionären Bewegung entscheidet. So war bei dem Aufruhr in Frankfurt am 3ten April 1833 der zufällige Umstand, daß die Meuterer, welche das Zeughaus gestürmt hatten, und der darin verwahrten sechs Kanonen sich zu bemächtigen suchten, zuerst aus Irrthum mit der gewaltsamen Oeffnung der Kam[m]er, in der sich die Feuerspritzen befanden, eine kostbare Zeit verloren, hiernächst aber bis zum Anrücken des Frankfurter Militärs mit dem Einschlagen der zum Geschütze führenden Thüre nicht fertig werden konnten, von entscheidendem Einfluße. Wäre es ihnen gelungen, die Kanonen zeitig auf die Straße zu bringen, und damit die Zugänge zu der Constablerwache zu besetzen; so würde sich der Kampf wohl jedenfalls bis zum folgenden Morgen verlängert und dann vielleicht einen anderen Ausgang genommen haben. Auf die Kunde hievon hätten geständiger maßen auch die Genossen der Frankfurter Rebellen in Ludwigsburg, Heidelberg und Gießen sich empört, und ohne Zweifel wäre noch in vielen anderen Orten, namentlich in Butzbach, Hanau, Höchst, Mannheim, Marburg, so wie in Rheinbayern und Rheinhessen eine Schilderhebung erfolgt. Bedenkt man ferner, daß die Verschworenen auch aufthäthige Unterstützung von Seiten der französischen Republikaner rechnen zu dürfen glaubten, und daß vier bis fünf hundert kriegserfahrne polnische Offiziere bereits unterwegs waren, um an die Spitze der durch lockende Versprechungen zu insurgirenden Landvolks sich zu stellen; so wird man zugeben müssen, daß die Gefahr, welche - nicht die Wachsamkeit der Behörden, nicht die den Regierungen zu Gebot stehenden Mittel, nicht die Mehrzahl der Gutgesinnten, sondern - ein augenblicklicher Irrthum der Aufrührer und die Festigkeit einer Thüre, von Deutschland abgewendet haben, nicht so gering gewesen ist, als man sie jetzt nach dem Erfolge zu beurtheilen geneigt ist. Diese Gefahr war um so größer, je mehr das Volk durch die von uns geschilderten Ereignisse und Umtriebe jahrelang auf den Umsturz des Bestehenden vorbereitet worden war. Es ist einer der schalen Gemeinplätze, womit die Vertheidiger der unbeschränkten Preßfreiheit ihre Gegner zu täuschen suchen, daß, wo dem Volke von der Regierung kein gerechter Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben wurde, selbst von dem Mißbrauche der Presse nicht zu fürchten sei. Die Erfahrung lehrt das Gegentheil. Mit dem steigenden Wohlstande wächst der Dünkel und der Uibermuth, der wohlgefällig auf die Schmeichelrede der Demagogen horcht, daß der Bürger sich selbst zu regieren reif und mündig sei, und nicht mindere Eingang findet bei der Masse der keines eigenen Urtheils fähigen die in das Gewand des Patriotismus gehüllte Verläumdung, welche jede Unbild der Zeit, jedes selbst verschuldete Unglück, jede in menschlichen Dingen unvermeidliche Unvollkom[m]enheit mit Talent und Gewandtheit den Regierungen zur Last zu legen, die wohlmeinendsten Absichten und Maßregeln der Fürsten zu verdächtigen, und dagegen von den Folgen einer radikalen Aenderung der Regierungsformen und von dem Siege des demokratischen Prinzips die glänzendsten, allen Leidenschaften schmeichelnden Bilder zu entwerfen weiß. Dieser von der Revolutionsparthei sorgsam ausgestreute giftige Saamen hat in einem großen Theile des deutschen Volkes Wurzel geschlagen, und die auffallende Empfänglichkeit für revolutionäre Umtriebe, welche in den letzten Jahren in einigen der gesegnetsten und wohlhabendsten deutschen Bundesstaaten sich kund gegeben hat, ist vorzüglich der vorausgegangenen Verbreitung solcher Ansichten und Grundsätze durch die Presse zuzuschreiben.*.). Die für die öffentliche Sicherheit und Ordnung hieraus entspringende Gefahr wird dadurch nicht aufgehoben, daß die Mehrzahl der Unterthanen und darunter naentlich den intelligenteste und vermöglichste Theil der Nation, welcher erkennt, daß mit dem monarchichen Prinzip die Civilisation und das Eigenthum bedroht sind, von dem Treiben der Demagogen sich enternt gehalten hat.
*.) In dem benachbarten Frankreich haben ähnliche Wahrnehmungen und Überzeugungen die Preßgesetze vom Sept. 1835 hervorgerufen.
Die Passivität dieser Classen der bürgerlichen Gesellschaft gewährt, wie die Geschichte anderer Staaten zeigt, keine hiereichende Bürgschaft, daß nicht die Energie und der Terrorismus einer kleinen Minderzahl wenigstens auf einige Zeit der großen Mehrzahl Meister wurde. Allerdings stehen den Regierunen zu Unterdrückung revolutionärer Bewegungen sehr bedeutende Mittel zu Gebot, und es läßt sich nicht bezweifeln, daß die im äußersten Falle hierzu zu verwendenden Trupen im Allgemeinen von dem besten Geiste beseelt sind. Indessen leiten doch die in Württemberg, Hessen-Homburg und Frankfurt ermittelten Meutereien unter dem Militär /: §.7.8.13:/ sehr bedenkliche Beispiele des Gegentheils dar, welche um so größere Aufmerksamkeit verdienen, als nach vorliegenden Aussagen ähnliche Aufwiegelungsversuche auch unter den Truppen anderer Bundesstaaten beabsichtigt worden sind. Wo, wie in den angeführten Fällen, das Militär einmal in seiner beschworene Treue wankt, wo es Hinneigung zeigt, sich den Befehlen seiner Oberen in Masse zu widersetzen, wo Offiziere und Unteroffiziere zu einem verbrecherischen Vorhaben sich vereinigen, das darauf berechnet ist, durch Verführung oder Beispiel auch den gemeinen Mann von seiner Pflicht abwendig zu machen, und wo ein solches Verbrechen längere Zeit im finstere fortwuchert, da sind die Grundpfeiler der Subordination und der Mannzucht erschüttert, es ist eine Degeneration vorhanden, welche Auflösung droht. Andererseits ist in Folge der in den meisten Staaten bestehenden Recrutirungssysteme, vermöge derer der Jüngling, welchen die Reihe, Soldat zu werden, trifft, gewöhnlich nur kurze Zeit unter den Waffen bleibt, eine sehr große Zahl von Bürgern und Bauern in den Waffen geübt, und durch den längere Aufenthalt in Residenz- und andere Garnisonsstädten aus dem frühere einfachere Ideenkreise herausgetreten. Vergleicht man die seit dem Jahre 1830 in Deutschland stattgehabten revolutionären Umtriebe mit denen der frühere Periode, so zeigt sich, daß jene in neuerer Zeit eine practischere Richtung genom[m]en, und während sie sich früher hauptsächlich auf die Universitäten und eine verhältnißmässig kleine Anzahl überspannter Köpfe beschränkt, nun einen viel größeren Umfang erlangt und besonders auch die untere Volksklassen ergriffen haben. Wie empfänglich letztere für solche Umtriebe geworden; beweist nicht nur der äußerst zahlreiche Besuch der Volksversammlungen in Hambach; Gaibach /:§4:/ und der ungetheilte Beifall, welchen die daselbst gehaltenen aufrührerischen Reden bei der versam[m]elten Menge gefunden haben, so wie die große und schnelle Ausbreitung des Männerbundes in Frankfurt und der dortigen Umgegend /:§13:/, sondern auch der Umstand, daß selbst bei verschiedenen nicht politischen Anlässen sich neuerlich ein bedenklicher Geist der Auflehnung unter den gedachten Volksklassen kund gegeben hat. Ein aus der rastlosen Thätigkeit der Revolutionsparthei und der Ausbreitung des demokratischen Geistes für die öffentliche Ruhe und Ordnung in Deutschland entsprungene Gefahr war und ist demnach keineswegs so gering, als solche theils aus Unkenntniß der betreffenden Thatsachen und ihres Zusam[m]enhanges, theils aus andere Motiven nicht selten geschildert wird. Auch darf man sich durch den in dem Treiben jener Parthei neuerlich eingetretenen Stillstand nicht täuschen und zu der Meinung verführen lassen, daß das, was bis jetzt zu Bekämpfung und Heilung des Uibels geschehen, hinreichend sei, auch von Rückfällen zu bewehren. Allerdings sind in Folge der strengeren und consequentere Handhabung der Censur die öffentlichen Organe der revolutionären Faction grösstentheils verstum[m]t, oder doch wieder laut und offenherzig geworden, viele der überspanntesten und verwegensten Revolutionäre haben sich, um den Einschreitungen der Behörden zu entgehen, in das Ausland geflüchtet, und eine nicht unbeträchtliche Zahl ihrer Genossen befindet sich in den Händen der Gerichte, von denen sie den gesetzlichen Lohn ihrer Missethaten theils bereits empfangen, theils noch zu gewärtigen haben. Der bestim[m]t ausgesprochene erhabene Wille der Souveraine, dem revolutionären Unwesen in Deutschland ein Ende zu machen, hat die Thätigkeit und den Eifer der Behörden erhöht, und die strafbaren Hoffnungen der Uibelgesinnten herabgestim[m]t. Gleichwohl wird dem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen, daß das Uibel mehr nur von der Oberfläche verschwunden, als wirklich gehoben ist, daß das dem Volk eingeflösste Gift antimonarchischer Gesinnungen nicht aufgehört hat, in der Stille fortzuwuchern, und daß die gegenwärtig in Deutschland herrschende Ruhe weniger der Furcht und Unmacht der bezeichneten Parthei, als dem Gange der Ereignisse in Frankreich zuzuschreiben ist. Wäre am 28ten Juli 1835 Fieschie’s königsmörderischer Plan in Paris gelungen, und hätte in Folge dessen die Parthei der französischen Republikaner, wo nicht sofort die Oberhand erlangt, doch wenigstens in Masse sich erhoben, und den blutigen Kampf um die Herrschaft auf das Neue entzündet; so befänden wir uns nun höchst wahrscheinlich auch in Deutschland wieder an dem Vorabende revolutionärer Unternehmungen und Ausbrüche.
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