4. Volks - Versammlungen, insbesondere Hambacherfest. (§ 4)
§. 4.
Nachdem durch diese und ähnliche Umtriebe, Wozu namentlich auch die Durchzüge der landesflüchtigen polnischen Insurgenten benützt wurden, mit welchen die deutschen „Liberalen“ in dem Hasse gegen Russland sympathisirten,- in einem großen Theile von Deutschland besonders in Rheinbayern, eine Gährung erzeugt worden war, welche in den Revolutionären, zumal bei der von ihnen für Furcht und Schwäche gehaltenen Passivität mancher Regierungen, sanguinische Hoffnungen erregte, gieng die Parthey ihrem Ziele um einen Schritt näher, und veranstaltete Volksversammlungen, bei welchen aufrührerische Lieder gesungen, und ähnliche Reden gehalten wurden. die bedeutendste dieser Versam[m]lungen war das am 27“ May 1832 gefeierte, berüchtigte Hambacher – Fest, an welchem gegen 30,000 Menschen aus Rheinbaiern, Baden (worunter etwa 300 Heidelberger Studenten), Hessen, Rheinpreußen, Nassau, Frankfurt, Württemberg und mehreren anderen deutschen Bundes Staaten nebst einer Anzahl Franzosen und Polen Theil genom[m]en haben. Schon die von dem oben erwähnten Dr – Siebenpfeiffer verfaßte, weit verbreitete Einladung zu diesem „deutschen Nationalfeste“ ließ voraussehen, was von demselben zu erwarten sey. Die Königl. Bayerische Regierung des Rheinkreises hatte daher die Vorsicht, unter den 8“ – May 1832 ein Verbot desselben zu erlassen, zu dessen Zurücknahme am 17“ desselben Monats sie nur durch vielfältige, selbst von dem gerade versam[m]elten Landrathe der Provinz unterstützte, dringende und drohende Versammlungen bewogen ward. Die Verordnung, daß über die Zeit des Festes nur mit Pässen versehenen Reisenden der Eintritt in den Rheinkreis gestattet werden solle, konnte bei der Masse der zu Hunderten die Gränze überschreitenden nicht gehandhabt werden. Bei dem feyerlichen Auszuge, mit welchem das Fest begann, sah man viele Kokarden und Fahnen mit den altdeutschen Farben (:schwarz, roth, gold:) dagegen wurde eine Fahne mit den bairischen Nationalfarben zurückgewiesen. Die hierauf von den revolutionären Journalisten Dr – Wirth, Dr – Siebenpfeiffer, Dr – Grohse und Dr – Pistor, dem Pfarrer Hochdörfer aus Sembach, dem Advokaten Hallauer aus St: Wendel, dem Candidaten Scharpff aus Homburg, dem Heidelberger Burschenschafter Brüggemann aus Hoysten und mehreren Anderen an die versam[m]elte Volksmenge gehaltenen, von dieser mit großem Beifall aufgenom[m]enen, später durch den Druck verbreiteten Reden können nur mit den wüthendsten Deklamationen der französischen Jakobiner im Jahre 1793 verglichen werden. Alle erschöpften sich in den gröbsten Schmähungen und Lästerungen der regierenden Fürsten, welche wiederholt „geborene Hochverräter an der menschlichen Gesellschaft“ genannt wurden, so wie in den grellsten Schilderungen des angeblich auf Deutschland lastenden Drucks und Elends und bemühten sich, ihre Zuhörer zu überzeugen, daß der dermalige Zustand des Vaterlandes ganz unerträglich und schmachvoll, eine Abhülfe von Seiten der Fürsten und ihrer Regierungen aber durchaus nicht zu erwarten sey, weßwegen das Volk sich nothwendig selbst helfen und das „eine und freie Deutschland“ durch eigene Kraft erringen müsse. Nachdem Dr – Wirth seine Diatriben mit einer feierlichen Verwünschung aller Souveraine beschlossen hatte, überreichte ihm der Litteratus Friedrich Funk aus Frankfurt a/m, Namens der dortigen „Patrioten“ ein deutsches Schwerdt als Ehrengeschenk, welches Wirth der Menge der Menge mit den Worten zeigte, „ob das nicht ein Wahrzeichen sey.“ Der Advokat Rey aus Straßburg übergab der Versammlung eine Adresse der dortigen Gesellschaft „amis du peuple,“ und begrüßte dabei „die neu aufkeimende republikanische Freiheit von Deutschland.“ Auch von einem polnischen National Comité in Paris und aus mehreren deutschen Städten kamen der Versam[m]lung ähnliche Adressen zu. Die nächste und natürlichste Folge des Hambacherfestes war eine solche Steigerung der Aufregung unter dem Volke in Rheinbayern, daß man jeden Augenblick gewaltsame Ausbrüche befürchten musste, die sich wahrscheinlich nur in Hinblick auf die bedeutende Militär - Macht, welche die Regierung sofort in jener Provinz zusammenzog, unterblieben sind. In den Städten Pirmasens, Bergzabern, Neustadt und in vielen Dörfern wurden Freiheitsbäume errichtet, und im Namen der Freiheit Entfernung aller Polizei – und anderer Beamten, so wie uneingeschränkte Disposition über die Forsten, Gemeinde – Kassen verlangt, während die wohlhabenden Einwohner, welche der fanatisirte Pöbel „Aristokraten“ nannte, Tag und Nacht für ihr Leben und ihr Eigenthum zittern mussten. Es liegen auch Anzeigen vor, dass in einer den Tag nach dem Feste von den Koryphäen desselben in dem Hause des ständischen Abgeordneten Schoppmann zu Neustadt gehaltenen Berathung die Frage: ob man sich sofort als provisorische Regierung Deutschlands constituiren und die Revolution beginnen wolle? zwar vorläufig verneint, dagegen beschlossen wurde, in mehrere Bundesstaaten Emissäre zu senden, um darüber: wie weit das Volk für die Revolution vorbereitet sey, und über welche Kräfte man im Falle des Ausbruchs gebiethen kann? Zuverlässige Erkundigung einzuziehen, was von dem Central Comité des Pressvereins im Juny 1832 auch wirklich vollzogen ward. Ausser Hambach wurden am 27“ Mai 1832 auch in St: Wendel, wo der Pfarrer Juch das Volk aufreitzte, und bald darauf ernstliche Unruhen ausbrechen, ferner in Gaibach, wo der Hofrath Behr von Würzburg vor fünf bis sechstausend Menschen eine aufregende Rede hielt, Volksversammlungen gehalten, und selbst von den „liberalen“ Deutschen zu Paris in Gemeinschaft mit dortigen Republikanern unter dem Vorsitze des Generals Lafayette ein polnisches Fest gefeiert, welches insofern Erwähnung verdient, als solches auch einen Zusam[m]enhang des, einige Tage später, erfolgten Aufstandes der Republikaner in Paris (5“ und 6“ Juni 1832) mit den angeführten Ereignissen in Deutschland hindeutet. Aehnliche Volksversammlungen fanden bald darauf in Bergen und in Wilhelmsbad im Kurfürstenthum Hessen, wo sich acht bis zehntausend Menschen eingefunden hatten, so wie auf dem Dreifaltigkeitsberge bei Spaichingen im Königreiche Württemberg statt.
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