6. Der Weg in die Diktatur: Entscheidungen in Deutschland 1932/33
Der Sturz Brünings und die Einsetzung des reaktionären Papen-Kabinetts im Mai/ Juni 1932 markierten einen entscheidenden Einschnitt in der politischen Entwicklung zwischen 1930 und 1933. Der politische Szenenwechsel bestand in seinem Kern darin, dass nicht mehr wie bisher die Sozialdemokratie zur Tolerierung der Präsidialregierung hinzugezogen wurde, sondern die „Nationale Opposition" von NSDAP und DNVP diese Rolle übernehmen sollte. Insofern war es auch konsequent, wenn von Papen mit dem Staatsstreich gegen die SPD-geführte preußische Regierung Braun-Severing am 20. 7. 1932 das letzte Bollwerk einer parlamentarisch-demokratischen Regierungsform im Reich zu beseitigen suchte. Der demonstrativ antiparlamentarische Reichskanzler von Papen scheiterte aber nicht zuletzt an dem mangelhaften Rückhalt im Reichstag, nachdem sich Hitler und die NSDAP zu der erhofften Duldung des Adelskabinetts nicht bereit fanden. Das Schlüsselereignis vom 13.8.1932, als Hindenburg dem Führerder NSDAP die Kanzlerschaft kategorisch verweigerte, bestimmte die letzten Monate des Weimarer Staates: Der Streit der antidemokratischen Sieger über die Verteilung des Erbes.
In der Regierungszeit des letzten Kanzlers vor Hitler, dem Reichswehrgeneral Kurt von Schleicher, schien sich die Situation noch einmal grundlegend zu verändern. Schleicher zog die Schlußfolgerungen aus dem politischen Scheitern seines Vorgängers, suchte wieder die Verbindung mit Sozialdemokratie und Gewerkschaften und arbeitete an einer Spaltung der NSDAP durch die Einbeziehung des linken Flügels der Partei unter Gregor Strasser. Erstmals seit 1930 ging die politische Entwicklung wieder mehr zur Mitte und nach links, eine Tendenz zur Reparlamentarisierung wurde erkennbar. Auch die weitverbreitete These, dass sich die Großindustrie geschlossen gegen die Regierung von Schleicher gestellt und jetzt die Machtübertragung auf Hitler betrieben habe, wird von den Quellen nicht bestätigt. Richtig ist vielmehr, dass der DIHT und auch die RDI-Führung Schleichers Kurs stützten, während der Reichslandbund das Kabinett wegen seiner Abwendung von dem Autarkiegedanken erbittert bekämpfte (s. Quellen 98, 104, 106). Anlass zur Hoffnung auf eine Fernhaltung der NSDAP von der Macht bestand zum Jahreswechsel 1932/33 also durchaus: Nicht zuletzt war jetzt erkennbar geworden, dass die Wirtschaftskrise ihren Tiefpunkt durchschritten hatte und eine Konjunkturbelebung bevorstand (s. Quellen 99-101).
Der Sieg Hitlers am 30.1.1933 war andererseits kein reiner Zufall. Er wurde möglich durch eine Intervention von Papens, der als Kanzler zwar restlos gescheitert war, aber nach wie vor das Vertrauen des Reichspräsidenten besaß. Hitlers „Machtergreifung" lag insofern in der Konsequenz der Zerstörung der Republik von rechts. Der zur Verfügung stehende Handlungsspielraum wurde von der präsidialen Exekutive in illusionärer Verkennung der realen Machtverhältnisse in der falschen Richtung genutzt: Nicht die konservative Rechte „engagierte" sich Hitler für ihre Zwecke, sondern der Führer der NSDAP nutzte das Bündnis mit den Konservativen, um die im autoritären System noch vorhandene Restsubstanz von Demokratie und Legalität endgültig zu zerschlagen und die nationalsozialistische Diktatur in Deutschland zu errichten.
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