18. Auf dem Wege der Demokratie: 4.6. Von der Gemeinde zur Landespolitik
Kaum waren Mitte September 1945 die ersten Anträge auf die Zulassung örtlicher Parteien genehmigt, ordnete General Eisenhower an, daß die ersten Gemeindewahlen im Januar 1946 stattfinden würden. Auch die ersten Wahlen richteten sich nach dem amerikanischen Prinzip, daß der demokratische Aufbau „von unten nach oben", von der Gemeinde- zur Landesebene, erfolgen müsse. Dementsprechend sahen die Amerikaner zunächst Wahlen in Gemeinden unter 20000 Einwohnern vor. Diese galten als wichtiger Test für die politische Stimmung und das demokratische Verhalten der Bevölkerung. Mit der Entscheidung für den frühen Wahltermin hatte sich die Militärregierung über Bedenken mancher Berater hinweggesetzt, die Wahlen nicht für opportun hielten, „solange die deutsche Industrie lahmliege und die Bevölkerung wegen des katastrophalen Mangels an Nahrungsmitteln praktisch vom Hungertode bedroht" sei. Auch deutsche Politiker, unter ihnen Ministerpräsident Geiler, hielten den von der Militärregierung verkündeten Wahltermin für verfrüht. Die Parteien befänden sich teilweise noch in der Aufbauphase; dies galt besonders für die LDP, aber auch die KPD versuchte noch, ihre Stellung auf dem flachen Land zu festigen.
Doch die Amerikaner hielten an ihrem Zeitplan fest: Die ersten freien Wahlen nach 12 Jahren NS-Diktatur fanden in der gesamten US-Zone am 20. und 27. Januar 1946 in den Gemeinden mit weniger als 20000 Einwohnern statt. Ehemalige NS-Aktivisten und NSDAP-Mitglieder, die vor dem 1. Mai 1937 der Partei beigetreten waren, wurden von der Wahl ausgeschlossen.
Der Wahlkampf gestaltete sich mühsam. Der Papiermangel erlaubte nur einen begrenzten Druck von Flugblättern und Plakaten; Benzinmangel und beschränkter Eisenbahnverkehr verhinderten größere Wahlkampfreisen.
Um so erfreulicher erschien die hohe Wahlbeteiligung von 84,4%. Aber auch mit dem Ergebnis konnte die amerikanische Militärregierung zufrieden sein. Gewinner waren die Parteien der Mitte: Die SPD hatte 44,5%, die CDU 31% der Stimmen erhalten, während die KPD auf 5,7% und die LDP nur auf 2,7% kamen. Die amerikanische Militärregierung sah jetzt ihre Absicht bestätigt, möglichst bald weitere Wahlen abzuhalten und den Deutschen schrittweise mehr Verantwortung zu übertragen. Nun konnte sie wie geplant die Bevölkerung am 28. April 1946 zu den Kreistags- und am 26. Mai zu den Stadtverordnetenwahlen in Städten mit mehr als 20 000 Einwohnern aufrufen. Noch wichtiger war, daß die amerikanische Militärregierung Anfang Februar auch die Wahlen zu der Verfassungberatenden Landesversammlung für den 30. Juni ansetzte. Damit kam der Zeitpunkt näher, zu dem gewählte Politiker die Regierung des Landes Hessen übernehmen würden.
Bereits einen Monat nach der Bildung der Regierung Geiler hatte die Militärregierung den anfangs nur auf örtlicher Ebene zugelassenen Parteien am 23. November 1945 erlaubt, sich auch auf Landesebene zusammenzuschließen. Den dadurch neugewonnenen landespolitischen Spielraum versuchte die SPD nach den für sie erfolgreichen Gemeindewahlen vom 20. und 27. Januar 1946, aus denen sie als Sieger hervorgegangen war, zu nutzen. Gestützt auf das Wahlergebnis verlangte der sozialdemokratische Landesverband am 10. Februar von der amerikanischen Militärregierung die Ablösung von Ministerpräsident Geiler. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, zog die SPD ihre Minister aus dem Kabinett Geiler zurück. Zugleich erklärte sie sich zu Verhandlungen über eine Neubildung der Landesregierung bereit.
Der Chef der hessischen Militärregierung, Newman, stellte sich aber hinter Geiler und forderte die SPD auf, die „gesunde Zusammenarbeit" zwischen den Parteien fortzuführen. Erst nach der Wahl eines Landtags könne den Parteien größerer Einfluß auf die Regierungsbildung eingeräumt werden. Daraufhin beließ die SPD ihre Minister im Kabinett. Gleichzeitig machten die Amerikaner dem Ministerpräsidenten aber deutlich, daß er die Wünsche der Parteien stärker berücksichtigen sollte.
Diese drängten auch ihrerseits weiter auf eine wirksamere Beteiligung an der Regierungsarbeit und forderten, endlich den „Beratenden Landesausschuß" einzusetzen, den bereits das Staatsgrundgesetz vom 22. November 1945 „als Vorläuferin einer künftigen Volksvertretung" vorgesehen hatte. Die Militärregierung verstand die Bildung von Beratenden Ausschüssen als Etappe auf dem Weg zur Demokratie. In ganz ähnlicher Weise hatten sich die Bürgerräte bewährt, die in einer Reihe von Städten die Politik mitbestimmten.
Die Berufung des Beratenden Landesausschusses hatte sich verzögert, weil es zwischen Ministerpräsident Geiler und den Parteien Meinungsverschiedenheiten über seine Zusammensetzung gab. Während Geiler für eine Art „Ständeversammlung" eintrat, die vorwiegend aus Fachleuten und Repräsentanten von Berufsgruppen bestehen sollte, setzten sich die politischen Parteien mit ihrer Forderung durch, den Ausschuß ausschließlich mit je 12 Vertretern der vier Parteien zu besetzen.
Der Landesausschuß entwickelte sich nach seiner Eröffnung am 26. Februar 1946 zu einem echten Vorparlament. Es wurden parlamentarische Regeln erarbeitet und eine Geschäftsordnung in Kraft gesetzt. In Plenar- und Ausschußsitzungen beriet er Stellungnahmen zu Gesetzen und Verordnungen der Landesregierung, der Militärregierung und des Kontrollrats sowie eigene Vorstellungen zur Lösung der zahlreichen Probleme, die es zu bewältigen galt.
Der sachliche Stil der Debatten und der Respekt, der dem politisch Andersdenkenden entgegengebracht wurde, erklärt sich nicht zuletzt aus den Biographien der Abgeordneten: Der Landesausschuß bestand zu zwei Dritteln aus ehemaligen aktiven Widerstandskämpfern und Verfolgten des NS-Regimes, die meisten Abgeordneten waren schon in der Weimarer Republik politisch tätig gewesen. Im Juni 1946 endete die Tätigkeit des Beratenden Landesausschusses. Durch Gesetz wurden seine Aufgaben auf die Verfassungberatende Landesversammlung übertragen.
Doch die Amerikaner hielten an ihrem Zeitplan fest: Die ersten freien Wahlen nach 12 Jahren NS-Diktatur fanden in der gesamten US-Zone am 20. und 27. Januar 1946 in den Gemeinden mit weniger als 20000 Einwohnern statt. Ehemalige NS-Aktivisten und NSDAP-Mitglieder, die vor dem 1. Mai 1937 der Partei beigetreten waren, wurden von der Wahl ausgeschlossen.
Der Wahlkampf gestaltete sich mühsam. Der Papiermangel erlaubte nur einen begrenzten Druck von Flugblättern und Plakaten; Benzinmangel und beschränkter Eisenbahnverkehr verhinderten größere Wahlkampfreisen.
Um so erfreulicher erschien die hohe Wahlbeteiligung von 84,4%. Aber auch mit dem Ergebnis konnte die amerikanische Militärregierung zufrieden sein. Gewinner waren die Parteien der Mitte: Die SPD hatte 44,5%, die CDU 31% der Stimmen erhalten, während die KPD auf 5,7% und die LDP nur auf 2,7% kamen. Die amerikanische Militärregierung sah jetzt ihre Absicht bestätigt, möglichst bald weitere Wahlen abzuhalten und den Deutschen schrittweise mehr Verantwortung zu übertragen. Nun konnte sie wie geplant die Bevölkerung am 28. April 1946 zu den Kreistags- und am 26. Mai zu den Stadtverordnetenwahlen in Städten mit mehr als 20 000 Einwohnern aufrufen. Noch wichtiger war, daß die amerikanische Militärregierung Anfang Februar auch die Wahlen zu der Verfassungberatenden Landesversammlung für den 30. Juni ansetzte. Damit kam der Zeitpunkt näher, zu dem gewählte Politiker die Regierung des Landes Hessen übernehmen würden.
Bereits einen Monat nach der Bildung der Regierung Geiler hatte die Militärregierung den anfangs nur auf örtlicher Ebene zugelassenen Parteien am 23. November 1945 erlaubt, sich auch auf Landesebene zusammenzuschließen. Den dadurch neugewonnenen landespolitischen Spielraum versuchte die SPD nach den für sie erfolgreichen Gemeindewahlen vom 20. und 27. Januar 1946, aus denen sie als Sieger hervorgegangen war, zu nutzen. Gestützt auf das Wahlergebnis verlangte der sozialdemokratische Landesverband am 10. Februar von der amerikanischen Militärregierung die Ablösung von Ministerpräsident Geiler. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, zog die SPD ihre Minister aus dem Kabinett Geiler zurück. Zugleich erklärte sie sich zu Verhandlungen über eine Neubildung der Landesregierung bereit.
Der Chef der hessischen Militärregierung, Newman, stellte sich aber hinter Geiler und forderte die SPD auf, die „gesunde Zusammenarbeit" zwischen den Parteien fortzuführen. Erst nach der Wahl eines Landtags könne den Parteien größerer Einfluß auf die Regierungsbildung eingeräumt werden. Daraufhin beließ die SPD ihre Minister im Kabinett. Gleichzeitig machten die Amerikaner dem Ministerpräsidenten aber deutlich, daß er die Wünsche der Parteien stärker berücksichtigen sollte.
Diese drängten auch ihrerseits weiter auf eine wirksamere Beteiligung an der Regierungsarbeit und forderten, endlich den „Beratenden Landesausschuß" einzusetzen, den bereits das Staatsgrundgesetz vom 22. November 1945 „als Vorläuferin einer künftigen Volksvertretung" vorgesehen hatte. Die Militärregierung verstand die Bildung von Beratenden Ausschüssen als Etappe auf dem Weg zur Demokratie. In ganz ähnlicher Weise hatten sich die Bürgerräte bewährt, die in einer Reihe von Städten die Politik mitbestimmten.
Die Berufung des Beratenden Landesausschusses hatte sich verzögert, weil es zwischen Ministerpräsident Geiler und den Parteien Meinungsverschiedenheiten über seine Zusammensetzung gab. Während Geiler für eine Art „Ständeversammlung" eintrat, die vorwiegend aus Fachleuten und Repräsentanten von Berufsgruppen bestehen sollte, setzten sich die politischen Parteien mit ihrer Forderung durch, den Ausschuß ausschließlich mit je 12 Vertretern der vier Parteien zu besetzen.
Der Landesausschuß entwickelte sich nach seiner Eröffnung am 26. Februar 1946 zu einem echten Vorparlament. Es wurden parlamentarische Regeln erarbeitet und eine Geschäftsordnung in Kraft gesetzt. In Plenar- und Ausschußsitzungen beriet er Stellungnahmen zu Gesetzen und Verordnungen der Landesregierung, der Militärregierung und des Kontrollrats sowie eigene Vorstellungen zur Lösung der zahlreichen Probleme, die es zu bewältigen galt.
Der sachliche Stil der Debatten und der Respekt, der dem politisch Andersdenkenden entgegengebracht wurde, erklärt sich nicht zuletzt aus den Biographien der Abgeordneten: Der Landesausschuß bestand zu zwei Dritteln aus ehemaligen aktiven Widerstandskämpfern und Verfolgten des NS-Regimes, die meisten Abgeordneten waren schon in der Weimarer Republik politisch tätig gewesen. Im Juni 1946 endete die Tätigkeit des Beratenden Landesausschusses. Durch Gesetz wurden seine Aufgaben auf die Verfassungberatende Landesversammlung übertragen.
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