11. Gründung des Landes Hessen: 3.2. Hessens erste Landesregierung
Wie die Proklamation Nr. 2 vom 19. September 1945 bestimmte, sollte der künftigen hessischen Regierung — allerdings „unter Vorbehalt der übergeordneten Machtbefugnisse der Militärregierung" - die volle gesetzgebende, richterliche und vollziehende Gewalt übertragen werden. Bis zur Schaffung demokratischer Einrichtungen, d.h. bis die Wahl eines Landtages möglich wäre, sollte der Ministerpräsident Gesetze genehmigen und verkünden. Als Ministerpräsidenten setzte Oberst Newman den Heidelberger Professor für Wirtschaftsrecht Karl Geiler ein, dem 1939 von den Nationalsozialisten die Lehrerlaubnis entzogen worden war.
Auf Wunsch der Militärregierung waren die kurz zuvor zugelassenen Parteien an der Regierungsbildung zu beteiligen. Am 16. Oktober 1945 präsentierte Geiler der Öffentlichkeit ein Rumpfkabinett: Zwei Minister gehörten den Arbeiterparteien (Innenminister Venedey, SPD, und Arbeitsminister Oskar Müller, KPD) und zwei dem bürgerlichen Lager an (Finanzminister Wilhelm Mattes und Justizminister Robert Fritz, beide parteilos).
Die führenden Funktionäre von SPD und KPD befürchteten offenbar, daß Geiler eine Mehrheit von bürgerlichen oder parteilosen Politikern anstrebe, und kritisierten öffentlich die Kabinettsbildung. Sie forderten von Geiler eine personelle Zusammensetzung des Kabinetts, die „eine klare antifaschistische und demokratische Politik" garantierte. Die Kritik zielte indirekt auch auf Justizminister Fritz, der zwar kein NSDAP-Mitglied gewesen war, gegen den aber wohl im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Landgerichtsdirektor politische Bedenken erhoben worden waren; nach einer Intervention der amerikanischen Militärregierung wurde Fritz durch den Sozialdemokraten Georg August Zinn ersetzt. Von nun an wurden die Vorschläge der Parteien für die Auswahl der weiteren Minister stärker von Geiler berücksichtigt.
Am 28. Oktober 1945 war die Kabinettsbildung abgeschlossen. Neben dem Ministerpräsidenten gehörten folgende Mitglieder dem Großhessischen Staatsministerium an:
- Stellvertretender Ministerpräsident und Minister ohne Geschäftsbereich Werner Hilpert, Geschäftsführer der IHK Frankfurt, CDU;
- Finanzminister Wilhelm Mattes, früherer DVP-Abgeordneter im Badischen Landtag und bis 1933 Finanzminister in Baden, zuletzt Steuerberater in Mannheim, parteilos, dem bürgerlichen Lager zuzurechnen;
- Innenminister Dr. Hans Venedey, Notar aus Wiesbaden, SPD;
-Justizminister Georg August Zinn, Rechtsanwalt und Landgerichtsdirektor a. D. aus Kassel, SPD;
- Wirtschaftsminister Dr. Rudolf Mueller, ehemaliger Direktor der chemischen Fabrik Rohm und Haas, dann Vorsitzender der Handelskammer Darmstadt, dem bürgerlichen Lager zuzurechnen;
- Minister für Wiederaufbau und politische Befreiung Gottlob Binder, vorher Gewerkschaftssekretär und Stadtrat in Bielefeld, seit Juni 1945 Direktor des Arbeitsamtes Frankfurt, SPD;
—Arbeitsminister Oskar Müller, früher Parteisekretär der KPD im Bezirk Hessen und Mitglied des Preußischen Landtags, KPD;
— Landwirtschaftsminister Georg Häring, Landeshauptmann des Bezirkskommunalverbandes Kassel, SPD;
— Kultusminister Prof. Dr. Franz Böhm, vorher Prorektor
der Universität Freiburg/Br., CDU.
Damit bestand die neue Landesregierung neben dem parteilosen Ministerpräsidenten aus vier Sozialdemokraten, einem Kommunisten, zwei christlichen Demokraten und zwei bürgerlichen Parteilosen.
Gleich in der ersten Kabinettssitzung des Rumpfkabinetts am 19. Oktober 1945 kam es um die Frage der Entscheidungsbefugnis der Minister zur Kontroverse zwischen Geiler und seinen Kabinettsmitgliedern. Ministerpräsident Geiler unterstrich seinen Führungsanspruch als Chef der Regierung und betonte seine alleinige Verantwortung gegenüber der amerikanischen Militärregierung. Mehrheitsentscheidungen des Kabinetts gegen ihn wären nicht zulässig, die Minister könnten ihn lediglich beraten. Abweichende Meinungen sollten nicht in die Öffentlichkeit getragen werden. Das am 22. November 1945 durch das Staatsministerium erlassene Staatsgrundgesetz führte diese Prinzipien noch einmal in aller Klarheit auf. Es sah allerdings vor, daß Gesetze durch den zuständigen Fachminister gegengezeichnet werden mußten. Für deren Inkrafttreten war also de facto dessen Zustimmung erforderlich.
Als die Regierung ihre Arbeit aufnahm, zeigte sich, daß Geiler in der Praxis den Mehrheitsbeschlüssen des Kabinetts fast durchgängig folgte. Die noch frischen Erfahrungen mit der NS-Diktatur und der gemeinsame Wille, die verheerenden Folgen des Krieges zu überwinden, bildeten eine tragfähige Basis für die Zusammenarbeit zwischen bürgerlichen und sozialistischen Demokraten.
Auf Wunsch der Militärregierung waren die kurz zuvor zugelassenen Parteien an der Regierungsbildung zu beteiligen. Am 16. Oktober 1945 präsentierte Geiler der Öffentlichkeit ein Rumpfkabinett: Zwei Minister gehörten den Arbeiterparteien (Innenminister Venedey, SPD, und Arbeitsminister Oskar Müller, KPD) und zwei dem bürgerlichen Lager an (Finanzminister Wilhelm Mattes und Justizminister Robert Fritz, beide parteilos).
Die führenden Funktionäre von SPD und KPD befürchteten offenbar, daß Geiler eine Mehrheit von bürgerlichen oder parteilosen Politikern anstrebe, und kritisierten öffentlich die Kabinettsbildung. Sie forderten von Geiler eine personelle Zusammensetzung des Kabinetts, die „eine klare antifaschistische und demokratische Politik" garantierte. Die Kritik zielte indirekt auch auf Justizminister Fritz, der zwar kein NSDAP-Mitglied gewesen war, gegen den aber wohl im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Landgerichtsdirektor politische Bedenken erhoben worden waren; nach einer Intervention der amerikanischen Militärregierung wurde Fritz durch den Sozialdemokraten Georg August Zinn ersetzt. Von nun an wurden die Vorschläge der Parteien für die Auswahl der weiteren Minister stärker von Geiler berücksichtigt.
Am 28. Oktober 1945 war die Kabinettsbildung abgeschlossen. Neben dem Ministerpräsidenten gehörten folgende Mitglieder dem Großhessischen Staatsministerium an:
- Stellvertretender Ministerpräsident und Minister ohne Geschäftsbereich Werner Hilpert, Geschäftsführer der IHK Frankfurt, CDU;
- Finanzminister Wilhelm Mattes, früherer DVP-Abgeordneter im Badischen Landtag und bis 1933 Finanzminister in Baden, zuletzt Steuerberater in Mannheim, parteilos, dem bürgerlichen Lager zuzurechnen;
- Innenminister Dr. Hans Venedey, Notar aus Wiesbaden, SPD;
-Justizminister Georg August Zinn, Rechtsanwalt und Landgerichtsdirektor a. D. aus Kassel, SPD;
- Wirtschaftsminister Dr. Rudolf Mueller, ehemaliger Direktor der chemischen Fabrik Rohm und Haas, dann Vorsitzender der Handelskammer Darmstadt, dem bürgerlichen Lager zuzurechnen;
- Minister für Wiederaufbau und politische Befreiung Gottlob Binder, vorher Gewerkschaftssekretär und Stadtrat in Bielefeld, seit Juni 1945 Direktor des Arbeitsamtes Frankfurt, SPD;
—Arbeitsminister Oskar Müller, früher Parteisekretär der KPD im Bezirk Hessen und Mitglied des Preußischen Landtags, KPD;
— Landwirtschaftsminister Georg Häring, Landeshauptmann des Bezirkskommunalverbandes Kassel, SPD;
— Kultusminister Prof. Dr. Franz Böhm, vorher Prorektor
der Universität Freiburg/Br., CDU.
Damit bestand die neue Landesregierung neben dem parteilosen Ministerpräsidenten aus vier Sozialdemokraten, einem Kommunisten, zwei christlichen Demokraten und zwei bürgerlichen Parteilosen.
Gleich in der ersten Kabinettssitzung des Rumpfkabinetts am 19. Oktober 1945 kam es um die Frage der Entscheidungsbefugnis der Minister zur Kontroverse zwischen Geiler und seinen Kabinettsmitgliedern. Ministerpräsident Geiler unterstrich seinen Führungsanspruch als Chef der Regierung und betonte seine alleinige Verantwortung gegenüber der amerikanischen Militärregierung. Mehrheitsentscheidungen des Kabinetts gegen ihn wären nicht zulässig, die Minister könnten ihn lediglich beraten. Abweichende Meinungen sollten nicht in die Öffentlichkeit getragen werden. Das am 22. November 1945 durch das Staatsministerium erlassene Staatsgrundgesetz führte diese Prinzipien noch einmal in aller Klarheit auf. Es sah allerdings vor, daß Gesetze durch den zuständigen Fachminister gegengezeichnet werden mußten. Für deren Inkrafttreten war also de facto dessen Zustimmung erforderlich.
Als die Regierung ihre Arbeit aufnahm, zeigte sich, daß Geiler in der Praxis den Mehrheitsbeschlüssen des Kabinetts fast durchgängig folgte. Die noch frischen Erfahrungen mit der NS-Diktatur und der gemeinsame Wille, die verheerenden Folgen des Krieges zu überwinden, bildeten eine tragfähige Basis für die Zusammenarbeit zwischen bürgerlichen und sozialistischen Demokraten.
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