1. Kriegsende und Besatzung: 1.1. Einmarsch der Amerikaner
Hitlers totaler Krieg endete mit der totalen Niederlage. In der Nacht auf den 23. März 1945 setzte Infanterie der 3. US-Armee unter General G. S. Patton bei Oppenheim über den Rhein. Kaum eine Woche später waren das gesamte Rhein-Main-Gebiet und die Wetterau besetzt. Weiter nördlich bewegte sich am 25. März von Remagen aus eine weitere US-Armee unter General C. Hodges auf den Westerwald und das Lahntal zu. Oft stellte sich den Amerikanern nur das in aller Eile zusammengebrachte „letzte Aufgebot" entgegen: Volkssturmeinheiten und Hitlerjugend, nahezu ohne Ausrüstung und Versorgung, sollten durch Panzersperren das Vorrücken der Amerikaner verhindern. Ein vorbeiziehender deutscher Leutnant meinte beim Anblick einer solchen Sperre bei Gadernheim nur: „Das hält den Ami genau 5 Minuten auf, eine Minute zum Wegräumen und vier Minuten zum Lachen." Angesichts des schnellen Vormarsches der gut ausgerüsteten amerikanischen Verbände nutzten aber auch viele die erstbeste Gelegenheit, sich zu ergeben; andere versuchten, sich von ihren Einheiten abzusetzen und die Uniform gegen Zivilkleidung einzutauschen.
Buchstäblich in letzter Minute gab Gauleiter Sprenger noch am 24. März einen Evakuierungsbefehl für Südhessen aus, der allerdings nicht mehr zur Ausführung kam. Danach sollte die gesamte Einwohnerschaft des Rhein-Main-Gebietes ohne Aussicht auf Verpflegung und unter der ständigen Gefahr von Tieffliegern auf die Landstraße geschickt werden, um in noch unbesetzte Gebiete zu fliehen. Gleichzeitig mit der Evakuierung war beabsichtigt, den anrückenden Amerikanern durch die Zerstörung der Versorgungs- und Kommunikationseinrichtungen ein nichtregierbares Chaos zu hinterlassen.
Während die NS-Funktionäre flüchteten, versuchten in einigen Städten leitende Beamte der örtlichen Militär- und Zivilverwaltung mit Erfolg, durch offene oder passive Resistenz das Schlimmste abzuwenden und eine gewisse Verwaltungskontinuität sicherzustellen. In Wiesbaden beispielsweise waren Stadtkämmerer Dr. Heß und Verwaltungsrat Reeg entschlossen, die Chaospolitik nicht mitzumachen. Durch vorsichtige Fühlungnahme und geheime Absprachen mit den verantwortlichen Stellen der Stadtwerke und des Militärs gelang es ihnen schließlich, weitere sinnlose Kämpfe und die angeordneten Zerstörungen zu verhindern. In anderen Städten leisteten noch verbliebene SS- und Wehrmachts-Einheiten gegen den Willen der längst kriegsmüden Bevölkerung allerdings bis zuletzt Widerstand. Mancherorts kam es auch zu standrechtlichen Erschießungen, weil Befehle nicht befolgt, Stellungen nicht ausgebaut oder weiße Fahnen aufgezogen wurden.
Teilweise forderten die US-Truppen mit Lautsprechern die Verantwortlichen zur Kapitulation auf und drohten andernfalls mit einem Bombenteppich. In Fritzlar versuchten daraufhin beherzte Frauen mit einer Demonstration vergebens, die Verteidiger zur Aufgabe der Stadt zu bewegen. In der Gegend um Eschwege wurden die Amerikaner noch bis zum 7. April in Kämpfe mit versprengten deutschen Einheiten verwickelt, dann schwiegen die Waffen auch hier. Einen Monat vor der Kapitulation Deutschlands waren Nazi-Diktatur und Krieg in den hessischen Gebieten beendet.
Übrig blieb ein Bild der Zerstörung. Nicht nur die kriegswichtigen Gleisanlagen, Straßen und Industriebetriebe hatten durch die alliierten Luftangriffe schwere Schäden davongetragen, sondern fast alle größeren Städte Hessens waren stark zerstört: In Kassel, Darmstadt und Frankfurt lagen rund drei Viertel aller Häuser in Trümmern. Unzählige Menschen standen praktisch vor dem Nichts, hatten ihr Hab und Gut, ihre Heimat und — am schlimmsten noch — ihre nächsten Angehörigen verloren.
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