1. "Ich habe ein Christenmädchen geschändet!" - Der Fall Alfred Stern 1933
Im Jahr der Nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 ereigneten sich in zahlreichen deutschen Städten Übergriffe auf Jüdische Männer, denen vorgeworfen wurde, sie hätten „arische“ beziehungsweise „christliche“ Frauen geschändet. Obwohl der intime Verkehr zwischen Juden und Ariern erst durch die Nürnberger Gesetzen verboten wurde, mussten die Betroffenen meist mit einer öffentlichen Bloßstellung sowie mit harten Sanktionen des Staates rechnen. Sie wurden oft in die so genannte „Schutzhaft“ genommen, die eine Inhaftierung in Konzentrationslagern bedeutete. Im Jahr 1933 durften auf „legalem“ Wege jedoch nur politische Gegner des Regimes in Schutzhaft genommen werden. In Wahrheit wurden unter dem Begriff des „politischen Gegners“ all diejenigen gefasst, die das Regime beseitigen wollte; so auch Juden.
So wurde der Jude Alfred Stern aus Wetter ebenfalls auf Grund der Anschuldigung ein Christenmädchen entehrt zu haben bloßgestellt und anschließend für 24 Tage in Schutzhaft genommen. Zunächst jedoch wurde Stern von einigen SS-Männern durch Wetter geführt und „zur Erfrischung ins Wasser getragen“. Dieser Vorfall hat gewisse Parallelen zu dem Umzug eines jüdischen Marburger Studenten, vom 24.08.1933, der außerdem ein Schild mit der Aufschrift „Ich habe ein Christenmädchen geschändet“ tragen musste. Beide Beispiele antisemitischen Verhaltens wurden angeblich fotografiert und in der Ausländischen Presse publiziert; wie es in einigen Zeugenaussagen heißt soll in Wetter ein fremder Mottoradfahrer Fotos geschossen haben. (Dokument 1 und 4)
Nachdem Alfred Stern am 4.09.1933 festgenommen wurde, befand er sich 24 Tage in Schutzhaft, und wurde vermutlich körperlich misshandelt. (Dokument 6)
Aufgrund der widersprüchlichen Aussagen mehrere Zeugen wurden alle Vorwürfe gegen ihn fallen gelassen. (Dokument 5.0, 5.1, 5.2) Der Marburger Landrat entlässt den aufgrund von „üblem Kleinstadtklatsch“ zu unrecht inhaftierten am 28.09.1933. (Dokument 8.0 und 8.1)
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