5. Wirtschaft
Im Vergleich zur überragenden Bedeutung der Wirtschaft für die Menschen ist der Anteil wirtschaftshistorischer Quellen an den Beständen des Staatsarchivs eher gering. Dies liegt zum einen daran, daß wirtschaftlichen Unterlagen seit jeher geringere „Archivwürdigkeit“ zugesprochen wurde als solchen aus Politik und Kultur, zum anderen daran, daß diese Unterlagen überwiegend in privater Hand erwachsen und ohne Hinzuziehung von Archivaren vernichtet werden, wenn sie ihren geschäftlichen Nutzwert verloren haben.
Gleichwohl ist der wirtschaftsgeschichtliche Quellenbestand des Staatsarchivs umfangreich und wertvoll. Er stammt zum einen aus dem Bereich der Grundherrschaft, die Privatnutzen und Herrschaftsrechte miteinder verband und vom Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert hinein die ländliche Gesellschaft prägte. Urkunden und Kopiare, Güterverzeichnisse und Salbücher, Zinsregister und Steuerkataster wurden von den Landgrafen zu Hessen und den Grafen zu Waldeck, den Äbten zu Fulda und Hersfeld, den Rittern und Städten, dem Fuldaer Domkapitel und dem Deutschen Orden, den Klöstern und Stiften, der Universität und den Hospitälern archiviert, weil sie Besitz an Land und Leuten und Ansprüche auf Grundrenten und Dienste, Zehnten und Steuern und andere nutzbare Rechte begründeten und dokumentierten. Auch Amts-, Stadt-, Forst- und andere Rechnungen wurden vielfach als Beweismaterial aufgehoben. Vieles wurde nach Aufhebung der grundherrschaftlichen Verfassung im 19. Jahrhundert als nunmehr wertlos vernichtet, doch ein Teil dieser Überlieferung, ja sogar manche Belegsammlung zu Rechnungsbänden, hat diesen Sturm überdauert und gibt uns heute Aufschluß über Wirtschaftsformen und Besitzverhältnisse, Einkommen und Abgaben unserer Vorfahren.
Eine Fülle von wirtschaftshistorischen Quellen finden sich auch in den Gerichts- und Prozessakten. In vielfach langwierigen Streitigkeiten um Besitz und Rechte wurden wertvolle Karten erstellt, Gutachten und Weistümer (Auskünfte ortskundiger Alter über das Gewohnheitsrecht) eingeholt, Zeugen vernommen, auch Schriftstücke alltäglicher Art, die normalerweise nach Erfüllung ihres Zwecks vernichtet worden wären, zu den Prozessakten genommen und damit der Nachwelt erhalten.
Des weiteren besitzt das Staatsarchiv Akten aus dem Bereich staatlicher und kommunaler Wirtschaftstätigkeit. Hier ist insbesondere die in der Neuzeit zunehmend verschärfte Bewirtschaftung des immer knapper werdenden wichtigsten Brenn- und Baustoffes, des Holzes, durch die Forstbehörden zu nennen. Von besonderer Bedeutung in Hessen sind darüberhinaus die Akten über das im 16. Jahrhundert in landgräfliche Regie übernommene Salzwerk in den Soden bei Allendorf, aber auch über andere aus dem fürstlichen Bergbauregal erwachsene Unternehmungen wie den Abbau von Braunkohlen für das Salzwerk, den Betrieb von Mühlen und Hammerwerken, auch von Tongruben und Glashütten im Kaufunger Wald. Auch die Beschaffung von Uniformen und Waffen für das Ende des 17. Jahrhunderts in Hessen errichtete stehende Heer und die aus barockem Repräsentationsbedarf geborene fürstliche Bau- und Stadtplanungstätigkeit in Hessen, Waldeck und Fulda sind in Akten und Zeichnungen überliefert.
Ein wichtiger Überlieferungsbildner war auch die im 18. Jahrhundert in Hessen und auch in Fulda einsetzende merkantilistische Gewerbeförderung. Die mit der staatlichen Anlauffinanzierung von Manufakturen, der Gewährung von Konzessionen und geschäftlichen Privilegien und der Bearbeitung von Suppliken und Projekten aller Art befaßten Behörden haben ein wirtschaftsgeschichtlich höchst interessantes Schriftgut hinterlassen.
Abschließend ist noch das umfangreiche Schriftgut zu nennen, das aus der staatlichen Überwachung des Zunftzwanges, aus der besonderen Aufsicht über bestimmte Gewerbe (z.B. Apotheken), im 19. Jahrhundert dann aus den staatlichen Zuständigkeiten im Rahmen des Unfallschutzes (beginnend mit der Dampfkesselaufsicht), des Arbeiterschutzes (beginnend mit dem Verbot der Kinderarbeit), des Gewässerschutzes, des Innungs- und Kammerwesens und der Sozialversicherung erwachsen ist, ganz zu schweigen von den zahlreichen Wirtschaftsakten aus der Zeit der Kriegswirtschaft und Zwangsbewirtschaftung in und nach den beiden Weltkriegen, die noch bei weitem nicht ausgewertet sind.
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