3. Die Reformation
Literatur: Politisches Archiv des Landgrafen Philipp des Großmütigen von Hessen. Inventar der Bestände. Bd. 1 und 2 bearb. von F.Küch (Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven 78 und 85), Leipzig 1904 und 1910, Bd.3 und 4 bearb. von W. Heinemeyer (Veröff. der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck XXIV, 1 und 2), Marburg 1954 und 1959 - Urkundliche Quellen zur hessischen Reformationsgeschichte. Bd. 1 bearb. von W. Sohm, Bd. 2-4 bearb. von G. Franz (Veröff.der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck XI, 1-4), Marburg 1915, 1951-1955 - M. Zenz, Briefwechsel Landgraf Philipps des Großmütigen mit Bucer. 3 Bde (Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven 5, 28, 47), Leipzig 1880-1891 - F. Wolff, Die Überlieferung zur Reichs- und Reformationsgeschichte im Hess.Staatsarchiv Marburg, in: Festschrift Carl Dienst (Schriftenreihe der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 1), Darmstadt 1993.
In den Beständen des Staatsarchivs Marburg spiegelt sich die Geschichte des nordhessischen Raumes. Weit mehr als nur regionale Bedeutung hat die hessische Überlieferung aus der Reformationszeit. Unter Landgraf Philipp dem Großmütigen (geb. 1504, reg. 1518-1567) hat Hessen nicht nur auf die Reichspolitik, sondern auf die gesamte europäische Politik entscheidend eingewirkt. Als eigentlicher Begründer des Schmalkaldischen Bundes (1530/31-1546) wurde der Landgraf zum führenden Kopf des politischen Protestantismus und damit zum unmittelbaren Gegenspieler des Kaisers Karl V. Seine diplomatischen Aktivitäten, die von England bis Ungarn, von Dänemark bis in die Schweiz und nach Venedig reichten, haben ihren schriftlichen Niederschlag im „Politischen Archiv des Landgrafen Philipp“ gefunden. Dieses wurde seit 1898 in langjähriger Forschungsarbeit als einheitlicher Bestand rekonstruiert und durch ein detailliertes Inventar erschlossen. Hier finden sich nicht nur die diplomatischen Korrespondenzen und die Akten der großen Reformationsreichstage von 1521 bis zum Augsburger Religionsfrieden 1555, sondern auch die großen Dokumente der Reformation, darunter die Speyerer Protestation 1529, das Marburger Religionsgespräch 1529 (Vitrine 8 Nr. 32), die Augsburgische Konfession 1530. Hinzu kommt ein umfangreicher Briefwechsel des Landgrafen mit Martin Luther (Vitrine 8 Nr. 33), Philipp Melanchthon, Ulrich Zwingli, Martin Butzer und anderen Reformatoren.
Dem „Politischen Archiv“ sind auch die Akten, die der Landgraf bei der Niederwerfung seiner Gegner erbeutet hat, hinzugefügt. Dazu gehören eigenhändige Briefe des Reichsritters Franz von Sickingen und des Mühlhäuser Revolutionspredigers Thomas Müntzer, ein seltener Druck der „Zwölf Artikel der Bauernschaft“ (Vitrine 8 Nr. 34), Akten des Kaisers Maximilian I. (1493-1519), die beim Kriegszug nach Württemberg 1534 erbeutet wurden.
Das im „Politischen Archiv“ zusammengefaßte Material bietet trotz einzelner Lücken die neben dem ernestinischen Archiv in Weimar umfangreichste und vollständigste Überlieferung zur Reformationsgeschichte in Deutschland. Es wird ergänzt durch andere Bestände mit Material zur Durchsetzung der Reformation im Lande Hessen, zur Täuferbewegung, dann von der Gegenseite in den Akten der mainzischen Stifter und Ämter Fritzlar (hierin eins der seltenen Exemplare eines Ablaßbriefes - Vitrine 8 Nr. 31), Amöneburg und Neustadt und der Fürstabtei Fulda mit reicher Überlieferung zur katholischen Reform und Gegenreformation. Auch die im Staatsarchiv Marburg verwahrten Archive der Grafen von Waldeck und der Grafen von Hanau, ferner die hier hinterlegten Archive zahlreicher hessischer Adelsfamilien, von denen einzelne Angehörige wie Hans v. Berlepsch, 1521 Schloßhauptmann auf der Wartburg, oder sein Nachfolger Eberhard von der Tann eine wichtige Rolle im Geschehen jener Zeit gespielt haben, tragen zur Anreicherung bei.
Die Breite und Vielseitigkeit der hessischen Überlieferung und ihre weitgehende Erschließung, die die Voraussetzung für eine ertragreiche Auswertung durch die Forschung bietet, machen das Staatsarchiv Marburg zum bedeutendsten Dokumentationszentrum für die Reformationsgeschichte in Deutschland. F.W.
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