4. Flüchtlinge
Flüchtlinge in Herford
Von Joachim Jennrich
Mehr als ein Jahr nach Kriegsende erhellt das Schreiben vom 11. September 1946 aus dem Kreisflüchtlingsamt schlaglichtartig die gesellschaftliche und materielle Situation im Kreis Herford.
An einem Sonntagabend kommt, offenbar völlig überraschend für die Kreisverwaltung, ein Flüchtlingstransport mit etwas mehr als 1700 Personen aus Oberschlesien in Herford an.
Aus dem Tenor des ganzen Schreibens ist einerseits die Unzufriedenheit mit dieser Entwicklung herauszulesen, andererseits ist auch klar, dass die neu Hinzugekommenen versorgt und untergebracht werden müssen.
Mit den 1708 Personen des Transportes aus Glatz/Oberschlesien steigt die Zahl der Ausgewiesenen und Evakuierten in Herford auf 37 710 an. Herford hatte zum damaligen Zeitpunkt 115 502 einheimische Einwohner. Damit sind Mitte September 1946 rund ein Drittel (32,6%) der Bewohner Herfords Flüchtlinge.
Von 1939 bis Dezember 1946 stieg die Bevölkerung des Amtes Herford um knapp 34 600 von 119 077 auf 153 649 an. Im selben Zeitraum war die Einwohnerzahl der Einheimischen um etwa 4 600 Personen gesunken. Der geringer werdenden Zahl an Einheimischen stand eine zunehmende Anzahl von Evakuierten und Flüchtlingen gegenüber. Die wöchentlichen Berichte der Kreisveraltung verzeichnen im Herbst 1945 ungefähr 500 neue Einwohner pro Woche. Bis zum Sommer 1946 geht diese Zahl auf wöchentlich 50 bis 100 zurück.
Die dürren Angaben der wöchentlichen Berichte werden der Dynamik der Mobilität in dieser Zeit kaum gerecht: Zuwanderung, Abwanderung, Todesfälle lassen sich im einzelnen nicht näher bestimmen.
Der Bevölkerungsanstieg in Herford setzte bereits einige Zeit früher ein. Er ging teilweise auf die aus bombardierten Städten des Ruhrgebietes und des Rheinlands evakuierte Bevölkerung („Westevakuierte“) zurück. Bereits seit 1943 gab es freiwillige und von den Behörden gelenkte Evakuierungsmaßnahmen aus den vom Bombenkrieg bedrohten Gebieten in das ländliche Umland, aber auch in weiter entfernte sicherere Regionen.
Hinzu kamen die „Displaced Persons“ (DPs), ausländische Zivilisten, meist wohl Zwangsarbeiter, oder Menschen, die aus rassischen, religiösen oder politischen Gründen ihr Heimatland verlassen hatten. Im Dezember 1946 wird diese Gruppe in Herford mit 345 Personen angegeben.
Im Winter 1944/45 setzte die Zuwanderung durch Flüchtlinge nach Ostwestfalen ein und überlagerte in den Jahren 1945/47 die Rückwanderung der einheimischen evakuierten Bevölkerung in ihre Heimatstädte.
Die ersten Flüchtlinge kamen als einzelreisende Personen nach Ostwestfalen. Die großen Flüchtlingstransporte in diesen Raum setzten wohl erst gegen Ende des Jahres ein.
Der Höhepunkt der Entwicklung wird im Amt Herford im Oktober 1946 mit 38 785 Evakuierten und Flüchtlingen (33,9% der Bevölkerung) – etwas mehr als die Hälfte (19 595) stammt aus dem Osten – erreicht, während die Zahl der Einheimischen auf 114 455 weiter zurückgeht. Dem Amt Herford war somit ein überdurchschnittlich großer Anteil an diesen Bevölkerungsgruppen zugewiesen worden. Die britische Besatzungszone, zu der Herford gehörte, verzeichnete gegenüber 1939 mit 18% einen vergleichsweise geringen Bevölkerungszuwachs.
Die hohe Zuweisungsrate führte in Herford im Herbst 1946 zu Schwierigkeiten bei der Versorgung der Flüchtlinge mit Wohnraum. Das Durchgangslager Elverdissen bot schon wegen weiterer zu erwartender Transporte lediglich vorübergehend Platz. Noch vor Erreichen des Höchststandes an Flüchtlingen und Evakuierten im Oktober 1946, stellt das Kreisflüchtlingsamt zwei Monate früher, am 1.8.1946 fest, dass die „Wohnverhältnisse bis zum äußersten angespannt“ seien. Deshalb schien es der Verwaltung im September des gleichen Jahres, nach Ankunft des oben erwähnten Transportes aus Glatz, angeraten, über die Presse die Wohnungseigentümer „innerlich“ auf die weitere Aufnahme von Flüchtlingen, und damit auf weitere Belastungen, vorzubereiten.
Im Landkreis Herford gab es Ende Dezember 1946 32 000 Wohneinheiten, 647 mehr als bei Kriegsausbruch 1939, mit einer Netto-Wohnfläche von etwas mehr als 892 000 m2. Hiervon waren knapp 107 000 m2 (11,9%) von den Briten beschlagnahmt worden, so dass nur ca. 785 000 m2 der rasch anwachsenden Bevölkerung zur Verfügung standen. Die erwartete Rückkehr von 12 402 Wehrmachtsangehörigen hätte die Lage noch weiter verschärft.
Der Bericht konstatiert die Einzigartigkeit der Wohnraumsituation in Herford. Lediglich 5,11m2 Wohnfläche pro Person stünden zur Verfügung. „Der Landkreis Herford steht im Regierungsbezirk Minden an 2. Stelle hinsichtlich der Wohnraumbelegung.“
Diese Situation ist das Ergebnis alliierter Flüchtlingsverteilung. Sie richtete sich zunächst nach dem vorhandenen Wohnraum. Das Münsterland und Ostwestfalen mit seiner aufgelockerten Siedlungsstruktur und relativ geringen Kriegszerstörungen - lediglich 707, das sind 2,1% der Wohneinheiten Herfords waren durch Kriegseinwirkung in Mitleidenschaft gezogen worden, davon war rund ein Drittel (217 Wohneinheiten) zu mehr als 40% beschädigt - boten sich als Aufnahmegebiete an. Noch 1949 wiesen die Regierungsbezirke Münster und Detmold mit 11% bzw. 16,3% Flüchtlingen an der Gesamtbevölkerung die höchsten Werte in dem 1946 neu gegründeten Land Nordrhein-Westfalen auf. Die von Kriegszerstörungen mehr betroffenen, stärker verstädterten und industrialisierten und anfangs mit Zuzugssperre belegten rheinischen Regierungsbezirke Aachen, Düsseldorf und Köln hatten dagegen mit 4,7%, 5,5% und 7,4% deutlich geringere Anteile.
Trotz der für Ostwestfalen günstigen Rahmenbedingungen überstieg die Nachfrage nach Wohnraum das entsprechende Angebot um ein Vielfaches. Über Wohnraumbewirtschaftung, die schon für die evakuierte Bevölkerung praktiziert wurde, versuchten die Gemeindebehörden jetzt mit Hilfe von „Wohnungseinweisern“ die Not der Flüchtlinge zu mildern. Dies geschah überwiegend durch „Maßnahmen, die darauf abzielen, durch Zusammenrücken innerhalb der Wohnung mehr Unterbringungsmöglichkeit zu schaffen“, also durch Einquartierungen.
Vereinzelt gab es Beschlagnahmungen von Wohnraum und -eigentum durch Behörden. In einem Schreiben vom 10. August 1945 an „die Herren Amtsbürgermeister des Kreises“ bezeichnete der Landrat des Kreises Herford die eigenmächtige Beschaffung von Wohnraum als Willkürakte. Unter dem „Einfluss radikaler Gruppen“ würden „Personen, welche der Nazipartei angehört haben, mit Gewalt aus den Wohnungen“ herausgedrängt und die Wohnungseinrichtungen, komplett oder teilweise „Nichtparteimitgliedern“ zugewiesen. Dieses Vorgehen widerspreche einerseits „dem demokratischen Grundsatz, dass vor dem Gesetz alle Bürger gleich sind“, und andererseits sei die Verfolgung „von Kriegsverbrechern und schuldigen Naziführern“ allein Sache der Alliierten.
Die Einstellung der einheimischen Bevölkerung den Flüchtlingen gegenüber ist überwiegend positiv bis neutral gewesen. Das Dokument vom 3. Februar 1947 macht diese Haltung deutlich.
Es gab aber auch Personen, die „vollkommen gegen uns Flüchtlinge eingestellt“ waren. Es ist anzunehmen, dass diese Haltung häufig anzutreffen war, zumal sich die Lokalzeitung in einer kurzen Notiz dieses Problems annahm. Diese „krassen Ausnahmen“ in der Bevölkerung, „die die Not der Flüchtlinge nicht verstehen wollen“ seien “bezeichnenderweise ... ausschließlich in den Kreisen ehemaliger nazistischer Aktivisten zu suchen“.
In den Akten ist eine nicht geringe Anzahl von Konfliktfällen dokumentiert. Es finden sich jedoch keine Aussagen über den (mutmaßlichen) politischen Hintergrund der jeweiligen Kontrahenten.
Zu solchen Konflikten gehörten fortgesetzte Beschwerden der Wohnungseigentümer über die Einquartierung, die dann meist zu einer Aussetzung des Verfahrens führten. „Dadurch ... gewinne der Beschwerdeführer erst einmal eine längerer(!) Zeit Frist, in welcher alsdann die Flüchtlinge anderweitig untergebracht werden müssten. Durch derartige Eingriffe ... würde unter den bereitwilligen Wohnungsinhabern Unzufriedenheit ausgelöst, so dass auch diese sich weigerten, Flüchtlinge und Ausgewiesene aufzunehmen, wenn nicht auch der betreffende Beschwerdeführer Heimatlose aufnehmen müsse“.
Es gab aber auch Beschwerden der Flüchtlinge, von Amts wegen zugewiesener Wohnraum werde ihnen von den Wohnungseigentümern verweigert, oder die für die Lagerung von Lebensmittel dringend benötigte Nutzung des Kellers sei aus vielerlei Gründen untersagt.
Hinzu kamen beleidigende und herabwürdigende Äußerungen über die Flüchtlinge sowie Verbote, den Bauernhof, das Haus, dem sie zugewiesen worden waren, zu betreten. Einen wohl besonders gravierenden Fall meldet die Freie Presse(?). Ein Landwirt aus dem Amte Enger habe einen Schwerkriegsbeschädigten im Stall untergebracht, „anstatt ihn in seine übergroße Wohnung aufzunehmen.“ Gegen ihn wurde ein Strafverfahren eingeleitet und außerdem sind ihm „zwei Familien mit zusammen achtzehn Angehörigen zwangsweise zugewiesen worden“. Es gab auch sonst Zwangsmaßnahmen, um verweigerten Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Meist wurden die Konfliktfälle jedoch pragmatisch durch Umquartierung gelöst. Nur wenige Beschwerden konnten nicht auf lokaler Ebene geregelt werden. Das Kreiswohnungsamt vermeldet für den Zeitraum von Mai1945 bis zum Juni 1946 sieben Beschwerden in Wohnungsangelegenheiten, die zur Schlichtung beim Regierungspräsidenten in Minden vorgelegt werden mussten.
Da die Flüchtlinge meist ohne viel persönliches Gepäck in Herford eintrafen, galt es, sie auch mit den notwendigsten materiellen Dingen zu versorgen. Angesichts der großen Anzahl hilfsbedürftiger Flüchtlinge, der allgemeinen Mangelsituation und der Aufteilung eines früher einheitlichen Wirtschaftsraumes in Besatzungszonen war dies für die Kreisverwaltung ein großes Problem, das schnell und nachhaltig gelöst werden musste, um Unzufriedenheit, Krankheiten und Kriminalität zu verhindern. Dabei kamen der Verwaltung Strukturen zugute, die in den letzten Kriegsmonaten für Evakuierte, Kriegsgefangene und Fremdarbeiter aufgebaut worden waren.
In der Bevölkerung wurden und Materialsammlungen durchgeführt. Bekleidung und Wäsche, Schlafdecken, Möbel und Haushaltsgegenstände aller Art wurden gesammelt. In Vlotho konnte im September 1946 „jeder Flüchtlingsfamilie eine einmalige Erstausrüstung“ an Bekleidung und Wäsche sowie an dringend benötigten Möbeln aus den Beständen früherer Sammlungen zugeteilt werden. Zumindest in Vlotho waren die städtischen Ämter eifrig und erfindungsreich.
Die Initiative des sozialdemokratischen Bürgermeisters und einheimischer Firmen, die aus dem amerikanischen Sektor einen nicht näher quantifizierten „größeren Posten“ Küchenherde „frei machte(n)“, ermöglichte es, alle Flüchtlingsfamilien Vlothos mit einem eigenen Herd auszustatten. Die Stadtverwaltung organisierte Aluminium, um Töpfe, Schüsseln u.ä. produzieren zu lassen und stellte zusammen mit dem Kreiswirtschaftsamt einen kombinierten Küchen- und Kleiderschrank her. Außerdem errichtete sie eine Volksküche, die täglich ca. 120 Portionen ausgeben konnte.
Die in der Presse genannten Sammelergebnisse (über 500 Schlafdecken, 300 Bettgestelle mit Strohsäcken oder Matratzen, 458 Stühle, 55 Tische) zeigen einerseits die Solidarität der Einheimischen mit den neuen Mitbürgern, wirken angesichts der vielen bedürftigen Flüchtlinge aber eher bescheiden.
Außerdem wurde Geld gesammelt. Im September 1946 kamen auf diese Weise in der Stadt Herford ca. 47 000 RM und im Landkreis weitere 94 312 RM zusammen. Ein, gemessen an der Einwohnerzahl des Amtes Herford, eher bescheidenes Ergebnis. In Vlotho sammelten die Flüchtlinge gar selbst ca. 3 000 RM als Dank für die Spinnstoff- und Schuhwarenspende der „Aktion Severing“.
Kranke und alte Flüchtlinge wurden von der einheimische Bevölkerung als weitere, zusätzliche Belastung empfunden.
Im Dezember 1946 gab es in Herford „1 220 an Tuberkulose erkrankte und gefährdete Personen, welche von dem staatlichen Gesundheitsamt erfasst sind“. Bei den oben geschilderten beengten Wohnverhältnissen bestand höchste Ansteckungsgefahr und die Notwendigkeit, weitere 20 000 m2 Wohnraum - ein Einzelzimmer für jeden Kranken - zur Verfügung zu stellen. Das Kreis- und Stadtkrankenhaus Herford war zu einem erheblichen Teil zerstört worden und stand zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wieder zur Verfügung. Außerdem fehlte es an Betreuungsstätten für Alte und Gebrechliche, denn „durch die Transporte an ausgewiesenen sind insbesondere anfällige, gebrechliche und alte Personen angefallen.“
Als bedrohlich wurde auch die zunehmende soziale Verwahrlosung Jugendlicher sowie die anwachsende Kriminalität empfunden, die offenbar zum großen Teil Jugendkriminalität war und bei der oft alltäglich benötigte Gegenstände entwendet wurden. Das Flüchtlingsamt der Stadt Bielefeld suchte z.B. im August 1947 nach zwei 15-jährigen Jungen, die aus dem städtischen Kinderheim je zwei Handtücher, Jacken und Mäntel sowie ein Nachthemd entwendet und das Haus „durch ein Fenster der Küche widerrechtlich verlassen“ haben. Die Jugendlichen, die von der Bahnhofsmission „aufgegriffen“ worden seien, hätten „einen übernächtigten und verkommenen Eindruck“ gemacht und vagabundierten wahrscheinlich weiter herum.
Außerdem wurde nach einem 23-jährigen „Einzelflüchtling“ gesucht, der „von einem Arbeitskameraden 1 Hemd und 1 Paar Strümpfe“ lieh, „fortgegangen und nicht mehr zurückgekehrt“ ist. „Da es sich in diesem Falle um einen arbeitsscheuen Menschen handelt, der versuchen wird, die Gutmütigkeit anderer Menschen auszunutzen, und auch vor Betrug und Diebstahl nicht zurückschrecken wird“, sei “bei Auftauchen seine Festnahme zu veranlassen.“
Die für den Zeitraum 1946/47 vorliegenden Quellen bestätigen die These von der großen Belastung und von der Verschärfung sozialen Elends, zumal die ersten Flüchtlingstransporte zum großen Teil aus Alten, Kindern, Frauen und Erwerbsunfähigen bestanden. Die erwerbsfähigen Männer, besonders die Facharbeiter, wurden anfangs in großer Zahl in den von den Polen besetzten ehemaligen deutschen Ostgebieten zurückgehalten oder waren, ohne Registrierung durch die Flüchtlingsämter, bei Verwandten oder Bekannten untergekommen.
„Die Arbeitsfähigkeit der Flüchtlinge war noch widersprüchlich. Einerseits waren sie aufgrund der Fluchtumstände physisch erschöpft und moralisch destabilisiert. Andererseits wurde ihre Bereitschaft, auch unbeliebte Arbeit aufzunehmen, von der Arbeitsverwaltung hervorgehoben“, so z.B. als billige Landarbeiter. Ein Teil der Flüchtlinge war auch in ihren Heimatgebieten in der Landwirtschaft beschäftigt gewesen. Und da der Arbeitskräftebedarf der ostwestfälischen Landwirtschaft sehr hoch war; konnte sie den Flüchtlingen also ausreichend Beschäftigungs- und Verpflegungsmöglichkeiten bieten und trug so doppelt, durch verbesserte Nahrungsmittelproduktion und durch Entschärfung des Ernährungsproblems, dazu bei, die Grundlage für den wirtschaftlichen Rekonstruktionsprozess zu legen.
Die Flüchtlinge halfen auch mit, in den ländlichen Gebieten Industrien auf- und auszubauen. Hier konnten für sie zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden; in manchen westfälischen ländlichen Kreisen stellten sie rund 30% der Industriebeschäftigten. Bei diesen hier angesiedelten Betrieben handelte es sich insbesondere um Betriebe der Holzver- und -bearbeitung, um Bekleidungs-, Textil- und Nahrungsmittelindustrien, die traditionellerweise in den ländlichen Regionen ihren Sitz hatten. „Die Erweiterung dieser größtenteils zu den Verbrauchsgütern zählenden Industrien und die nachkriegsbedingte Absatzkonjunktur für diese Industrieprodukte standen im wechselseitigen Zusammenhang.“
Gerade in diesen Industriezweigen kam es noch vor der Währungsreform zur Gründung von Flüchtlingsunternehmen. Mit geringem Kapitalaufwand produzierten sie unter den Rahmenbedingungen Bewirtschaftung und Schwarzer Markt im unternehmerischen Sinne meist erfolgreich für die Versorgung der Bevölkerung.
Als „Ausdruck regionaler Dislokationen und Mobilitätsdefizite, nicht aber Kennzeichen mangelnder Aufnahmefähigkeit“ werden die hohen Arbeitslosenzahlen im ostwestfälischen Raum gesehen. 1949 waren im Arbeitsamtsbezirk Herford 28,8% der Arbeitslosen Flüchtlinge. Dieser Anteil lag weit über dem des Landes Nordrhein-Westfalen (13,0%) und des Landesteiles Westfalen (19,9%). Die verstreute Wohnlage, die schlechte Verkehrserschließung und die geringe individuelle Mobilität behinderten trotz vorhandener vielfältiger Verbrauchsgüter herstellender Betriebe die industrielle Beschäftigung in der Nähe der Wohnorte.
Der Anteil der Flüchtlinge am wirtschaftlichen (Wieder-)Aufstieg Ostwestfalens, ihre gesellschaftliche Eingliederung, ist offenbar noch nicht näher untersucht worden. Vieles deutet darauf hin, dass sich die Entwicklung in diesem Raum von der der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gesamtentwicklung in der Bundesrepublik nicht (stark) unterscheidet.
Literaturhinweise:
Freie Presse. Herforder Nachrichten für Stadt und Land (14.9.1946).
Kleinert, Uwe, Flüchtlinge und Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen 1945-1961, Düsseldorf 1988.
Kleßmann, Christoph, Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945 – 1955. (=Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung Bd.193). Bonn 1986.
Statistische Rundschau für das Land Nordrhein-Westfalen 1(1949).
Strukturbericht des Arbeitsamtes Herford. MS 1959.
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