22. Die Verfassung - Programm und Wirklichkeit: 6.1. Erster Landtag und erste gewählte Regiertung
Gleichzeitig mit der Volksabstimmung über die Hessische Verfassung fand am l. Dezember 1946 auch die Wahl zum ersten Hessischen Landtag statt. Diese brachte eine nicht unerhebliche Kräfteverschiebung zwischen den Parteien. Besonders auffallend war, daß die Liberal-Demokratische Partei gegenüber der Wahl vom 30. Juni die Zahl ihrer Mandate mehr als verdoppeln konnte und 14 statt sechs Sitze erhielt. Offensichtlich hatten viele bürgerliche Wähler das konsequente „Nein" der LDP zur Hessischen Verfassung honoriert. Die CDU dagegen konnte nur noch 28 (statt vorher 35) Mandate erringen. Ähnliche Verschiebungen gab es bei den Arbeiterparteien. Die KPD verfügte jetzt über zehn (statt bisher sieben) Mandate, während die SPD nur noch 38 (bisher 42) Mandate erhielt.
Wie im Rahmen des Verfassungskompromisses vertraulich vereinbart, bildeten SPD und CDU gemeinsam die Regierung. Ministerpräsident wurde Christian Stock (SPD). Der frühere Gewerkschaftssekretär war nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im Jahr 1933 als Direktor der AOK Frankfurt entlassen und zeitweise in ein KZ verbracht worden. Stellvertretender Ministerpräsident und Finanzminister wurde der hessische CDU-Vorsitzende Dr. Werner Hilpert, der als früherer Zentrumspolitiker mehrere Jahre im KZ Buchenwald inhaftiert war. Weitere Mitglieder der Regierung waren: Justizminister Georg August Zinn (SPD), Heinrich Zinnkann (SPD) als Minister für Inneres und Wiederaufbau, Dr. Erwin Stein (CDU) als Minister für Kultus und Unterricht, Dr. Harald Koch (SPD) als Minister für Arbeit und Wohlfahrt, Karl Lorberg (CDU) als Minister für Ernährung und Landwirtschaft und Gottlob Binder (SPD) als Minister für politische Befreiung.
Obwohl die Bewältigung von Hunger und Not damals zwangsläufig im Vordergrund der Regierungstätigkeit stand und ein ständiges Krisenmanagement erforderte, war das Kabinett Stock bestrebt, grundlegende Reformen durchzuführen. Die Regierung schuf das erste deutsche Betriebsverfassungsgesetz, das die gleichberechtigte Mitbestimmung von Arbeitnehmern in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten vorsah. Bemerkenswert war auch, in welchem Umfang sowohl SPD als auch CDU die Entnazifizierung mittrugen und bestrebt waren, eine demokratische Verwaltung aufzubauen. Kultusminister Stein verwirklichte nicht nur die Schulgeld- und Lernmittelfreiheit an hessischen Schulen, sondern sorgte durch ein Bündel von Maßnahmen auch für die demokratische Erziehung an hessischen Schulen. Zur Verabschiedung des von Kultusminister Stein im Jahr 1950 vorgelegten Schulaufbaugesetzes, das die sechsjährige statt der bisherigen vierjährigen Grundschule vorsah, kam es jedoch nicht. Zu den Mißerfolgen der Regierung gehörte auch, daß die besondere Unternehmensform, die Wirtschaftsminister Harald Koch für die nach Art. 4l sozialisierten Betriebe entwickelte, im Landtag scheiterte.
Wenn die trotz mancher Konflikte im Grunde harmonische Zusammenarbeit von SPD und CDU im Jahr 1950 endete, so lag dies an der deutlichen Wahlniederlage, die die CDU bei den Landtagswahlen vom November 1950 hinnehmen mußte. Der Stimmenanteil der CDU ging von 31% auf 19%, die Zahl ihrer Mandate von 28 auf 12 zurück. Stärkste bürgerliche Partei wurden jetzt die Liberaldemokraten, die - auch dank eines Wahlbündnisses mit der Flüchtlingspartei BHE — 32% der Stimmen und 21 (früher 14) Mandate auf sich vereinigen konnten. Die LDP errang damals ihren größten Wahlerfolg; sie profitierte davon, daß große Teile des protestantischen Bürgertums die CDU noch nicht als überkonfessionelle Partei akzeptierten und auch ihr Regierungsbündnis mit der SPD mißbilligten. Wahlsieger wurde die SPD, die mit 47 Mandaten die absolute Mehrheit der Sitze im Landtag errang und Georg August Zinn zum neuen Ministerpräsidenten wählte.
Wie im Rahmen des Verfassungskompromisses vertraulich vereinbart, bildeten SPD und CDU gemeinsam die Regierung. Ministerpräsident wurde Christian Stock (SPD). Der frühere Gewerkschaftssekretär war nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im Jahr 1933 als Direktor der AOK Frankfurt entlassen und zeitweise in ein KZ verbracht worden. Stellvertretender Ministerpräsident und Finanzminister wurde der hessische CDU-Vorsitzende Dr. Werner Hilpert, der als früherer Zentrumspolitiker mehrere Jahre im KZ Buchenwald inhaftiert war. Weitere Mitglieder der Regierung waren: Justizminister Georg August Zinn (SPD), Heinrich Zinnkann (SPD) als Minister für Inneres und Wiederaufbau, Dr. Erwin Stein (CDU) als Minister für Kultus und Unterricht, Dr. Harald Koch (SPD) als Minister für Arbeit und Wohlfahrt, Karl Lorberg (CDU) als Minister für Ernährung und Landwirtschaft und Gottlob Binder (SPD) als Minister für politische Befreiung.
Obwohl die Bewältigung von Hunger und Not damals zwangsläufig im Vordergrund der Regierungstätigkeit stand und ein ständiges Krisenmanagement erforderte, war das Kabinett Stock bestrebt, grundlegende Reformen durchzuführen. Die Regierung schuf das erste deutsche Betriebsverfassungsgesetz, das die gleichberechtigte Mitbestimmung von Arbeitnehmern in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten vorsah. Bemerkenswert war auch, in welchem Umfang sowohl SPD als auch CDU die Entnazifizierung mittrugen und bestrebt waren, eine demokratische Verwaltung aufzubauen. Kultusminister Stein verwirklichte nicht nur die Schulgeld- und Lernmittelfreiheit an hessischen Schulen, sondern sorgte durch ein Bündel von Maßnahmen auch für die demokratische Erziehung an hessischen Schulen. Zur Verabschiedung des von Kultusminister Stein im Jahr 1950 vorgelegten Schulaufbaugesetzes, das die sechsjährige statt der bisherigen vierjährigen Grundschule vorsah, kam es jedoch nicht. Zu den Mißerfolgen der Regierung gehörte auch, daß die besondere Unternehmensform, die Wirtschaftsminister Harald Koch für die nach Art. 4l sozialisierten Betriebe entwickelte, im Landtag scheiterte.
Wenn die trotz mancher Konflikte im Grunde harmonische Zusammenarbeit von SPD und CDU im Jahr 1950 endete, so lag dies an der deutlichen Wahlniederlage, die die CDU bei den Landtagswahlen vom November 1950 hinnehmen mußte. Der Stimmenanteil der CDU ging von 31% auf 19%, die Zahl ihrer Mandate von 28 auf 12 zurück. Stärkste bürgerliche Partei wurden jetzt die Liberaldemokraten, die - auch dank eines Wahlbündnisses mit der Flüchtlingspartei BHE — 32% der Stimmen und 21 (früher 14) Mandate auf sich vereinigen konnten. Die LDP errang damals ihren größten Wahlerfolg; sie profitierte davon, daß große Teile des protestantischen Bürgertums die CDU noch nicht als überkonfessionelle Partei akzeptierten und auch ihr Regierungsbündnis mit der SPD mißbilligten. Wahlsieger wurde die SPD, die mit 47 Mandaten die absolute Mehrheit der Sitze im Landtag errang und Georg August Zinn zum neuen Ministerpräsidenten wählte.
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