12. Die Verfolgung des Widerstands: Hermann Kaiser
Hermann Kaiser wurde am 31. Mai 1885 als Sohn des Pädagogen Dr. Ludwig Kaiser und seiner Frau Alma in Remscheid geboren. Bereits ein Jahr nach seiner Geburt zog die Familie nach Wiesbaden, wo der Vater die Stelle des Direktors an der Oranienschule übernahm. Gemeinsam mit seinen zwei Brüdern und vier Schwestern wuchs Hermann Kaiser in Wiesbaden auf. In dem bildungsbürgerlichen Elternhaus – der Vater war Gymnasiallehrer, die Mutter war musisch gebildet – kamen die Kinder mit Wissenschaft und Kunst in Berührung. Politisch herrschte eine nationalliberale Gesinnung, die auch Hermann Kaiser prägte: Bismarck, der mit „Blut und Eisen“ das deutsche Kaiserreich begründet, dann aber den innenpolitisch autoritären und außenpolitisch „saturierten“ Nationalstaat als zuverlässiges Mitglied in die Völkergemeinschaft eingebunden hatte, wurde als Nationalheld verehrt.
Auch beruflich folgte Hermann Kaiser seinem Vater nach, als er 1912 im Anschluss an das Studium der Mathematik, Physik, Geschichte und Kunstgeschichte den Beruf des Lehrers an der Wiesbadener Oranienschule ergriff. Der allgemeinen Kriegsbegeisterung folgend, meldete sich Hermann Kaiser nach zwei Jahren im Schuldienst im August 1914 freiwillig zum Militärdienst. Er wurde zum Oberleutnant befördert und erhielt das Eiserne Kreuz 1. Klasse.
Das Ende des geliebten Kaiserreiches erlebte der begeisterte Pädagoge als ein Trauma. In den neuen politischen Verhältnissen, wie sie durch die Weimarer Republik und den Frieden von Versailles begründet worden waren, sah Kaiser eine „Misshandlung Deutschlands“; er verabscheute den „Parteienhader“ und den „Klassenhaß“ der parlamentarischen Demokratie. So nimmt es nicht wunder, dass Hermann Kaiser den Nationalsozialismus in seinen Anfängen freudig begrüßte und in die NSDAP eintrat. Wie viele andere Angehörige der bildungsbürgerlichen Mittelschicht sah Kaiser nun die Chance zum „nationalen Wiederaufstieg“. Sowohl die Aufrüstung als auch die gesellschaftliche Aufwertung des Militärischen insgesamt fanden die volle Billigung des von der preußisch-deutschen Militärgeschichte faszinierten Kaiser. Die Verfolgung der politischen Linken begrüßte er noch als Abrechnung mit den „Novemberverbrechern“ und den „Bolschewisten“.
Doch schon bald nach der Machtergreifung setzte bei Kaiser jener für das nationalkonservative Spektrum typische Lernprozess ein, der ihn von einem Befürworter des Nationalsozialismus zu einem vehementen Gegner Hitlers werden ließ. Kaisers politische Grundüberzeugungen erwiesen sich schon sehr bald als unvereinbar mit dem totalitären System. So schrieb Kaiser 1941: „Als Fundamente jeder Regierung bezeichnete ich: Geistesfreiheit und Gerechtigkeit“. Dem konservativen Patrioten war deutlich geworden, dass der Nationalsozialismus die preußisch-deutsche Tradition nicht bewahren wollte, sondern sich ihrer nur als Instrument für eine unberechenbare, verbrecherische Politik bediente. Anstoß nahm der gläubige Christ auch an der antikirchlichen, religiöse Werte und Normen verletzenden Politik des Nationalsozialismus, den er zunehmend als „Sünde wider Gott“ empfand.
Erste unheilvolle Vorahnungen nahmen während des sogenannten „Röhm-Putsches“ Gestalt an. Denn diese Mordaktion vom 30. Juni und 1. Juli 1934 richtete sich nicht nur gegen die Widersacher Hitlers aus der eigenen Partei, sondern erstmalig auch gegen politisch missliebige Persönlichkeiten aus Bürgertum und Adel, die bislang mit den neuen Machthabern kooperiert hatten. Kaiser scheute nicht davor zurück, seinem Missmut auch öffentlich Ausdruck zu verleihen. So verweigerte er geflissentlich den „deutschen“ Gruß. Bei seiner Ansprache anlässlich der Einweihung eines Denkmals für die Gefallenen des Feldartillerie-Regiments Nr. 27 Oranien – Kaisers Einheit im Ersten Weltkrieg – vermied er im Oktober 1934 die namentliche Erwähnung Hitlers, was ihm erhebliche Anfeindungen seitens der Partei einbrachte. In seiner Empörung über die Verbrechen gegenüber den Juden sprach Kaiser der NS-Führung jegliche Moralität ab. Seit Kriegsbeginn hoffte er auf einen Staatsstreich, der die „unreinen Elemente“ aus Staat und Gesellschaft wieder beseitigen sollte.
1939 wurde Kaiser als Hauptmann der Reserve zur Wehrmacht eingezogen. Im Jahr darauf berief der Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres, Generaloberst Friedrich Fromm, Kaiser in seinen Stab in das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) nach Berlin. Zu dieser Zeit entwickelte sich das OKW zu einem der Zentren der militärischen Widerstandsbewegung. Auf dem vergleichsweise unbedeutenden Posten eines Kriegstagebuchführers kam Kaiser nun in engen Kontakt zu deren Führungsriege. In Hitlergegnern wie Olbricht oder später dann Stauffenberg, gleichfalls tief im christlichen Glauben verankert und humanistisch gebildet, fand Kaiser rasch eine geistige Verwandtschaft und persönliche Beziehung.
Kaisers Bedeutung für den 20. Juli 1944 beruhte auf seiner Mittlerfunktion zwischen militärischem und zivilem Widerstand. Im Januar 1941 suchte Kaiser den früheren Generaloberst Ludwig Beck auf. Noch im selben Jahr brachte Beck den neuen Weggefährten mit Carl Friedrich Goerdeler zusammen. Nun nicht mehr allein Mitwisser, sondern bereits aktives Mitglied der Verschwörung, nutzte Kaiser seine Vertrauensposition beim militärischen und beim zivilen Widerstand, um beide Seiten zusammenzuführen und aufeinander abzustimmen. Er stellte die Verbindung zwischen Stauffenberg und Goerdeler her; dieser sah Kaiser als zukünftigen Staatssekretär im Kultusministerium einer Regierung nach Hitler vor.
Nach dem Scheitern des Umsturzversuches vom 20. Juli wurden die NS-Ermittler der besonderen Bedeutung Kaisers sehr bald gewahr, zumal die Walküre-Pläne ihn als Verbindungsoffizier im Wehrkreis XII (Wiesbaden) auswiesen. Die Gestapo erkannte in Kaiser nach dessen Verhaftung am 21. Juli 1944 einen „der wesentlichen geistigen Hintermänner“ des Staatsstreichs; die Begründung zu seinem Todesurteil vom 18. Januar 1945 verhöhnte ihn als „dienstfertigen Lakai zwischen Stauffenberg und Goerdeler“. Fünf Tage später wurde Hermann Kaiser gemeinsam mit Helmuth James von Moltke, Theodor Haubach, Ludwig Schwamb und anderen Widerstandskämpfern hingerichtet.
Auch beruflich folgte Hermann Kaiser seinem Vater nach, als er 1912 im Anschluss an das Studium der Mathematik, Physik, Geschichte und Kunstgeschichte den Beruf des Lehrers an der Wiesbadener Oranienschule ergriff. Der allgemeinen Kriegsbegeisterung folgend, meldete sich Hermann Kaiser nach zwei Jahren im Schuldienst im August 1914 freiwillig zum Militärdienst. Er wurde zum Oberleutnant befördert und erhielt das Eiserne Kreuz 1. Klasse.
Das Ende des geliebten Kaiserreiches erlebte der begeisterte Pädagoge als ein Trauma. In den neuen politischen Verhältnissen, wie sie durch die Weimarer Republik und den Frieden von Versailles begründet worden waren, sah Kaiser eine „Misshandlung Deutschlands“; er verabscheute den „Parteienhader“ und den „Klassenhaß“ der parlamentarischen Demokratie. So nimmt es nicht wunder, dass Hermann Kaiser den Nationalsozialismus in seinen Anfängen freudig begrüßte und in die NSDAP eintrat. Wie viele andere Angehörige der bildungsbürgerlichen Mittelschicht sah Kaiser nun die Chance zum „nationalen Wiederaufstieg“. Sowohl die Aufrüstung als auch die gesellschaftliche Aufwertung des Militärischen insgesamt fanden die volle Billigung des von der preußisch-deutschen Militärgeschichte faszinierten Kaiser. Die Verfolgung der politischen Linken begrüßte er noch als Abrechnung mit den „Novemberverbrechern“ und den „Bolschewisten“.
Doch schon bald nach der Machtergreifung setzte bei Kaiser jener für das nationalkonservative Spektrum typische Lernprozess ein, der ihn von einem Befürworter des Nationalsozialismus zu einem vehementen Gegner Hitlers werden ließ. Kaisers politische Grundüberzeugungen erwiesen sich schon sehr bald als unvereinbar mit dem totalitären System. So schrieb Kaiser 1941: „Als Fundamente jeder Regierung bezeichnete ich: Geistesfreiheit und Gerechtigkeit“. Dem konservativen Patrioten war deutlich geworden, dass der Nationalsozialismus die preußisch-deutsche Tradition nicht bewahren wollte, sondern sich ihrer nur als Instrument für eine unberechenbare, verbrecherische Politik bediente. Anstoß nahm der gläubige Christ auch an der antikirchlichen, religiöse Werte und Normen verletzenden Politik des Nationalsozialismus, den er zunehmend als „Sünde wider Gott“ empfand.
Erste unheilvolle Vorahnungen nahmen während des sogenannten „Röhm-Putsches“ Gestalt an. Denn diese Mordaktion vom 30. Juni und 1. Juli 1934 richtete sich nicht nur gegen die Widersacher Hitlers aus der eigenen Partei, sondern erstmalig auch gegen politisch missliebige Persönlichkeiten aus Bürgertum und Adel, die bislang mit den neuen Machthabern kooperiert hatten. Kaiser scheute nicht davor zurück, seinem Missmut auch öffentlich Ausdruck zu verleihen. So verweigerte er geflissentlich den „deutschen“ Gruß. Bei seiner Ansprache anlässlich der Einweihung eines Denkmals für die Gefallenen des Feldartillerie-Regiments Nr. 27 Oranien – Kaisers Einheit im Ersten Weltkrieg – vermied er im Oktober 1934 die namentliche Erwähnung Hitlers, was ihm erhebliche Anfeindungen seitens der Partei einbrachte. In seiner Empörung über die Verbrechen gegenüber den Juden sprach Kaiser der NS-Führung jegliche Moralität ab. Seit Kriegsbeginn hoffte er auf einen Staatsstreich, der die „unreinen Elemente“ aus Staat und Gesellschaft wieder beseitigen sollte.
1939 wurde Kaiser als Hauptmann der Reserve zur Wehrmacht eingezogen. Im Jahr darauf berief der Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres, Generaloberst Friedrich Fromm, Kaiser in seinen Stab in das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) nach Berlin. Zu dieser Zeit entwickelte sich das OKW zu einem der Zentren der militärischen Widerstandsbewegung. Auf dem vergleichsweise unbedeutenden Posten eines Kriegstagebuchführers kam Kaiser nun in engen Kontakt zu deren Führungsriege. In Hitlergegnern wie Olbricht oder später dann Stauffenberg, gleichfalls tief im christlichen Glauben verankert und humanistisch gebildet, fand Kaiser rasch eine geistige Verwandtschaft und persönliche Beziehung.
Kaisers Bedeutung für den 20. Juli 1944 beruhte auf seiner Mittlerfunktion zwischen militärischem und zivilem Widerstand. Im Januar 1941 suchte Kaiser den früheren Generaloberst Ludwig Beck auf. Noch im selben Jahr brachte Beck den neuen Weggefährten mit Carl Friedrich Goerdeler zusammen. Nun nicht mehr allein Mitwisser, sondern bereits aktives Mitglied der Verschwörung, nutzte Kaiser seine Vertrauensposition beim militärischen und beim zivilen Widerstand, um beide Seiten zusammenzuführen und aufeinander abzustimmen. Er stellte die Verbindung zwischen Stauffenberg und Goerdeler her; dieser sah Kaiser als zukünftigen Staatssekretär im Kultusministerium einer Regierung nach Hitler vor.
Nach dem Scheitern des Umsturzversuches vom 20. Juli wurden die NS-Ermittler der besonderen Bedeutung Kaisers sehr bald gewahr, zumal die Walküre-Pläne ihn als Verbindungsoffizier im Wehrkreis XII (Wiesbaden) auswiesen. Die Gestapo erkannte in Kaiser nach dessen Verhaftung am 21. Juli 1944 einen „der wesentlichen geistigen Hintermänner“ des Staatsstreichs; die Begründung zu seinem Todesurteil vom 18. Januar 1945 verhöhnte ihn als „dienstfertigen Lakai zwischen Stauffenberg und Goerdeler“. Fünf Tage später wurde Hermann Kaiser gemeinsam mit Helmuth James von Moltke, Theodor Haubach, Ludwig Schwamb und anderen Widerstandskämpfern hingerichtet.
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