11. Die Verfolgung des Widerstands: Die Vergeltung des NS-Regimes
Die Verschwörer des 20. Juli hatten ihrer Aktion von Beginn an keine großen Chancen eingeräumt und ein Misslingen mit all seinen Folgen für die eigene Existenz in Kauf genommen. Dass sie wohl in diesem Fall als „Verräter in die deutsche Geschichte eingehen würden“, erkannte der weitsichtige Stauffenberg zu Recht. Auch Henning von Tresckow, neben Stauffenberg eine der maßgeblichen Persönlichkeiten des militärischen Widerstands, teilte diese Einschätzung: „Jetzt wird die ganze Welt über uns herfallen und uns beschimpfen.“ Andere hochrangige Offiziere, die in die Verschwörung eingeweiht gewesen waren, taten es Tresckow gleich und begingen Selbstmord.
Zeitgleich setzte nach dem Umsturzversuch die nationalsozialistische Propaganda- und Verfolgungsmaschinerie ein. Die NS-Presse dankte der „Vorsehung“, die Adolf Hitler vor dem Tod bewahrt habe. Auf reichsweit inszenierten „Treuekundgebungen“, an denen wie in Wiesbaden am Tag nach dem Attentat viele tausend Menschen teilnahmen, wurde den Regimegegnern der Kampf angesagt. Die öffentliche Ankündigung Hitlers unmittelbar nach Niederschlagung des Umsturzversuches: „Diesmal wird nun so abgerechnet, wie wir es als Nationalsozialisten gewöhnt sind“, ließ die bevorstehende brutale Vergeltung des Regimes erahnen.
Im gesamten Reich rollte noch in derselben Nacht die Verhaftungswelle an. Im Reichssicherheitshauptamt wurde am 21. Juli 1944 eine „Sonderkommission 20. Juli“ gebildet, der fast 500 Kriminalbeamte angehörten. 600-800 Personen, denen man die Teilnahme oder Mitwisserschaft am Umsturzversuch nachzuweisen glaubte, wurden verhaftet und vielfach einem Verhör unter „verschärften Bedingungen“ – die verschleiernde Umschreibung für eine grausame Folter – unterzogen. Die auf diese Weise erpressten Geständnisse brachten die Ermittlungen jedoch vielfach nur in geringem Maße voran, da die Folteropfer zumeist sich selbst oder solche Personen belasteten, die bereits in die Fänge der Staatsgewalt geraten waren.
Für die im Zusammenhang mit dem 20. Juli verhafteten Soldaten wäre eigentlich ein Militärgericht zuständig gewesen. Doch sollten seine Gegner nach dem Willen Hitlers vor ein ziviles, regimetreues Gericht gestellt werden. Der Diktator misstraute der Armee und auch ihrer Gerichtsbarkeit um so mehr, je deutlicher sich bereits nach kurzer Zeit abzeichnete, dass die Militäropposition im Gegensatz zur Parole von der „ganz kleinen Clique“ breite Kreise gezogen hatte. Auf Geheiß Hitlers wurde daher am 2. August 1944 ein „Ehrenhof“ eingerichtet. Die Aufgabe dieses besonderen militärischen Gremiums bestand binnen der folgenden sechs Wochen darin, die angeklagten Offiziere aus der Wehrmacht auszustoßen und sie dem „Volksgerichtshof“ (VGH) zu überstellen.
Der für Hoch- und Landesverrat zuständige VGH in Berlin übernahm in mehr als 50 Prozessen die Aburteilung der Regimegegner. Hitler hatte „kurzen Prozeß (...) ohne jedes Erbarmen“ gefordert, und sein fanatischer Blutrichter Roland Freisler, seit 1925 NSDAP-Mitglied und seit 1942 Vorsitzender dieses politischen Gerichts, setzte diese Direktive gnadenlos um. In der Person Freislers verbarg sich unter dem Richtertalar ein Sadist, der bis zu seinem Tod am 3. Februar 1945 in den Schauprozessen seine Opfer erbarmungslos quälte. Die Schmähungen und Demütigungen, mit denen er die Angeklagten während der Verhandlung überzog, wurden zu Propagandazwecken noch im Tonfilm festgehalten. Das bereits vor Prozeßbeginn feststehende Urteil lautete in über 110 Fällen auf Tod durch den Strang, so wie es Hitler gefordert hatte. Bis auf wenige Ausnahmen erfolgte die Vollstreckung kurze Zeit nach der Urteilsverkündung in der Haftanstalt Berlin-Plötzensee. Um sie ihrer letzten Würde zu berauben, hängte man die Widerstandskämpfer an Fleischerhaken auf „wie Schlachtvieh“. Den Todeskampf der Opfer ließ Hitler filmen, um sich später an diesen Aufnahmen zu ergötzen.
Das NS-Regime beschränkte sich nicht allein auf die Bestrafung der am 20. Juli beteiligten Personen, sondern dehnte die Verfolgung auf deren Familienangehörige aus. Anfang August 1944 verkündete Reichsführer-SS Heinrich Himmler das Ziel, die gesamte Familie Stauffenberg auszulöschen „bis ins letzte Glied“. Auf den Kreis der Mitverschwörer Stauffenbergs wendeten die Nationalsozialisten willkürlich die aus der germanischen Mythologie abgeleitete Sippenhaft an. Die Erwachsenen mussten vielfach bis Kriegsende eine Odyssee durch Gefängnisse und Konzentrationslager erleiden. Kinder unter 16 Jahren aus den „Verräterfamilien“ kamen in Heime der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. Ohne jede Kontaktmöglichkeit zu ihren Verwandten erhielten sie dort neue Namen, um sie ihrer Identität zu berauben.
Zu den Vergeltungsmaßnahmen des NS-Regimes nach dem 20. Juli 1944 zählte die Aktion „Gewitter“ bzw. „Gitter“, die auch rund 250 namentlich bekannte Personen aus dem heutigen Bundesland Hessen in Mitleidenschaft zog. Am 22. und 23. August 1944 verhaftete die Gestapo auf Befehl von Heinrich Himmler „alle früheren Reichs- und Landtagsabgeordneten sowie Stadtverordneten der KPD und SPD und sämtliche ehemaligen Partei- und Gewerkschaftssekretäre der SPD im Reich“. Insgesamt handelte es sich um 5.000 bis 6.000 „Schutzhäftlinge“. Auf der Grundlage längst vorliegender Namenslisten und um potentielle Regimegegner bereits im Vorfeld auszuschalten, wurden diese zumeist älteren und kranken Personen festgesetzt, ohne dass sie in unmittelbarer Beziehung zum 20. Juli standen. Nachdem sie vielfach bereits zu Beginn der NS-Herrschaft Opfer von Verfolgungsmaßnahmen gewesen waren, wurden viele der nun Inhaftierten abermals in ein Konzentrationslager eingeliefert, das manche nicht mehr lebend verließen.
Zeitgleich setzte nach dem Umsturzversuch die nationalsozialistische Propaganda- und Verfolgungsmaschinerie ein. Die NS-Presse dankte der „Vorsehung“, die Adolf Hitler vor dem Tod bewahrt habe. Auf reichsweit inszenierten „Treuekundgebungen“, an denen wie in Wiesbaden am Tag nach dem Attentat viele tausend Menschen teilnahmen, wurde den Regimegegnern der Kampf angesagt. Die öffentliche Ankündigung Hitlers unmittelbar nach Niederschlagung des Umsturzversuches: „Diesmal wird nun so abgerechnet, wie wir es als Nationalsozialisten gewöhnt sind“, ließ die bevorstehende brutale Vergeltung des Regimes erahnen.
Im gesamten Reich rollte noch in derselben Nacht die Verhaftungswelle an. Im Reichssicherheitshauptamt wurde am 21. Juli 1944 eine „Sonderkommission 20. Juli“ gebildet, der fast 500 Kriminalbeamte angehörten. 600-800 Personen, denen man die Teilnahme oder Mitwisserschaft am Umsturzversuch nachzuweisen glaubte, wurden verhaftet und vielfach einem Verhör unter „verschärften Bedingungen“ – die verschleiernde Umschreibung für eine grausame Folter – unterzogen. Die auf diese Weise erpressten Geständnisse brachten die Ermittlungen jedoch vielfach nur in geringem Maße voran, da die Folteropfer zumeist sich selbst oder solche Personen belasteten, die bereits in die Fänge der Staatsgewalt geraten waren.
Für die im Zusammenhang mit dem 20. Juli verhafteten Soldaten wäre eigentlich ein Militärgericht zuständig gewesen. Doch sollten seine Gegner nach dem Willen Hitlers vor ein ziviles, regimetreues Gericht gestellt werden. Der Diktator misstraute der Armee und auch ihrer Gerichtsbarkeit um so mehr, je deutlicher sich bereits nach kurzer Zeit abzeichnete, dass die Militäropposition im Gegensatz zur Parole von der „ganz kleinen Clique“ breite Kreise gezogen hatte. Auf Geheiß Hitlers wurde daher am 2. August 1944 ein „Ehrenhof“ eingerichtet. Die Aufgabe dieses besonderen militärischen Gremiums bestand binnen der folgenden sechs Wochen darin, die angeklagten Offiziere aus der Wehrmacht auszustoßen und sie dem „Volksgerichtshof“ (VGH) zu überstellen.
Der für Hoch- und Landesverrat zuständige VGH in Berlin übernahm in mehr als 50 Prozessen die Aburteilung der Regimegegner. Hitler hatte „kurzen Prozeß (...) ohne jedes Erbarmen“ gefordert, und sein fanatischer Blutrichter Roland Freisler, seit 1925 NSDAP-Mitglied und seit 1942 Vorsitzender dieses politischen Gerichts, setzte diese Direktive gnadenlos um. In der Person Freislers verbarg sich unter dem Richtertalar ein Sadist, der bis zu seinem Tod am 3. Februar 1945 in den Schauprozessen seine Opfer erbarmungslos quälte. Die Schmähungen und Demütigungen, mit denen er die Angeklagten während der Verhandlung überzog, wurden zu Propagandazwecken noch im Tonfilm festgehalten. Das bereits vor Prozeßbeginn feststehende Urteil lautete in über 110 Fällen auf Tod durch den Strang, so wie es Hitler gefordert hatte. Bis auf wenige Ausnahmen erfolgte die Vollstreckung kurze Zeit nach der Urteilsverkündung in der Haftanstalt Berlin-Plötzensee. Um sie ihrer letzten Würde zu berauben, hängte man die Widerstandskämpfer an Fleischerhaken auf „wie Schlachtvieh“. Den Todeskampf der Opfer ließ Hitler filmen, um sich später an diesen Aufnahmen zu ergötzen.
Das NS-Regime beschränkte sich nicht allein auf die Bestrafung der am 20. Juli beteiligten Personen, sondern dehnte die Verfolgung auf deren Familienangehörige aus. Anfang August 1944 verkündete Reichsführer-SS Heinrich Himmler das Ziel, die gesamte Familie Stauffenberg auszulöschen „bis ins letzte Glied“. Auf den Kreis der Mitverschwörer Stauffenbergs wendeten die Nationalsozialisten willkürlich die aus der germanischen Mythologie abgeleitete Sippenhaft an. Die Erwachsenen mussten vielfach bis Kriegsende eine Odyssee durch Gefängnisse und Konzentrationslager erleiden. Kinder unter 16 Jahren aus den „Verräterfamilien“ kamen in Heime der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. Ohne jede Kontaktmöglichkeit zu ihren Verwandten erhielten sie dort neue Namen, um sie ihrer Identität zu berauben.
Zu den Vergeltungsmaßnahmen des NS-Regimes nach dem 20. Juli 1944 zählte die Aktion „Gewitter“ bzw. „Gitter“, die auch rund 250 namentlich bekannte Personen aus dem heutigen Bundesland Hessen in Mitleidenschaft zog. Am 22. und 23. August 1944 verhaftete die Gestapo auf Befehl von Heinrich Himmler „alle früheren Reichs- und Landtagsabgeordneten sowie Stadtverordneten der KPD und SPD und sämtliche ehemaligen Partei- und Gewerkschaftssekretäre der SPD im Reich“. Insgesamt handelte es sich um 5.000 bis 6.000 „Schutzhäftlinge“. Auf der Grundlage längst vorliegender Namenslisten und um potentielle Regimegegner bereits im Vorfeld auszuschalten, wurden diese zumeist älteren und kranken Personen festgesetzt, ohne dass sie in unmittelbarer Beziehung zum 20. Juli standen. Nachdem sie vielfach bereits zu Beginn der NS-Herrschaft Opfer von Verfolgungsmaßnahmen gewesen waren, wurden viele der nun Inhaftierten abermals in ein Konzentrationslager eingeliefert, das manche nicht mehr lebend verließen.
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