6. Der zivile Widerstand: Die Jugend
Vor 1933 existierte in Deutschland ein vielgestaltiges Spektrum an Jugendverbänden. Seit der nationalsozialistischen Machtergreifung strebte der NS-Staat konsequent eine ausschließliche Zusammenfassung aller Jugendlichen unter dem Dach der Hitlerjugend (HJ) an.
Die Jugendverbände aus der Arbeiterbewegung wurden bereits unmittelbar nach der Machtergreifung verboten. Mitglieder der politischen Jugendgruppen beteiligten sich in den ersten Jahren des NS-Regimes am aktiven Widerstand. Sozialistische Jugendliche verteilten z.B. in Frankfurt antinazistische Zeitungen. Doch gelang es der Gestapo in aller Regel, diese Widerstandszirkel binnen kurzer Zeit aufzudecken, was den verhafteten Jugendlichen drakonische Strafen einbrachte.
Weitgehend widerstandslos gleichschalten ließ sich die evangelische Jugend. Der Zusammenschluss der protestantischen Jugendverbände, das Evangelische Jugendwerk, wurde bereits im Dezember 1933 mit Unterstützung des deutsch-christlichen Reichsbischofs Müller in die HJ überführt.
Die organisierte katholische Jugend leistete weniger aktiven, politisch motivierten Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Hier handelte es sich eher um eine Opposition, die auf die Bewahrung des eigenen kirchlichen Aktionsraums abzielte. Die katholischen Jugendgruppen konnten in den ersten Jahren der Diktatur noch ein Eigenleben bewahren. Erst ab 1937 wagte es der NS-Staat, auch diese Bastion einer christlichen Jugendarbeit zu schleifen.
Unter massivem Druck der HJ und des NS-Staates mussten auch die freien bündischen Jugendgruppen bereits kurze Zeit nach der Machtergreifung ihre Jugendverbandsstrukturen aufgeben. Im Verborgenen bewahrten zahlreiche dieser Jugendlichen aus dem Nerother Wandervogel, der Deutschen Freischar oder anderen Pfadfinderbünden ihre nun verpönte bündische Identität. Ihr jugendlich-idealistischer Freiheitsdrang war unvereinbar mit der Enge der von Erwachsenen verordneten Zwangsorganisation HJ.
Mit dem Gesetz über Hitler-Jugend endete am 1. Dezember 1936 der Prozess der Unterwerfung und Gleichschaltung der letzten nicht nationalsozialistischen Jugendverbände. Nun fasste die HJ formell die gesamte deutsche Jugend zusammen. Als dritte Säule der Erziehung stand die HJ nun nicht allein neben, sondern auch in Abgrenzung zu Elternhaus und Schule.
Dennoch ließen sich nicht alle Jugendlichen bereitwillig vereinnahmen. Der gesetzliche Zwang zum Beitritt in die HJ reichte nicht aus, um pubertierende Jugendliche für den dort herrschenden paramilitärischen Drill sowie die strikte Rassen- und Geschlechtertrennung zu begeistern. Insbesondere in den städtischen Ballungszentren wie Frankfurt schlossen sich daher Jugendliche zu „wilden“ Gruppen zusammen, um einen zwangloseren Lebensstil zu praktizieren, weniger um aktiven politischen Widerstand zu leisten.
Lebensbild Franz Kremer
Die Geschichte von Franz Kremer, geboren 1925 in Frankfurt und noch heute dort lebend, ist beispielhaft für die Entstehung dieser neuen Jugendsubkultur im Dritten Reich.
Gemeinsam mit seinem drei Jahre älteren Bruder schloss sich Kremer der „Swing-Jugend“ an. Das bei der HJ übliche „Brüllen, Marschieren, Gleichschritt“ stieß Kremer ab. Leidenschaftlich hörte er mit seinen Freunden vom Frankfurter „Harlem-Club“, der eher ein lockerer Freundeskreis als ein fester Club war, den amerikanischen Swing. Bei ihren heimlichen Treffen bot der Swing im Gegensatz zur „kalten Marschmusik“ die Möglichkeit, sich mit einer individuellen Note frei zu bewegen. Unangepasst war auch der am Vorbild des englischen Gentleman oder der vornehmen Dame ausgerichtete Kleidungsstil.
Für diese nonkonforme Verweigerungshaltung gegenüber der HJ zahlten Kremer und seine Freunde einen hohen Preis. Kremer wurde Anfang 1941 von der Gestapo verhaftet und monatelang in der Frankfurter Gestapozentrale in der Lindenstraße verhört und gefoltert. Mit 19 Jahren zur Wehrmacht eingezogen, zog sich Franz Kremer bei seinem Kriegseinsatz eine schwere Verwundung zu. Die angefangene Metzgerlehre konnte Kremer nicht mehr beenden. Neuen Sinn bekam sein Leben durch die Musik, als er nach dem Krieg sein gesangliches Talent bei der Frankfurter Oper entfalten konnte.
Die Jugendverbände aus der Arbeiterbewegung wurden bereits unmittelbar nach der Machtergreifung verboten. Mitglieder der politischen Jugendgruppen beteiligten sich in den ersten Jahren des NS-Regimes am aktiven Widerstand. Sozialistische Jugendliche verteilten z.B. in Frankfurt antinazistische Zeitungen. Doch gelang es der Gestapo in aller Regel, diese Widerstandszirkel binnen kurzer Zeit aufzudecken, was den verhafteten Jugendlichen drakonische Strafen einbrachte.
Weitgehend widerstandslos gleichschalten ließ sich die evangelische Jugend. Der Zusammenschluss der protestantischen Jugendverbände, das Evangelische Jugendwerk, wurde bereits im Dezember 1933 mit Unterstützung des deutsch-christlichen Reichsbischofs Müller in die HJ überführt.
Die organisierte katholische Jugend leistete weniger aktiven, politisch motivierten Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Hier handelte es sich eher um eine Opposition, die auf die Bewahrung des eigenen kirchlichen Aktionsraums abzielte. Die katholischen Jugendgruppen konnten in den ersten Jahren der Diktatur noch ein Eigenleben bewahren. Erst ab 1937 wagte es der NS-Staat, auch diese Bastion einer christlichen Jugendarbeit zu schleifen.
Unter massivem Druck der HJ und des NS-Staates mussten auch die freien bündischen Jugendgruppen bereits kurze Zeit nach der Machtergreifung ihre Jugendverbandsstrukturen aufgeben. Im Verborgenen bewahrten zahlreiche dieser Jugendlichen aus dem Nerother Wandervogel, der Deutschen Freischar oder anderen Pfadfinderbünden ihre nun verpönte bündische Identität. Ihr jugendlich-idealistischer Freiheitsdrang war unvereinbar mit der Enge der von Erwachsenen verordneten Zwangsorganisation HJ.
Mit dem Gesetz über Hitler-Jugend endete am 1. Dezember 1936 der Prozess der Unterwerfung und Gleichschaltung der letzten nicht nationalsozialistischen Jugendverbände. Nun fasste die HJ formell die gesamte deutsche Jugend zusammen. Als dritte Säule der Erziehung stand die HJ nun nicht allein neben, sondern auch in Abgrenzung zu Elternhaus und Schule.
Dennoch ließen sich nicht alle Jugendlichen bereitwillig vereinnahmen. Der gesetzliche Zwang zum Beitritt in die HJ reichte nicht aus, um pubertierende Jugendliche für den dort herrschenden paramilitärischen Drill sowie die strikte Rassen- und Geschlechtertrennung zu begeistern. Insbesondere in den städtischen Ballungszentren wie Frankfurt schlossen sich daher Jugendliche zu „wilden“ Gruppen zusammen, um einen zwangloseren Lebensstil zu praktizieren, weniger um aktiven politischen Widerstand zu leisten.
Lebensbild Franz Kremer
Die Geschichte von Franz Kremer, geboren 1925 in Frankfurt und noch heute dort lebend, ist beispielhaft für die Entstehung dieser neuen Jugendsubkultur im Dritten Reich.
Gemeinsam mit seinem drei Jahre älteren Bruder schloss sich Kremer der „Swing-Jugend“ an. Das bei der HJ übliche „Brüllen, Marschieren, Gleichschritt“ stieß Kremer ab. Leidenschaftlich hörte er mit seinen Freunden vom Frankfurter „Harlem-Club“, der eher ein lockerer Freundeskreis als ein fester Club war, den amerikanischen Swing. Bei ihren heimlichen Treffen bot der Swing im Gegensatz zur „kalten Marschmusik“ die Möglichkeit, sich mit einer individuellen Note frei zu bewegen. Unangepasst war auch der am Vorbild des englischen Gentleman oder der vornehmen Dame ausgerichtete Kleidungsstil.
Für diese nonkonforme Verweigerungshaltung gegenüber der HJ zahlten Kremer und seine Freunde einen hohen Preis. Kremer wurde Anfang 1941 von der Gestapo verhaftet und monatelang in der Frankfurter Gestapozentrale in der Lindenstraße verhört und gefoltert. Mit 19 Jahren zur Wehrmacht eingezogen, zog sich Franz Kremer bei seinem Kriegseinsatz eine schwere Verwundung zu. Die angefangene Metzgerlehre konnte Kremer nicht mehr beenden. Neuen Sinn bekam sein Leben durch die Musik, als er nach dem Krieg sein gesangliches Talent bei der Frankfurter Oper entfalten konnte.
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