5. Der zivile Widerstand: Das Bürgertum
In seiner Mehrheit sah sich das Bürgertum – als die durch ein gehobenes Maß an Besitz, Bildung und Einfluss geprägte Gesellschaftsschicht – durchaus mit den Zielen und der Politik des Nationalsozialismus in Übereinstimmung. Viele Bürgerliche ließen sich in der Hoffnung auf eine „nationale Erneuerung“ nur allzu gerne täuschen von der inszenierten Symbolik des „Tages von Potsdam“ vom 21. März 1933, der die Identität des nationalsozialistischen Deutschlands mit der preußisch-deutschen Tradition dokumentieren sollte. Die Augen vielfach vor den offenkundigen Verbrechen an politischen Gegnern und ausgegrenzten Minderheiten verschließend, sah insbesondere das konservativ gesinnte Bürgertum binnen der ersten fünf Jahre NS-Herrschaft verwirklicht, woran zuvor die Weimarer Republik zerbrochen war: Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit, Ankurbelung der Wirtschaft und Herbeiführung politischer Stabilität im Innern durch die Errichtung eines autoritären Staates; Befreiung vom „Versailler Schanddiktat“ und Schaffung eines „Großdeutschlands“ nach außen.
Eine kleine bürgerliche Minderheit vor allem aus dem Besitz- und Bildungsbürgertum trat dem „plebejischen“, „despotischen“ Nationalsozialismus von Beginn an mit Skepsis oder gar mit Abneigung gegenüber. Diese zumeist liberal, aber auch konservativ denkenden Bürger gingen in die „innere Emigration“ oder verweigerten sich bestenfalls dem NS-Regime. Erst durch die eindeutig auf Krieg ausgelegte expansionistische Außenpolitik Hitlers und die Innenpolitik, die sich vor allem gegenüber den Juden zusehends radikalisierte, wuchs um 1938 im Bürgertum die Unzufriedenheit mit dem NS-Regime. Dessen Gegner formierten sich in Organisationsformen, die in bürgerlicher Tradition standen: Vereine, Zirkel oder Kreise. Dort wurden konspirativ im intellektuellen Diskurs Pläne für einen Staatsstreich und für die Zeit nach Hitler geschmiedet – in Zeiten der Diktatur ein Kapitalverbrechen, das mit der Todesstrafe geahndet wurde.
Der bekannteste und auch historisch nachhaltigste dieser bürgerlichen Diskussionszirkel war der Kreisauer Kreis. Auf dem niederschlesischen Gut Kreisau von Helmuth James Graf von Moltke, aber auch in Berlin und München, fanden ab 1940 Treffen einer bürgerlichen Widerstandsgruppe statt. Zum Kreisauer Kreis zählten rund 20 aktive Mitarbeiter und etwa die gleiche Anzahl an Sympathisanten; sie kamen auch aus der Sozialdemokratie – Carlo Mierendorff und Julius Leber – und aus den beiden christlichen Konfessionen – Alfred Delp und der spätere CDU-Politiker und Präsident des Deutschen Bundestages, Eugen Gerstenmaier. In diesem Kreis sammelte sich eine junge, überwiegend nach 1900 geborene und akademisch gebildete Elite, vielfach geprägt durch die Jugendbewegung und mit einem durch Auslandserfahrungen erweiterten Horizont. Bis zum Sommer 1943 entstand ein Grundsatzprogramm über die staatliche, wirtschaftliche und soziale Gestaltung Deutschlands nach der NS-Diktatur. Man sah im „Christentum die Grundlage für die sittliche und religiöse Erneuerung“ des deutschen Volkes und strebte einen sozialen Ausgleich zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen an. Mit der Verhaftung von Moltkes im Januar 1944 kam die Arbeit des Kreisauer Kreises praktisch zum Erliegen; einige seiner Mitstreiter schlossen sich noch der militärischen Widerstandsgruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg an.
Lebensbild Adam von Trott zu Solz
Adam von Trott zu Solz war eine der tragenden Pfeiler des Kreisauer Kreises. Er wurde am 9. August 1909 als Sohn des preußischen Kultusministers August von Trott zu Solz in Potsdam geboren und verbrachte ab 1917 seine Kindheit im nordhessischen Imshausen. Im Anschluss an sein Jura-Studium und die Promotion absolvierte von Trott ab 1931 als Rhodes-Stipendiat ein Studium an der Universität Oxford. Auch nach seiner Rückkehr in die Heimat, wo er seine juristische Ausbildung fortsetzte, unternahm von Trott weitere Auslandsreisen – u.a. nach China und Ostasien –, die ihn nicht nur persönlich, sondern auch in seiner Wahrnehmung des Nationalsozialismus nachhaltig prägten.
In der Machtübernahme des Nationalsozialismus sah der weltoffene von Trott ein „schreckliches Unglück“ für Deutschland. Hatte er bereits bei seinen zahlreichen Auslandsaufenthalten Kontakte zu Regimegegnern geknüpft, u.a. zu den späteren Initiatoren des Kreisauer Kreises Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg, so bahnte sich auch innerhalb Deutschlands von Trotts Weg in den Widerstand an. Da ihm ein berufliches Fortkommen ohne Parteieintritt verwehrt blieb, überwand von Trott sich schließlich 1940 zum NSDAP-Beitritt. Die erst mit der Parteimitgliedschaft mögliche Stelle in der Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes diente von Trott gleichermaßen als Tarnung und als idealer Ausgangspunkt für die Intensivierung seiner Kontakte in aus- und inländischen Widerstandskreisen.
Seit 1941 engagierte sich von Trott im Kreisauer Kreis. Als dessen außenpolitischer Beauftragter bemühte sich von Trott bei zahlreichen dienstlichen Reisen in das besetzte und neutrale Ausland um Kontaktaufnahme mit den Alliierten, die er allerdings nicht zur Anerkennung des deutschen Widerstands bewegen konnte. Der außenpolitischen Programmatik des Kreisauer Kreises drückte von Trott seinen Stempel auf, indem er für die Einbindung Deutschlands in einen europäischen Bundesstaat plädierte.
Von Trott befürwortete das von der Stauffenberg-Gruppe geplante Attentat auf Hitler und beteiligte sich an dessen Vorbereitung. Nachdem seine Beteiligung an der Konspiration aufgedeckt wurde, erfolgte fünf Tage nach dem gescheiterten Umsturzversuch von Trotts Verhaftung. Am 15. August verurteilte ihn der Volksgerichtshof zum Tod; am 26. August 1944 wurde von Trott in Berlin-Plötzensee erhängt.
Eine kleine bürgerliche Minderheit vor allem aus dem Besitz- und Bildungsbürgertum trat dem „plebejischen“, „despotischen“ Nationalsozialismus von Beginn an mit Skepsis oder gar mit Abneigung gegenüber. Diese zumeist liberal, aber auch konservativ denkenden Bürger gingen in die „innere Emigration“ oder verweigerten sich bestenfalls dem NS-Regime. Erst durch die eindeutig auf Krieg ausgelegte expansionistische Außenpolitik Hitlers und die Innenpolitik, die sich vor allem gegenüber den Juden zusehends radikalisierte, wuchs um 1938 im Bürgertum die Unzufriedenheit mit dem NS-Regime. Dessen Gegner formierten sich in Organisationsformen, die in bürgerlicher Tradition standen: Vereine, Zirkel oder Kreise. Dort wurden konspirativ im intellektuellen Diskurs Pläne für einen Staatsstreich und für die Zeit nach Hitler geschmiedet – in Zeiten der Diktatur ein Kapitalverbrechen, das mit der Todesstrafe geahndet wurde.
Der bekannteste und auch historisch nachhaltigste dieser bürgerlichen Diskussionszirkel war der Kreisauer Kreis. Auf dem niederschlesischen Gut Kreisau von Helmuth James Graf von Moltke, aber auch in Berlin und München, fanden ab 1940 Treffen einer bürgerlichen Widerstandsgruppe statt. Zum Kreisauer Kreis zählten rund 20 aktive Mitarbeiter und etwa die gleiche Anzahl an Sympathisanten; sie kamen auch aus der Sozialdemokratie – Carlo Mierendorff und Julius Leber – und aus den beiden christlichen Konfessionen – Alfred Delp und der spätere CDU-Politiker und Präsident des Deutschen Bundestages, Eugen Gerstenmaier. In diesem Kreis sammelte sich eine junge, überwiegend nach 1900 geborene und akademisch gebildete Elite, vielfach geprägt durch die Jugendbewegung und mit einem durch Auslandserfahrungen erweiterten Horizont. Bis zum Sommer 1943 entstand ein Grundsatzprogramm über die staatliche, wirtschaftliche und soziale Gestaltung Deutschlands nach der NS-Diktatur. Man sah im „Christentum die Grundlage für die sittliche und religiöse Erneuerung“ des deutschen Volkes und strebte einen sozialen Ausgleich zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen an. Mit der Verhaftung von Moltkes im Januar 1944 kam die Arbeit des Kreisauer Kreises praktisch zum Erliegen; einige seiner Mitstreiter schlossen sich noch der militärischen Widerstandsgruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg an.
Lebensbild Adam von Trott zu Solz
Adam von Trott zu Solz war eine der tragenden Pfeiler des Kreisauer Kreises. Er wurde am 9. August 1909 als Sohn des preußischen Kultusministers August von Trott zu Solz in Potsdam geboren und verbrachte ab 1917 seine Kindheit im nordhessischen Imshausen. Im Anschluss an sein Jura-Studium und die Promotion absolvierte von Trott ab 1931 als Rhodes-Stipendiat ein Studium an der Universität Oxford. Auch nach seiner Rückkehr in die Heimat, wo er seine juristische Ausbildung fortsetzte, unternahm von Trott weitere Auslandsreisen – u.a. nach China und Ostasien –, die ihn nicht nur persönlich, sondern auch in seiner Wahrnehmung des Nationalsozialismus nachhaltig prägten.
In der Machtübernahme des Nationalsozialismus sah der weltoffene von Trott ein „schreckliches Unglück“ für Deutschland. Hatte er bereits bei seinen zahlreichen Auslandsaufenthalten Kontakte zu Regimegegnern geknüpft, u.a. zu den späteren Initiatoren des Kreisauer Kreises Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg, so bahnte sich auch innerhalb Deutschlands von Trotts Weg in den Widerstand an. Da ihm ein berufliches Fortkommen ohne Parteieintritt verwehrt blieb, überwand von Trott sich schließlich 1940 zum NSDAP-Beitritt. Die erst mit der Parteimitgliedschaft mögliche Stelle in der Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes diente von Trott gleichermaßen als Tarnung und als idealer Ausgangspunkt für die Intensivierung seiner Kontakte in aus- und inländischen Widerstandskreisen.
Seit 1941 engagierte sich von Trott im Kreisauer Kreis. Als dessen außenpolitischer Beauftragter bemühte sich von Trott bei zahlreichen dienstlichen Reisen in das besetzte und neutrale Ausland um Kontaktaufnahme mit den Alliierten, die er allerdings nicht zur Anerkennung des deutschen Widerstands bewegen konnte. Der außenpolitischen Programmatik des Kreisauer Kreises drückte von Trott seinen Stempel auf, indem er für die Einbindung Deutschlands in einen europäischen Bundesstaat plädierte.
Von Trott befürwortete das von der Stauffenberg-Gruppe geplante Attentat auf Hitler und beteiligte sich an dessen Vorbereitung. Nachdem seine Beteiligung an der Konspiration aufgedeckt wurde, erfolgte fünf Tage nach dem gescheiterten Umsturzversuch von Trotts Verhaftung. Am 15. August verurteilte ihn der Volksgerichtshof zum Tod; am 26. August 1944 wurde von Trott in Berlin-Plötzensee erhängt.
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