21. Frankreich und die Hugenotten
Tafel 21: Hugenotten in Frankreich
In Frankreich werden die ersten Schriften Luthers bereits ab 1519 verkauft und stoßen namentlich bei den Professoren der Pariser Sorbonne auf zustimmendes Interesse. Der neue Glaube, der in der ersten Phase als luthérien bezeichnet wird, gewinnt zunächst in den großen Städten - neben Paris besonders Lyon und Meaux - an Boden, bevor er auch das Land erfasst. Der zunehmende Einfluss Calvins von Genf auf die französische Reformationsbewegung trägt seit den 1540er Jahren wesentlich zur Organisierung der Hugenotten, wie die Protestanten in Frankreich bald genannt werden, bei. Das in Calvins Institution de la religion chrétienne (frz. Ausgaben ab 1541) manifestierte theologische System koordiniert in der Folge die bisher locker nebeneinander lebenden Gruppen und die verschiedenen Lehrmeinungen. Die endgültige Ausformung der Kirchenorganisation und Lehre erfolgt dann auf der Nationalsynode der reformierten Gemeinden Frankreichs 1559 in Paris (Confessio Gallicana). Die Reformierten machen mit etwa 1-2 Millionen Anhängern zwar nicht mehr als 5-10% der Gesamtbevölkerung aus. Aber mit dem Anschluss der führenden französischer Häuser Bourbon, Condé und Coligny erfahren die Hugenotten eine entscheidende politische Stärkung und werden zu einem wichtigen Faktor im Machtkampf der Adelsparteien in Frankreich.
In den Jahren ab 1559 wird der Religionskonflikt in Frankreich zu einem gesamteuropäischen Problem: Wieder ist es von den protestantischen Fürsten in Deutschland Landgraf Philipp von Hessen, der die Initiative ergreift und für ein friedliches Nebeneinander der Konfessionen in Frankreich eintritt: Ganz falsch wäre es, wenn die deutschen Protestanten ihre französischen Glaubensverwandten wegen des Abendmahlstreits verdammten und die vorbehaltlose Anerkennung der Confessio Augustana zur Vorbedingung ihrer Unterstützung machten. Im Falle eines allgemeinen Bürgerkriegs (civile bellum) und eines möglichen Sieges der Papisten in Frankreich, so Philipp 1561, sei die Ausübung der freien christlichen Lehre auch in Deutschland in Gefahr.
Als die Hugenotten nach dem Massaker von Vassy (März 1562) um direkte Waffenhilfe nachsuchen, finanziert der hessische Landgraf zusammen mit Kurfürst Friedrich von der Pfalz und Christoph von Württemberg eine Bürgschaft von 100.000 Gulden. Damit werden einige tausend Söldner (auch aus Hessen) bezahlt, die Coligny und Condé freilich vergeblich zur Hilfe kommen. Gleichzeitig besorgt Philipp zusammen mit seinem Sohn, Landgraf Wilhelm IV., bei Andreas Kolbe in Marburg den Erstabdruck der berühmten Déclaration des Prinzen Condé in deutscher Sprache. Dieses Manifest vom 8. April 1562 begründet das militärische Eingreifen der hugenottischen Partei und steht am Anfang der bis 1598 andauernden Hugenottenkriege.
Eine eingeschränkte Religionsfreiheit für die französischen Hugenotten garantiert erst das Edikt von Nantes (1598), allerdings nur bis 1684/85. Nach der Aufhebung des Edikts durch Ludwig XIV. und der Vertreibung der Hugenotten aus Frankreich gehört die Landgrafschaft Hessen-Kassel (deren Landesherr inzwischen zur reformierten Religion übergetreten ist) zu den Territorien, in denen die französischen Flüchtlinge eine neue Heimat finden.
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